Köln – Tacheles? Ja. Rüpelhafter Ton? Nein. Florian Silbereisen bringt eine klare Agenda mit auf den Jury-Stuhl von „Deutschland sucht den Superstar” (DSDS), den er von Samstag an (22. Januar, 20.15 Uhr, RTL) besetzen wird. Er tritt die Nachfolge von Dieter Bohlen (67) an, der dem Format fast 20 Jahre lang seinen Stempel aufgedrückt hatte - berühmt für seine direkte Art, berüchtigt für seine spöttischen Sprüche („Der Gesang war wie so eine Fischvergiftung”). Letztere sind von Silbereisen nicht zu erwarten.
„Ich versuche, als Juror sehr streng zu sein”, sagt er der Deutschen Presse-Agentur zu seinem neuen Job. Und wenn ein Bewerber Schlager singe, sei er sogar noch ein bisschen strenger. „Gerade weil ich den Schlager liebe, bin ich der schärfste Kritiker!”
Zugleich lässt der 40-Jährige aber auch durchblicken, für welche Art Unterhaltung er eben nicht zur Verfügung steht. „Ich würde definitiv jeden Job in einer Show ablehnen, in der man nicht respektvoll mit Menschen umgeht”, sagt er. „Wenn der Ton in einer Sendung respektlos ist, dann darf man sich nicht wundern, wenn sich auch allgemein die Tonart im Umgang miteinander nach und nach ändert. Ich möchte nicht, dass ein Kind sich gegenüber seiner Mutter auf mich berufen kann: „Aber der Silbereisen hat das doch auch gesagt...””
Jobs und Engagements hat der Bayer mittlerweile zuhauf - in der ARD führt er durch Schlager-Shows, im ZDF steuert er als Kapitän das „Traumschiff”. Nun soll er auch den alten Casting-Kreuzer „Deutschland sucht den Superstar” von RTL zu neuen Ufern führen. Die Mission beginnt am Samstag - es ist die 19. Staffel des Formats. Mit Silbereisen soll auch ein neuer Geist einziehen. Mehr Herz.
RTL hatte im vergangenen Jahr angekündigt, das seit 2002 laufende Format generalüberholen zu wollen. Für Bohlen, der seit Beginn dabei war, war kein Platz mehr. Mit seinen Sprüchen („Vielleicht kannst du versuchen, mit der Stimme den Leuten die Beine zu enthaaren”) hatte der Musikproduzent mit den stets perlweißen Zähnen den Ton der Sendung gesetzt und den Erfolg gesichert - was ihm Bezeichnungen wie „Bundesabkanzler” einbrachte.
Der fast 30 Jahre jüngere Silbereisen beerbt ihn nun, nachdem er in der Vergangenheit schon mal als Kurzzeit-Juror ausgeholfen hatte. Ihm dürfte klar sein: Auch wenn mit der Singer-Songwriterin Ilse DeLange und dem Musikproduzenten Toby Gad zwei weitere Namen neu in der DSDS-Jury sind, werden sich alle Augen zunächst auf ihn richten. „Da setze ich mich freiwillig auf den „heißesten Stuhl”, den es derzeit im deutschen Fernsehen gibt”, sagt er.
DSDS - das in den vergangenen Jahren auch ein paar Schrammen durch den Eklat um den zeitweiligen Juror Michael Wendler („Egal”) davon getragen hat - auf einen neuen Kurs zu bringen, ist keine ganz leichte Aufgabe. „Ein bisschen Geduld und Zeit werden wir auf jeden Fall brauchen, um Schritt für Schritt neue Zuschauerinnen und Zuschauer vom neuen DSDS zu überzeugen”, sagt Silbereisen. Aber das Gewinnen von neuen Zielgruppen, das habe beim Schlager ja auch geklappt: durch neue Shows und „den konsequenten Aufbau neuer Stars” wie Helene Fischer oder Andreas Gabalier.
Und DSDS als Grund-Idee halte er immer noch für unschlagbar. Er fasst das Konzept so zusammen: „Die völlig unbekannte und schüchterne Zahnarzthelferin, die noch nie vor einer Fernsehkamera gestanden hat, kann in kurzer Zeit zum Star werden!” Auf „jeden Fall” wolle man einen neuen Superstar finden.
Vorerst ist allerdings davon auszugehen, dass der größte Star der Show nicht vor dem Jury-Pult singt, sondern dahinter sitzt. Wobei Silbereisen nicht ausschließen mag, dass er sich da tatsächlich selbst Konkurrenz heranzieht. Er hätte nichts dagegen, einen neuen Florian Silbereisen zu finden, sagt er. „Vielleicht finden wir beim neuen DSDS ja meinen Nachfolger!”
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