Dortmund – Ein neuer Kader, ein neuer Sportdirektor - und nun auch noch ein neuer Trainer. Ein umfassender Umbruch soll bei Borussia Dortmund die wachsende Unzufriedenheit vertreiben.
Nach einer Saison mit bedenklicher Entfremdung zwischen Team und Tribüne setzt der Revierclub offenbar auf Edin Terzic. Der Vorgänger und designierte Nachfolger von Marco Rose genießt bei den Fans hohes Ansehen und könnte zu einem wiederentdeckten Wir-Gefühl beitragen. Noch haben beide Seiten jedoch keine Einigung erzielt.
Während sich die Vereinsbosse seit der überraschenden Trennung von Rose bei der Frage nach einem Ersatz in Schweigen hüllen und „für die kommenden Tagen Gespräche über die Zusammensetzung des künftigen Trainerteams” ankündigten, gilt die Rückkehr von Terzic in der Öffentlichkeit bereits als ausgemachte Sache - und als naheliegender Schritt. „Er wird das Vertrauen der Verantwortlichen in den nächsten Monaten genießen, vielleicht auch in den nächsten Jahren. Er kennt den Verein in- und auswendig”, kommentierte der deutsche Rekordnationalspieler und Sky-Experte Lothar Matthäus.
Hoeneß: „Ich halte viel von ihm”
Ähnlich positiv äußerte sich Bayern Münchens Ehrenpräsident Uli Hoeneß zu den möglichen Plänen der BVB-Chefetage. Aus Sicht des 70-Jährigen wäre Terzic eine gute Wahl. Terzic habe „am Ende der letzten Saison bewiesen, dass er die Mannschaft gut führen kann”, sagte Hoeneß bei RTL/n-tv: „Ich halte viel von ihm.”
Zustimmung kam auch von Neven Subotic. „Ich kann diesem Wechsel nur zustimmen, in der Hoffnung, dass er jetzt länger als ein Jahr Zeit hat, um sich zu beweisen. Ansonsten werden wir die Bayern in den nächsten Jahren nicht angreifen können”, kommentierte der ehemalige BVB-Profi am Sonntag bei Sport 1. „Es muss ein Team wachsen. Dazu gehört ein Trainer, der das Vertrauen genießt.”
Zur Erleichterung der BVB-Bosse widerstand der 39 Jahre alte Terzic im vergangenen Sommer der Versuchung eines Vereinswechsels, als sich diverse Bundesliga-Konkurrenten um ihn bemühten. Dass er den wankenden Revierclub nach der Trennung von Lucien Favre als Interimslösung von Platz fünf noch in die Champions League und zudem zum Pokalsieg führte, hatte mächtig Eindruck hinterlassen.
Seine Ernennung zum Technischen Direktor galt vielen schon damals als Versuch der Borussia, einen Trainertrumpf für den Fall der Fälle in der Hinterhand zu halten. „Ich weiß nicht, ob dieser neue Job ihn voll zufrieden gestellt hat. Terzic braucht diesen Geruch des Grases, er braucht das Gefühl, in der Kabine zu stehen und seine Ansprachen zu halten”, urteilte Matthäus.
Große emotionale Verbundenheit
Nicht nur die große emotionale Verbundenheit mit dem Revierclub spricht für Terzic. Der gebürtige Mendener bedient mit seiner Fußball-Philosophie die Sehnsucht beim BVB nach der Rückkehr zum Spielstil der erfolgreichen Ära unter Trainerlegende Jürgen Klopp mit viel Herzblut und bedingungslosem Einsatz.
Nach übereinstimmenden Medienberichten nimmt das neue Trainerteam in Dortmund weiter Form an. So soll Terzic in Peter Hermann ein erfahrener Co-Trainer zur Seite gestellt werden. Der 70 Jahre alte Routinier erwarb sich vor allem in den Jahren 2011 bis 2013 als Assistent von Jupp Heynckes beim FC Bayern einen glänzenden Ruf. Zuletzt schaffte er als Assistent von Coach Mike Büskens (54) die Bundesliga-Rückkehr mit BVB-Erzrivale FC Schalke 04. Geht Hermann auf das Dortmunder Angebot ein, müsste der eigentliche Assistenzcoach der deutschen U20-Junioren erneut vom DFB freigestellt werden.
Auch im Falle einer schnellen Einigung mit Terzic bleibt für den neuen Sportdirektor Sebastian Kehl weiterhin viel zu tun. Denn der Umbau des Kaders ist mit den Verpflichtungen der drei Nationalspieler Niklas Süle (München), Nico Schlotterbeck (Freiburg) und Karim Adeyemi (Salzburg) noch nicht abgeschlossen. Nach Medienrichten steht der BVB vor einer Einigung mit dem Kölner Mittelfeldspieler Salih Özcan und Torhüter Alexander Meyer (Regensburg). Zudem soll der Vizemeister nach einem Mittelstürmer und einem Linksverteidiger suchen.
Dass Rose bei den Gesprächen mit den bereits verpflichteten Neuzugängen noch dabei war, dokumentiert, wie kurzfristig der Trainerwechsel zustande kam. „Ich hatte mit ihm gute Gespräche, aber sie werden eine gute Lösung finden. Mich hat die Vision Dortmund überzeugt”, kommentierte Schlotterbeck nach der unglücklichen Niederlage der Freiburger im Pokalfinale gegen Leipzig. Adeyemi äußerte sich bei Sky ähnlich diplomatisch: „Wenn Dortmund das so entschieden hat, kann man leider nichts machen. Ich glaube, ich hätte mich gut mit Marco Rose verstanden. Ich habe ihn sehr sympathisch gefunden, aber so ist die Fußballwelt.”
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