Ersteigert für 650 EuroSo kam eine Weinflasche von 1938 nach Alfter-Witterschlick

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Albert Soehngen präsentiert die historische Weinflasche. Abgefüllt wurde der Riesling vom Rüdesheimer Berg Rottland 1938.

Albert Soehngen präsentiert die historische Weinflasche. Abgefüllt wurde der Riesling vom Rüdesheimer Berg Rottland 1938.

Der Alfterer Sammler Albert Söhngen ersteigerte in Bonn eine Flasche Wein von 1938 und recherchierte deren Historie

Der Weg die Stufen hinunter in den Keller von Albert und Annette Söhngen ist nichts für groß gewachsene Leute. Ursprünglich waren die Räume aber auch nicht dazu gedacht, wohnbar zu sein. Vor Jahrzehnten wurden hier Kohlen für den Witterschlicker Bahnhof gelagert. Heute liegt dort nicht mehr das schwarze Gold von einst, sondern viele edle Tropfen, akkurat sortiert in mehreren Regalen. Circa 500 bis 600 Flaschen könnten es sein, schätzt Albert Söhngen. Viele davon gehören auch seinem Sohn.

Dann holt Albert Söhngen aus einer Kiste eine leicht angestaubte Flasche hervor, sorgfältig gebettet in Plastikfolie, damit sie bloß nicht beschädigt wird. Denn dieser Tropfen ist ein ganz besonderer und vor allem ein ganz besonders teurer: Ein Kabinettwein, ein Riesling vom Rüdesheimer Berg Rottland des Jahrgangs 1938, eine Trockenbeerenauslese aus dem Rheingau. Erzeuger war die Verwaltung der Staatsweingüter Eltville.

Auf dem ein wenig vergilbten Etikett ist noch der Reichsadler zu sehen: „Diese Flasche ist 20 Jahre älter als ich und hat den Zweiten Weltkrieg überlebt“, schwärmt Söhngen und hält seine Flasche voller Ehrfurcht stolz in die Kamera: 776,75 Euro hat der 65-Jährige beim renommierten Auktionshaus Plückbaum in Bonn dafür bezahlt. 650 Euro war der Preis, für den Söhngen den Zuschlag für den Wein bei der Versteigerung bekommen hatte, dazu kam noch einmal ein sogenanntes Aufgeld für das Auktionshaus. Man muss schon ein Liebhaber und ein Weinkenner sein um zu wissen, wie viel solch eine Flasche wert ist. Söhngen kennt sich aus, es nicht das erste Mal, dass er viel Geld für einen guten Tropfen ausgegeben hat, doch so viel wie dieses Mal war es für eine Flasche Wein noch nie.

Das Etikett von 1938 ist noch gut erhalten. Die wertvolle Flasche kam sicher verpackt in Witterschlick an.

Das Etikett von 1938 ist noch gut erhalten. Die wertvolle Flasche kam sicher verpackt in Witterschlick an.

Spannend ist auch die Geschichte des Tropfens. Die Flasche war über lange Zeit im Weingut Kloster Eberbach gelagert. Das Kloster ist nicht nur vielen Weinliebhabern ein Begriff, sondern auch Filmfreunden. Es diente als Kulisse für den Film „Der Name der Rose“ aus dem Jahr 1986. Über eine Anzeige des Auktionshauses erfuhr Söhngen, dass die Flasche angeboten werden sollte mit einem Startpreis von 500 Euro. Mit ihm gab es noch einen zweiten Interessenten, der über das Internet mitgeboten hatte. Söhngen hatte sich 1000 Euro als oberes Limit gesetzt, kam am Ende doch ein gutes Stück günstiger davon.

Um mehr über die Geschichte des Weines herauszufinden, hatte er über einen Bekannten den Geschäftsführer des Klosters Eberbach, Dieter Greiner, kontaktiert: „Herr Söhngen kann sich glücklich schätzen“, kam als Antwort per E-Mail. Am 25. September 1998 wurde der Wein zuletzt verkostet und das letzte Mal umgekorkt. Demnach wird ihm eine „malzige Caramelnote, Würze, hohe Konzentration, feinste Reife und Süße und vollendete Harmonie“ zugeschrieben. Aufgrund der Witterung im Jahr 1938 (milder Winter, Juli und August sehr heiß, schönes Herbstwetter) gab es in diesem Jahrgang „reichlichen Ertrag und blumige Weine mittlerer Güte“. Es handele sich um einen erlesenen Spitzenwein. Weitere Informationen über die Geschichte wollte Söhngen auch vom Auktionshaus Plückbaum erfahren.

Der Anbieter, der anonym bleiben wollten, erklärte nur so viel: Der Schwiegervater des Besitzers hatte als „Dankeschön“ einige Flaschen Wein aus unterschiedlichsten Jahrgängen geschenkt bekommen. Allerdings sei er kein Weintrinker, geschweige denn ein Kenner gewesen. Die guten Tropfen wurden daher in der Familie weitergereicht. Einige Flaschen aus aktuelleren Jahrgängen tranken die Anbieter selbst, andere waren ungenießbar und wurden vernichtet. Die übrig gebliebenen Flaschen, zuletzt nur noch drei, lagerten dann im Keller in einem Regal. Die Anbieter waren ebenfalls keine Kenner, doch eine Flasche aus dem Jahr 1938 einfach so zu öffnen, war ihnen dann doch zu schade.

Zufällig hatten sie mitbekommen, dass eine solche Flasche irgendwo zum Verkauf angeboten worden war und hatten sich entschieden ihre ebenfalls versteigern zu lassen. Damit lagen sie goldrichtig: Aktuell läuft eine weitere Auktion im Pariser Auktionshaus Drouot. Der Preis liegt bei etwa 550 Euro. Doch wie geht es nun weiter mit diesem teuren und edlen Tropfen? Den trinkt man sicherlich mal nicht einfach so aus einer Laune heraus, wenn er denn überhaupt getrunken wird.

Lange soll der Wein nicht im Weinkeller der Familie Söhngen liegen: „Wir werden ihn in einem feierlichen, angemessenen Rahmen mit einem guten Essen zelebrieren, ordentlich gekleidet und nicht im Jogginganzug“, verrät Albert Söhngen. Mit „wir“ meint er seine Frau, seine Tochter und seinen Sohn mit Partnern. Es dürfte für jeden allerdings nur für einen kleinen Schluck reichen, denn in der Flasche sind gerade einmal 0,7 Liter Inhalt

10. Juli 2024. Alfter-Witterschlick. Leben im alten Bahnhof: 2004 hatten Albert und Annette Söhngen das historische Bahnhofsgebäude in Witterschlick ausgebaut. Heute leben sie darin. Foto: Frank Engel-Strebel

Leben im alten Bahnhof: 2004 hatten Albert und Annette Söhngen das historische Bahnhofsgebäude in Witterschlick ausgebaut. Heute leben sie darin.

Albert und Annette Söhngen mögen das Exquisite auch ansonsten. Im Jahr 2004 hatten sie das damals leerstehende Bahnhofsgebäude in Witterschlick von der Deutschen Bahn gekauft und ließen es komplett sanieren. Das kam natürlich auch nicht von ungefähr: 50 Jahre arbeitete Söhngen als Bahnbeamter. 2023 ging er in den Ruhestand. Eine „gute sechsstellige Summe“ hatten die Söhngens in den Umbau des historischen Gebäudes seinerzeit investiert, in dem sie heute leben: „Wir schlafen in der ehemaligen Wartehalle, und unser Wohnzimmer war früher der Betriebsraum für das Stellwerk.“ Den ehemaligen Güterschuppen ließen sie zudem zum Trauzimmer ausbauen. Seit 2009 ist dies eine offizielle Außenstelle des Alfterer Standesamtes. Bereits über 400 Paare aus ganz Deutschland gaben einander dort das Jawort.