Helsinki – Die Reise ging in die falsche Richtung, doch bei aller Enttäuschung über das WM-Aus im Viertelfinale wähnt sich die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft zurück auf dem richtigen Weg.
Statt von Helsinki aus zum Halbfinale Richtung Norden nach Tampere aufzubrechen, verabschiedete sich das DEB-Team und verließ die Weltmeisterschaft in Finnland zumindest mit einem besseren Gefühl als die Olympischen Winterspiele in Peking. „Wir haben die richtige Antwort gegeben auf die Olympischen Spiele. Wir sind den Weg weitergegangen”, sagte Abwehrroutinier Korbinian Holzer mit Blick auf das verpasste Viertelfinale in China im Februar.
Holzer machte nach dem ernüchternden 1:4 gegen Tschechien nur fehlende Nuancen im Vergleich zu den Top-Nationen aus. Bundestrainer Toni Söderholm sah dabei mehrere Pfostenschüsse und unter anderem fehlende Millisekunden bei den Zweikämpfen als Ursache.
So spielen an diesem Samstag in der Vorschlussrunde bei den Partien zwischen Gastgeber Finnland und den USA (13.20 Uhr/Sport1) sowie Kanada und Tschechien (17.20 Uhr/Sport1) wieder einmal vier der üblichen Verdächtigen um die Medaillen. Nach den Halbfinals 2010 und vor einem Jahr geht das deutsche Warten auf die erste WM-Plakette seit 1953 weiter.
Krupp optimistisch
„Gerade was die Entwicklung unserer besten Talente angeht, ist die Perspektive der Nationalmannschaft gut”, sagte der frühere Bundestrainer Uwe Krupp der Deutschen Presse-Agentur. Der 56 Jahre alte Coach der Kölner Haie wies darauf hin, dass nun konzeptionelle Maßnahmen des Verbandes greifen würden und „die ersten Resultate zu sehen sind. Man kann es immer besser machen, aber im Großen und Ganzen sind wir gut aufgestellt.”
Vielleicht hilft im kommenden Jahr, wenn erneut in Tampere sowie in Lettlands Hauptstadt Riga gespielt wird, auch Ehrlichkeit wie von Söderholm. Forsch geäußerte Ambitionen wie auf Gold in Peking schienen sich für den sensationellen Olympia-Zweiten von 2018 eher kontraproduktiv auszuwirken. „Ohne Frage wollen wir erfolgreich spielen. Aber es ist unmöglich zu sagen, kommt das dieses Jahr, nächstes Jahr, übernächstes Jahr”, sagte Söderholm mit Blick auf eine WM-Medaille. „Wir müssen bei den Kleinigkeiten besser werden”, verlangte der Finne, dessen Zukunft nach Olympia noch offen war und mit der Vertragsverlängerung bis 2026 längst geklärt ist.
Keine Zweifel an einer erfolgreichen Zukunft hatte zuvor Andreas Niederberger geäußert. „Wir sind komplett auf dem richtigen Weg”, sagte der Vizepräsident des Deutschen Eishockey-Bunds. „Wir kommen immer näher. Der Tag wird kommen, wo der nächste Schritt auch gegangen werden kann”, versicherte der Ex-Nationalspieler mit Blick auf die zuletzt immer offener gehegten Medaillen-Ambitionen.
Etwas Erfahrung fehlt noch
Bei allen drei WM-Turnieren unter Söderholm hat es die deutsche Mannschaft in die K.o.-Phase geschafft. Nach dem sensationellen Halbfinal-Einzug im Vorjahr spielte das Team diesmal die beste Vorrunde seiner Geschichte, kassierte gegen die effizienten Tschechen dann aber drei Unterzahl-Gegentore. Krupp sah die bessere Tagesform als entscheidend ein.
Noch habe „die Erfahrung dann auch ein bisserl gefehlt”, erklärte Torwart Philipp Grubauer vom NHL-Team Seattle Kraken. „Wenn wir unsere Chancen nutzen, kann es gut sein, dass wir hier im Halbfinale stehen. Ich glaube, da fehlt nicht mehr viel”, befand Verteidiger Leon Gawanke. Der 22 Jahre alte Nordamerika-Profi gehört wie NHL-Jungstar Moritz Seider (21), Stürmer Lukas Reichel (20) oder der verletzt auch im Viertelfinale fehlende Torjäger Tim Stützle (20) zu den jungen Hoffnungsträgern.
Um sich unter den Top-Teams der Welt zu etablieren, braucht der einstige Abstiegskandidat Deutschland zudem mehr Torgefahr. In NHL-Star Leon Draisaitl und dem Olympia-Zweiten Dominik Kahun und Stützle fehlten wichtige Offensivkräfte. Nur wenn an einem guten Tag alles passt, kann der Weg ganz weit nach oben führen.
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