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Interview mit Kölner Diplom-Psychologin„Viele Eltern sind aktuell in großer Sorge“

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Dr. Monja Thiebach, Diplom-Psychologin beim Schulpsychologischen Dienst der Stadt Köln

  1. Distanzunterricht, Home-Schooling und fehlende Kontakte machen Familien zu schaffen.
  2. Mit Diplom-Psychologin Dr. Monja Thiebach vom Schulpsychologischen Dienst der Stadt spricht Martina Windrath über Sorgen und über Möglichkeiten, Probleme in Corona-Krisenzeiten besser zu bewältigen.

Viele sind im Stress und fühlen sich unter großem Druck. Mit welchen Fragen wenden sich Ratsuchende an Sie?Thiebach: Wegen der Schulschließungen und weggebrochener persönlicher Kontakte sind die Herausforderungen für Familien seit dem ersten Lockdown im März 2020 besonders groß. Auch Lehrkräfte sind stark gefordert. Durch das Distanzlernen betreuen viele Eltern ihre Kinder zuhause, oft zusätzlich zu ihrem Job. Da kommt es zu Konflikten, auch wenn Eltern in eine Sonderrolle als Lehrer geraten, in die sie aber nicht rutschen sollten.Eltern als Lehrer, das sorgt oft für Krach zuhause.Eltern sind ja keine ausgebildeten Lehrkräfte, der didaktische Hintergrund fehlt oft. Sie sollten besser eine Art Lernbegleiter sein un d ihre Kinder darin unterstützen, eigenverantwortlich ihre Aufgaben zu bearbeiten. Wenn die Kinder merken, ,ich kann das’, stärkt das ihr Selbstwertgefühl mehr als wenn Eltern ihre Aufgaben machen.Und wenn das nicht klappt?Wenn sie merken, dass es zu viel für die Kinder ist, zu schwer oder umgekehrt zu leicht, sollten sie mit den Lehrern darüber sprechen. Sie können sich immer auch an uns wenden. Viele Anfragen haben wir in den letzten Monaten, weil sich Eltern um den Schulerfolg ihrer Kinder Sorgen machen. Eine Mutter rief verzweifelt an, weil ihr Tochter sich komplett verweigerte, die Aufgaben im Homeschooling zu machen. Das Kind sagte nur noch: Ich mach das nicht, ich will das nicht.Und was kann man machen?Lernverweigerung hat stark zugenommen. Wir raten zu schauen, woher die Verweigerung kommt, ob das Kind überfordert ist oder keine Lust hat, weil es etwa Freunde und das Zuhause als Ort des Spielens und der Freizeit vermisst. In dem Fall lag es daran, dass das Kind einen Berg an Arbeit vor sich sah, ohne Struktur. Wir haben gemeinsam eine Art Wochen-Stundenplan geschrieben, mit Phasen des Lernens und lernfreier Zeit, wo etwas Schönes gemacht wird. Eltern können Struktur in den Tag bringen und auch darauf achten, dass genug Pausen gemacht werden, Bewegungsspiele zwischendurch etwa. Ein fester Arbeitsplatz wäre gut, pünktliches Aufstehen und sich Anziehen als würde man zur Schule gehen - nicht im Schlafanzug bleiben!Fühlen sich viele überfordert?Dafür haben wir viele Beispiele. Wir überlegen dann mit den Familien, wie sie es besser koordinieren können und welche Entlastungsmöglichkeiten es gibt. Einigen nehmen wir auch ein schlechtes Gewissen, Hilfen wie die Notbetreuung in Anspruch zu nehmen. Familien haben sich auch öfter an uns gewandt, weil sich im Präsenzunterricht nach dem Lockdown große Wissenslücken ihrer Kinder aufgetan haben. Gut ist es, frühzeitig Beratungsangebote zu nutzen.Und worüber klagen Schülerinnen und Schüler?Über Ängste, sich anzustecken, Ängste auch in Bezug auf die Leistungen und Noten wenn sie merken, dass es Zuhause mit dem Lernen nicht gut klappt. Sie leiden darunter, dass sie so lange Mitschülerinnen und Mitschüler, Freunde und Lehrkräfte nicht gesehen haben. Umso wichtiger ist es, etwa in Videokonferenzen auch in der Freizeit Kontakt zu halten. Man muss aufpassen, dass Kinder aus Familien, die nicht so gut Unterstützung leisten können, abgehängt werden. Über das Jahr hinweg sind die psychischen Belastungen größer geworden. Achten sollte man auf Anzeichen von Verhaltensänderungen der Kinder, wie Klagen über Bauch- und Kopfweh oder depressive Verstimmungen.Über schlechte Noten haben wir noch nicht gesprochen...Die Sorgen sind da durch veränderte Lernbedingungen, aber die Lehrer wissen auch um die Herausforderungen. Alle sind in einer Ausnahmesituation, da sollte keinem ein Schaden entstehen. Und wenn es schlechte Zensuren gibt: Auf keinen Fall mit Druck und Vorwürfen reagieren, sondern dem Kind Botschaften senden, dass man es liebt und toll findet, unabhängig von den Leistungen. Man kann schauen, was gut geklappt hat – und was helfen kann, damit es in anderen Bereichen besser klappt. Also: Positiv nach vorne schauen!

Telefon-Hotline

Der Schulpsychologische Dienst der Stadt Köln bietet zum Halbjahresende Telefonsprechstunden an, die interessierte Ratsuchende - von Schülerinnen und Schülern bis zu Eltern und Lehrkräften – nutzen können: Die Hotline ist erreichbar am 28. und 29. Januar sowie 1. Februar 2021 jeweils in der Zeit von 9 bis 17 Uhr unter den Rufnummern 0221-29001 und 221-29002. In vertraulichen Beratungsgesprächen kann über schulische Sorgen und mögliche Schwierigkeiten gesprochen werden, erläutert Diplom-Psychologin Dr. Monja Thiebach. Die Experten des Schulpsychologischen Dienstes sind darüber hinaus das ganze Jahr über unter den Nummern zu den üblichen Dienstzeiten zu erreichen.Die Bezirksregierung Köln bietet eine Zeugnistelefon-Beratung an zu überwiegend rechtlichen Fragen rund um Notengebung, Versetzung und Fragen zur weiteren Schullaufbahn. Sie ist erreichbar unter der Rufnummer 0221/147-2000 am 28. und 29. Januar sowie am 1. und 2. Februar zwischen 10 und 12 sowie 13 und 15 Uhr. Die Gespräche werden vertraulich behandelt. (MW)