Frankfurt/Main – An der Torwand im ZDF-Sportstudio erwies sich Max Kruse ebenso treffsicher wie einige Stunden zuvor auf dem Rasen.
Vier von sechs Schüssen versenkte der Stürmer des VfL Wolfsburg, der seinen neuen Arbeitgeber beim 2:0 (1:0) gegen Eintracht Frankfurt mit einem verwandelten Foulelfmeter auf die Siegerstraße gebracht hatte. In Euphorie verfiel Kruse deshalb jedoch nicht. „Wir haben zwei Spiele gewonnen, das ist Gold wert. Aber wir haben noch viel Arbeit vor uns. Es sind nur fünf Plätze vor der Relegation”, sagte er.
Seit der 33-Jährige vor zwei Wochen bei den Niedersachsen anheuerte, geht es beim Volkswagen-Club sportlich aufwärts. Zwei Spiele, zwei Siege lautet die Bilanz. Zuvor hatte der VfL elfmal in Serie nicht gewinnen können. 27 Punkte und Platz zwölf lassen die „Wölfe” sogar wieder vorsichtig nach oben schielen. „Max schafft es, dass seine Mitspieler besser aussehen”, lobte Wolfsburgs Trainer Florian Kohfeldt den Winter-Neuzugang.
Kruse übernimmt Verantwortung
Die Investition von rund fünf Millionen Euro, für die Kruse vom 1. FC Union Berlin geholt wurde, hat sich augenscheinlich gelohnt. Denn der Routinier hat auch abseits des Rasens sofort eine Führungsrolle übernommen. „Er ist seit dem ersten Tag enorm wichtig. Er ist eine prägende Figur in der Kabine. Wir waren mit der Haltung nicht mehr zufrieden und wollten mit ihm neuen Wind reinbringen, das ist uns sehr gut gelungen”, sagte Kohfeldt. Und Nationalspieler Ridle Baku befand: „Seine Qualität bringt uns nach vorne. Er wird uns helfen, da rauszukommen.”
Dabei bot Kruse in Frankfurt keine überragende Partie. „Ihn in den Himmel zu loben, weil er einen Elfmeter verwandelt hat, wäre zu viel. Heute war das nix Großes”, sagte Kohfeldt. Und doch hatte der Stürmer mit seinem Führungstreffer entscheidenden Anteil am Erfolg. Mit seinem Tor aus elf Metern egalisierte er zugleich einen Ligarekord. Als erst zweiter Spieler in der Bundesliga-Geschichte traf Kruse für vier verschiedene Vereine vom Punkt - das war vor ihm nur Stefan Kuntz gelungen. „Er hat sich taktisch weiterentwickelt und ist für den VfL Wolfsburg ein sehr guter Transfer”, sagte Kohfeldt.
Bei den Niedersachsen hat Kruse noch eine Rechnung offen, lief es bei seinem ersten Engagement in der Saison 2015/16 doch nicht nach Wunsch. „Ich habe bei jedem Verein meinen Stempel hinterlassen. Nur in Wolfsburg war der eine oder andere Störfaktor drin. Da lief es privat und sportlich nicht optimal. Deshalb bin ich froh, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, auch in Wolfsburg erfolgreich zu sein”, sagte Kruse im Sportstudio.
Kruse: „Ich habe das Geschäft Fußball verstanden”
Die zum Teil heftigen Reaktionen, die sein Wechsel von einem Kult-Club zu einem Kommerz-Verein ausgelöst hat, lassen ihn kalt. Zumal er diese mit seiner ehrlichen Aussage, das Geld habe dabei eine Rolle gespielt, selbst befeuerte. „Ich wusste, dass da einiges auf mich zukommt. Aber das bin ich ja gewohnt”, sagte Kruse. „Natürlich ist es nie schön, so etwas über sich selbst zu lesen. Aber ich habe das Geschäft Fußball verstanden.”
Der Weggang von Union spätestens im Sommer habe für ihn ohnehin festgestanden. „Ich hatte eine sehr intensive und geile Zeit bei Union, keine Frage. Aber für mich lief das zweite Jahr nicht mehr so wie das erste. Ich war nicht mehr so zufrieden wie im ersten Jahr”, berichtete Kruse. Der Wechsel schon im Winter sei dennoch relativ spontan erfolgt: „Wenn Wolfsburg nicht so schlecht dagestanden hätte, wäre die Anfrage vermutlich nicht gekommen.”
© dpa-infocom, dpa:220213-99-105558/2 (dpa)