Bergisch Gladbach im Heimat-CheckSo haben sich Stadtmitte und Stadtteile entwickelt
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Die Einwohnerzahl von Bergisch Gladbach hat sich seit der Industrialisierung verzehnfacht.
Heute leben die meisten Gladbacher leben nicht in der Stadtmitte, sondern in den Nachbarstadtteilen.
Im Heimat-Check nehmen wir Orte und Stadt-Teile unter die Lupe. Lesen Sie hier: Bergisch Gladbach.
Bergisch Gladbach – Sieben Straßen führen nach Bergisch Gladbach, wie die Speichen eines Rades gleichmäßig verteilt über die Windrose, nur im Nordosten gibt es eine Lücke. Die sieben Straßen verbinden die Urpfarreien, die originalen Siedlungszellen des rheinisch-bergischen Raumes aus karolingischer Zeit. Es handelt sich also um ein 1200 Jahre altes Muster der lokalen Infrastruktur, das aber nicht eingehängt ist in das regionale Muster: das nämlich besteht aus radialen Strahlen die auf Köln zulaufen.
Die historische Mitte von Gladbach liegt rund um die Laurentiuskirche. Hier finden wir im 19. Jahrhundert eine relativ dichte Bebauung mit kleinen von Handwerkern und Arbeitern bewohnten Querdielenhäusern in Fachwerkbauweise,. Diese wurden in der Gründerzeit zwischen 1880 und 1900 durch geschlossene Bauzeilen dreigeschossiger Bürgerhäuser, Ziegelbauten mit reichverzierten Stuckfassaden im Stil des Historismus ersetzt.
Eine dritte architektonische Schicht besteht aus verspielten Jugendstilhäuschen und -villen, die ab 1910 einen Landstadtcharakter herausstellten.
In dieser engsten Stadtmitte leben heute relativ wenige Menschen, weil in den Erdgeschossen Ladenlokale und darüber Büros und Praxen vorherrschen. Die Einwohnerschaft der Stadtmitte konzentriert sich auf den Krankenhausbergen, deren Kliniken das Bild der Innenstadt heute dominieren, wie es früher die Fabrikschornsteine taten.
Die meisten Menschen leben aber in den vier Nachbarstadtteilen der Mitte, die mit Gladbach zusammen den Stadtbezirk 2 bilden: Aufgereiht an den vier Hauptästen des Straßenkreuzes sind das Gronau, Hebborn, Heidkamp und Strundorf.
Wiege der Stadt
Letzteres ist kein offizieller Stadtteil, sondern quasi das östliche Weichbild von Gladbach, das eigentliche historische Dorf. Nach Westen wuchs Gladbach mit seinen Fabriken auf das Gronauer Feld hinaus, das es einst von Gronau trennte.
Zanders kämpft um das Überleben
Bergisch Gladbach ist ohne die Papierfabrik Zanders schwer vorstellbar. 1829 gründete Johann Wilhelm Zanders das Unternehmen. Es expandierte schnell – in gewisser Weise wurde Bergisch Gladbach um das Werk herum gebaut. Zum Produktsortiment gehört die 1958 eingeführte Premiummarke Chromolux – eine immer noch weltweit führende Papiermarke.
1989 wurde das Unternehmen an die International Paper Company verkauft. Nach diesem Verkauf ging es kontinuierlich mit der Fabrik bergab. Es folgten weitere Eigentümerwechsel. Im Juni der Insolvenzantrag. Inzwischen sind skandinavische Investoren die Mehrheitseigentümer. Die Immobilien (die Werkhallen und der Grund und Boden) gehören der Stadt und Zanders ist Pächter. Zuletzt wurde der Pachtvertrag bis Ende des Jahres verlängert.
Im Werk hat die Belegschaft neuen Mut gefasst und der Betriebsrat ist überzeugt, dass die Firma mit ihren Produkten eine Zukunft hat. 320 Mitarbeiter gibt es noch im Werk. Zu den besten Zeiten des Unternehmens waren es über 3500 Zandrianer. (nie)
Nach Süden erstreckt sich die eigentliche Wiege der Stadt, die Papierfabrik Zanders, hervorgegangen aus der Schnabelsmühle und der Gohrsmühle. Die Schnabelsmühle war die eigentliche Mitte der Stadt, heute ein Kreisverkehr, an dem sich die vier wichtige Straßen treffen. Ihr Herrenhaus, also das Wohnhaus der Mühleninhaber, war Vorgänger der Villa Zanders, die 1872 als erster Repräsentationsbau der Stadt entstand, auf sie achsial ausgerichtet das seit 1906 gegenüberliegende Rathaus.
Das Geltungsbewusstsein der entstehenden Stadt zeigt sich auch in dem neuromanischen Neubau der Laurentiuskirche, die sich abhob von den Erweiterungsbauten der anderen Landkirchen Ende des 19. Jahrhunderts. Zwischen Kirche, Villa und Rathaus entstand ein Stadtplatz, den mit dem neuerrichteten Gasthaus Am Bock und dem Bergischen Löwen weitere repräsentative Fassaden im Osten abschlossen.
Nach Westen erstreckte sich diese Innenstadt bis zum Bahnhof, der 1906 – gegen den Protest der Stadt, nicht etwa als Ausdruck einer geplanten Kernerweiterung – nach Gronau verschoben wurde und erst 1960 zurückkehrte.
Verkehr ist eines der Hauptprobleme
Bergisch Gladbach hat ein Problem mit dem Verkehr, oft herrscht Dauerstau. Auch mit dem Bau von Stadttunnel und zweier Kreisverkehre in der Stadtmitte hat sich die Situation nicht verbessert. Mit der Bebauung des Bereichs Kalkofen/Johann-Wilhelm-Lindlar-Straße (100-Betten-Hotel, 170 Wohnungen), mit Köttgen-Gelände Jakob-straße, mit Wohnungsbau-Ideen für die ehemalige Sanitärfirma Steinbüchel und mit Bau des Stadthauses stehen gewaltige Veränderungen bevor.
Den gordischen Knoten durchschlagen sollen zwei neue Entlastungsstraßen am ehemaligen Gleisdreieck: eine Achse von der Bahnunterführung Buchholzstraße über die Siedlung Kuhlerbusch bis zur Bahnbrücke Mülheimer Straße, eine zweite über die Alt-Trasse ab Tannenbergstraße ebenfalls bis Mülheimer Straße und dann gemeinsam zum Refrather Weg. Vor den Ferien hat die Politik einem Bebauungsplan mit einem Vorkaufsrecht zugestimmt. (cbt)
Vor der Industrialisierung hatte Gladbach eine Einwohnerschaft von rund 5000 Menschen. Mit der Industrialisierung verzehnfachte diese sich ungefähr in den nächsten hundert Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg, der erstmals größere Mengen von Neubürgern aus der Ferne brachte: Evakuierte, Ausgebombte, Flüchtlinge und Heimatvertriebene.
Entwicklung der Wohngebiete zu eigenen Quartieren
Mit dem Wachstum verselbtändigten sich die Wohngebiete an der westlichen und südlichen Ausfallstraße – Gronau und Heidkamp – ebenso Hebborn, das ursprünglich zu Paffrath gehört hatte: Die Quartiere erhielten eigene Schulbezirke und entwickelten sich zu eigenen Pfarrgemeinden. Die neuen Kirchen und Schulen bilden markante Bauten und neue Mittelpunkte an den Ausfallstraßen, nur nicht in Strundorf, das auf die Mitte bezogen blieb. Später folgten evangelische Gemeindezentren nach, die allerdings von den Durchgangsstraßen weggerückt waren.
Die Mitte wurde vornehmlich durch ihre Einkaufstraße charakterisiert. Man könnte einen Gladbacher als einen Menschen bezeichnen, der mindestens einmal in der Woche die Hauptstraße aufsucht, um da etwas zu besorgen oder sich wohlgehen zu lassen, eine Definition, die aber von vorneherein die meisten Schildgener, Bensberger und Refrather ausschließt.
Das Herz des wahren Gladbachs schlägt tatsächlich vor allem in Mitte, Strundorf, Hebborn, Heidkamp und Gronau.
Ein Problem ist, dass die kulturbeflissensten Schichten auch die mobilsten sind und sehr häufig ihre Weg nach Köln zu dem uneinholbar größeren und besseren Kulturangebot lenken. Es bleiben in Gladbachs Mitte Angebote wie die Bücherei und das Bürgerhaus Bergischer Löwe. Selbst ein Kino sucht man hier vergeblich. Das Kulturleben auf dem mittleren Niveau, geprägt von Vereinen und weiterführenden Schulen, entwickelt sich aus dem Zentrum zur Peripherie heraus, wo die Wohnsiedlungen und die Schulzentren sind.
Treffpunkt in der Stadtmitte Bergisch Gladbachs
Die Stadtmitte hat noch Treffpunktfunktion mit den Sälen im Gasthaus Am Bock und im Bergischen Löwen, ihre Kirchen mit einem zentrenspezifisch weiten Angebot, die VHS am Buchmühlenpark, einstweilen noch das Kulturhaus Zanders und schließlich noch an ihrem östlichen Rand die Aktivitäten des Bestattungshauses Pütz/Roth. Und dann ist da natürlich die Veranstaltungsarena und Party-Location Nummer eins: der Konrad-Adenauer-Platz, der rund ums Jahr straßenfestmäßig heftig bespielt wird. Die wichtigsten und weit über Gladbach ausstrahlenden Akzente im Jahreskalender sind der Karnevalssonntagszug, die beiden Kirmesfeste und der Weihnachtsmarkt.