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Inzidenz unter 50Warum die Corona-Zahlen in Münster derzeit so niedrig sind

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Coronavirus unter dem Mikroskop

 Eine elektronenmikroskopische Aufnahme des "U.S. National Institute of Health" zeigt das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2)

Der Bürgermeister will sich nicht zu sehr feiern lassen. Markus Lewe (CDU) und das Presseamt der Stadt Münster werden nicht müde zu betonen, dass die niedrigen Inzidenzwerte eine Momentaufnahme seien. Die Lage könne sich jederzeit wieder ändern. Dabei ist Münster etwas gelungen, was bisher in keinem anderen Kreis und keiner Großstadt in NRW klappt. Eine Sieben-Tage-Inzidenz unter 50, und das schon seit einer Woche. Am Dienstag liegt die Inzidenz mit 38,4 deutlich darunter. Was sind die Gründe dafür?

Es lägen eine Reihe von hilfreichen Faktoren vor, sagt André Karch. Er ist Leiter der Klinischen Epidemiologie an der Universität in Münster. „Die Bevölkerungsstruktur zeic hnet sich durch viele Ein- und Zwei-Personen-Haushalte aus“, sagt Karch. Kleinere Haushalte, weniger Kontakte, es ist eine einfache Rechnung. Dazu kommt die Arbeitsstruktur in der Universitätsstadt. „Sie ist überwiegend durch Büroarbeit gekennzeichnet“, sagt Karch – und die lässt sich eher ins Homeoffice verlagern. Günstig für die Eindämmung der Pandemie ist auch das Umland von Münster. „Die Lage der Stadt mit ihrem ländlichen Umfeld ist ideal, um die Zahl der Infektionen niedrig zu halten.“ Pendlerverkehr finde selten mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt, dazu sei er ohnehin durch Homeoffice-Regelungen relevant reduziert worden.

Vorreiter in Sachen Maskenpflicht

Die Stadt handelt aber auch schnell. Als erste Großstadt in NRW führte Münster im April die Maskenpflicht im öffentlichen Raum ein. Auch bei der Gründung eines Krisenstabs war die Stadt schneller als viele anderen. Eine Sprecherin der Stadt sagt, dass auch die Haltung der Münsteraner etwas mit dem Erfolg zu tun haben könne. Die Bürger seien diszipliniert und solidarisch, sagt sie. „Man sieht im Straßenbild nur sehr selten Menschen ohne Mund-Nasen-Schutz“, auf den Abstand achteten die Münsteraner ganz genau.

Epidemiologe Karch ist da zurückhaltender. Das schnelle Handeln der Stadt spiele „im Gesamtkontext nur eine untergeordnete Rolle“, sagt er. Ja, die Bevölkerung hätte die Maßnahmen gut angenommen und sie würden ohne größeren Probleme aufrecht erhalten. „Dies trifft allerdings auch auf viele anderen Städte und Regionen zu, die aktuell mit einer höheren Krankheitslast zu kämpfen haben“, sagt Karch. Man soll den Zufall nicht unterschätzen, stellt er klar. Gerade in kleinräumigen Bereichen mit niedrigen absoluten Zahlen breite sich die Infektion häufig unerwartet aus. „Einzelne größere Ausbrüche, zum Beispiel in Altenheimen oder Pflegeheimen, können enorme Effekte auf die Sieben-Tage-Inzidenz haben. “

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Münster hat also demografisch und geografisch gute Voraussetzungen zur Bekämpfung der Pandemie, womöglich sogar gesellschaftlich. Eine Lockerung der Maßnahmen kommt für die Stadt dennoch nicht in Frage – auch wenn die Coronaschutzverordnung des Landes das zulässt. Bleibt ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt an sieben aufeinanderfolgenden Tagen unter der Inzidenzgrenze von 50, können die Schutzmaßnahmen in Absprache mit dem Gesundheitsministerium gelockert werden. „Das ist aktuell nicht geplant“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Man wolle auf die niedrigen Zahlen nicht mit einem Nachlassen der Anstrengungen reagieren oder „vorzeitig fahrlässige Lockerungen in Aussicht stellen“. Es gebe dafür keinerlei Anlass, insbesondere im Hinblick auf die Corona-Mutationen.„Hochmut kommt vor dem Fall“, sagte Bürgermeister Lewe jüngst in einem Interview. Der Spitzenreiter will seinen Erfolg nicht aufs Spiel setzen.Warum die Corona-Zahlen in Münster derzeit so niedrig sind