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Das Virus mag keine Seife

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RHEINBACH. Wissen hilft dabei, individuelle Gefahren selbst einschätzen zu können. Dieser Auffassung ist Edda Tobiasch, Virologin und Professorin für Gentechnik und Zellkultur an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Viele Anfragen, die sie in den letzten Tagen erreicht haben, hätten die Beunruhigung in der Bevölkerung deutlich gemacht, erläuterte die Wissenschaftlerin. Daher lud sie zu einer öffentlichen Vorlesung über die „Schweinegrippe“ nach Rheinbach ein. Vor allem Studierende der Hochschule füllten die Sitzreihen des Hörsaals 1, zudem nutzen auch paar Bürger die Möglichkeit zur Information. Christine und Heinz-Josef Jühlen waren aus Bornheim-Waldorf gekommen, aber nicht, weil sie sonderlich beunruhigt wären: Sie folgten dem Tipp ihrer Tochter, einer Biologie-Studentin am Rheinbacher Campus.

Auf allgemein verständlichem Niveau und in der ihr ungewohnten deutschen Sprache - normalerweise werden die Vorlesungen vor den Studierenden aus 25 Ländern in Englisch gehalten - stellte Tobiasch die Fakten rund um die „Schweinegrippe“ dar. Nach jüngsten WHO-Angaben vom Dienstag sind weltweit bislang 61 Menschen an den Folgen der Schweinegrippe gestorben, 5251 Menschen haben sich in 30 Ländern angesteckt. In Deutschland gibt es zwölf bestätigte Infektionsfälle.

Bisher wurde die Krankheit, so Tobiasch, erst in zwei Ländern vom Menschen übertragen. Das könne sich aber stündlich ändern, denn unser Reiseverhalten, die Möglichkeit des Grippe-Virus, sich schnell zu verändern, und die Inkubationszeit, in der der Infizierte den Virus schon weitergibt, aber noch keine Krankheitssymptome zeigt, tragen zur Verbreitung der Grippe bei.

Besonders wertvoll bei der Bekämpfung der drohenden Pandemie seien die Erkenntnisse, die aus der Vogelgrippe und der Infektionskrankheit „SARS“ gewonnen wurden. „Wir haben viel gelernt“, betonte die Virologin. Die Weltgesundheitsorganisation übergehe bei einer drohenden Pandemie mittlerweile auch Wünsche einzelner Regierungen und empfehle inzwischen, für 25 Prozent der Bevölkerung Grippemedikamente vorrätig zu halten - die seien im Ernstfall allerdings wohl dem Pflegepersonal und der Polizei vorbehalten, so Tobiasch.

Die Krankheit sei eine Zoolose, eine zufällige Übertragung von tierischen Viren auf den Menschen. Der Schweinegrippen-Erreger sei ein Influenza-Virus des Typs A und könne sich auch im Organismus von Pferden, Schweinen und Vögeln vermehren. Da seine Erbsubstanz aus RNA-Genomen besteht, kann er sich schnell verändern. Allerdings sei er von einer Zellmembran umhüllt und vertrage daher keine Seife. Die Krankheitssymptome - hohes Fieber, Husten, Schnupfen, Gliederschmerzen - entsprächen einer normalen Erkältung, allerdings träten sie etwa ein bis zwei Tagen nach der Infektion sehr plötzlich auf und gingen mit einer völligen Erschöpfung einher, erklärte die Dozentin. Beunruhigend seien diese Anzeichen jedoch im Moment nur für Menschen, die in Mexiko waren - oder wenn in Deutschland noch deutlich mehr Fälle aufträten.

Ein spezifischer Test, der von Instituten in Marburg, Bonn und Freiburg gemeinsam entwickelt wurde, kann die Krankheit innerhalb weniger Stunden nachweisen. Eine Impfung gebe es nicht. Es dauere etwa sechs Monate, um einen Impfstoff herzustellen. Wirksame Medikamente seien Neuraminidase-Hemmer wie „Tamiflu“ oder „Relenza“, diese seien aber nicht zur Prophylaxe geeignet, müssten frühzeitig nach der Infektion verabreicht werden und erleichtern dann nur den Krankheitsverlauf - „leider keine Wunderdroge“, so die Virologin.

Tobiasch: „In Europa haben wir die Krankheit im Moment recht gut im Griff. Durch SARS und Vogelgrippe sind wir vorbereitet. In armen Ländern kann das jedoch schnell anders aussehen.“ Ihr Tipp, falls die Zahl der Fälle steigen sollte: „Waschen Sie sich häufig die Hände, gründlich, auch Daumen und Fingerzwischenräume, fassen Sie sich möglichst nicht an Mund, Nase und Augen und meiden Sie Menschenansammlungen.“