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Zigeuner-Wallfahrt„Wir sind wie alle anderen auch“

Lesezeit 3 Minuten

Regina Reinhardt (r.) und Pralina Meinhardt (Bild: Daub)

Altenberg – ALTENBERG. Sascha ist ein ganz normaler 13-jähriger Junge. Er trägt ein Sweatshirt und eine Baseballkappe, hört gerne Musik und malt Comics. In der Schule ist er gut integriert, mit Vorurteilen ist er noch nicht konfrontiert worden. Trotzdem weiß Sascha, dass sein Leben sich von dem der anderen Jungs in seinem Alter unterscheidet: „Wir haben andere Regeln“, sagt er, „zum Beispiel dürfen wir beim Essen nicht mit den Erwachsenen am Tisch sitzen.“

Sascha ist Sinti und lebt in Köln. Mit seiner Familie ist er zurzeit in Altenberg zu Gast: Die katholische Zigeunerseelsorge hat eine Wallfahrt organisiert. Auf einer Wiese hinter dem Dom stehen seit Dienstagabend rund 30 Wohnwagen aus Köln, Süddeutschland, Frankreich oder der Schweiz. Um die Mittagszeit zieht Essensduft über den Platz, abends sitzen alle zusamen am Lagerfeuer. „Bisher sind wir ungefähr 200, und es werden noch mehr“, sagt Janko Mettbach, einer der Organisatoren.

Die Zigeunerwallfahrten gibt es schon seit vielen Jahren, Janko Mettbach war in den 60er Jahren selbst als Kind bei der ersten Wallfahrt nach Altenberg dabei. Bis Dienstag bleiben die Zigeuner, die der Gruppe der Sinti angehören, am Sonntag gibt es um 17 Uhr eine große Messe im Dom mit anschließender Prozession, die Wohnwagen werden von Pater Jozef Lancaric gesegnet.

„Wir wollen mit unseren Aktionen zeigen, dass wir ganz normale Menschen wie alle anderen auch sind“, sagt Lancaric. Die Kritik, die vor allem der deutsche „Zentralrat der Sinti und Roma“ an der Zigeunerseelsorge übt, kann er nicht nachvollziehen. „Der Zentralrat ist nicht von Zigeunern benannt worden, sondern von der Regierung, und er vertritt die Zigeuner auch nicht“, sagt der Pater.

Verwirrung über die Verwendung des Namens „Zigeuner“ begegnet Lancaric gelassen: „Der Begriff ist keineswegs beleidigend oder drückt Abscheu aus. Es ist vielmehr ein Behelfswort, mit dem man die vielen verschiedenen Stämme und Clans unter einen Hut bekommen will.“ Das sei allerdings kaum möglich: „Wir sind eine Nation ohne Namen.“

Das Ziel der Wallfahrt, sagt Janko Mettbach, ist es, die Tradition und Kultur dieser „Nation ohne Namen“ hochzuhalten. Bei den Festen mit Musik und Tänzen, beim Lagerfeuer seien nicht nur die Zigeuner eingeladen: „Wir wollen die Verständigung verbessern und auch Kontakt zu den „,Nicht-Zigeunern , den Gadji, suchen.“ Immer noch habe man mit vielen Vorurteilen über nicht sesshafte, arbeitsscheue Zigeuner zu kämpfen. „Aber es hat sich in den letzten Jahren schon viel verbessert. Die Leute sind neugierig, kommen auf uns zu und fragen.“

Walter Steinberger ist mit 76 Jahren der Älteste auf dem Platz und genießt dadurch großen Respekt. „Es ist wichtig, dass wir unser Wissen und unsere Werte an die junge Generation weitergeben“, sagt er, „sonst gibt es die Zigeuner nicht mehr lange.“

Solche Sorgen plagen Regina und Pralina nicht. Die Teenager freuen sich, dass sie sich nach langer Zeit in Altenberg wiedersehen, denn die eine kommt aus Köln, die andere aus Freiburg. „Außerdem sind wir froh, dass wir für diese Zeit nicht zur Schule müssen“, sagt Pralina. Jetzt wollen sie zusammen feiern und vor allem tanzen, ihr größtes Hobby. Eifrig verfolgt haben die beiden die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“, bei der Sarah Kern, ebenfalls Sinti, Zweite wurde: „Sie singt einfach super“, findet Regina, „toll, dass es eine von uns so weit gebracht hat.“