Düsseldorf – Der Bundestag hat der nordrhein-westfälischen Regierung aus Sicht von Umweltschützern einen „klaren Auftrag” erteilt, Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier zu erhalten. Die schwarz-grüne Landesregierung habe nun „sicherzustellen, dass RWE jetzt keine vorschnellen Fakten schafft und Lützerath im September vollständig zerstört”, forderte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am Freitag in Düsseldorf.
Am Vortag hatte der Bundestag gemeinsam mit einem Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken in der Energie-Krise auch einen Antrag der Ampel-Koalitionsfraktionen angenommen, in dem es unter anderem um das vom Abbaggern bedrohte Dorf geht. Der Beschluss unterstreicht die Verantwortung, „einen 1,5 Grad kompatiblen Kohleausstieg Deutschlands bis 2030 umzusetzen”.
Sollte es wegen der Ersatzkraftwerke zu einer schlechteren Klima-Bilanz kommen, sei das „an anderer Stelle aufzufangen, etwa durch die Vermeidung weiterer Abbauten von Braunkohletagebauflächen”. Die Bundesregierung habe dies im Zusammenhang mit Paragraf § 48 des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes zu überprüfen.
In dem Paragrafen geht es um die energiepolitische und energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II. „Der Deutsche Bundestag befürwortet zudem den Erhalt des Dorfes Lützerath am Tagebau Garzweiler und den Verzicht auf die Nutzung der Braunkohle unter dem Dorf”, heißt es weiter in dem Beschluss.
Der Bundestag erkenne damit an, dass ein 1,5 Grad kompatibler Kohleausstieg Deutschlands nur durch eine weitere Verkleinerung der Tagebaue möglich sei, wenn jetzt zur Bewältigung der Gaskrise alte Kohlekraftwerke zusätzlich aktiviert würden, interpretierte der Geschäftsleiter des BUND NRW, Dirk Jansen, den Beschluss. „Das bedeutet auch, dass die Kohle unter Lützerath nicht gefördert werden darf.”
Ähnlich äußerte sich das Anwohner-Bündnis „Alle Dörfer bleiben”. Die Landesregierung sei nun „vom Bundestag aufgefordert, in den angekündigten Gesprächen mit RWE den Erhalt von Lützerath durchzusetzen”, erklärte ein Sprecher. Damit der Konzern bis dahin keine vorzeitigen Fakten schaffe, müsse Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ein Moratorium erlassen.
In ihrem Koalitionsvertrag kündigen CDU und Grüne eine „zeitnahe neue Leitentscheidung” für das rheinische Revier an. Zwar sollen fünf Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts erhalten bleiben. Dazu zählt aber nicht Lützerath am Tagebau Garzweiler.
Diese Frage war auch in den fünf Jahren der schwarz-gelben Vorgängerregierung offen geblieben. Entgegen der nun im Antrag der Ampel im Bundestag vorgegebenen Marschroute hatte der FDP-Abgeordnete Dietmar Brockes Ende Juni noch im Düsseldorfer Landtag betont, die Kohle unter dem Dorf Lützerath werde gebraucht, wenn Kohlekraftwerke aus der Sicherheitsbereitschaft genommen würden.
„Die Ampel formuliert eine gute Absicht, die ich grundsätzlich teile”, kommentierte der energiepolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion am Freitag den Bundestagsbeschluss. „Die weiteren Schritte müssen sich allerdings nach den aktuellen energiewirtschaftlichen Notwendigkeiten richten. Da helfen keine Versprechungen, die möglicherweise später aus Gründen der Versorgungssicherheit nicht zu halten sind.” Bund und Land sollten sich alle Optionen offenhalten, Brockes. „Bundeswirtschaftsministerium und NRW-Landesregierung müssen jetzt für Klarheit sorgen, ob dafür die Kohle unter Lützerath gebraucht wird oder nicht.”
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