RHEINBACH. Der Rheinbacher Bürgermeister-Wahlkampf des Jahres 1999 hat ein spätes Nachspiel: Die CDU Rhein-Sieg schließt den ehemaligen Stadtdirektor Gerhard Martini aus der Partei aus. Das hat das Kreisparteigericht am 24. Januar entschieden.
Die Kreis-CDU wirft dem damaligen Verwaltungschef im Rheinbacher Rathaus und Bürgermeister-Kandidaten vor, der Partei mit seinem Verhalten schweren Schaden zugefügt zu haben. Kreisvorsitzender Andreas Krautscheid sprach gestern gegenüber der Bonner Rundschau von einem Präzedenzfall. Martini selbst will die Entscheidung nicht hinnehmen und das Landesparteigericht einschalten.
In Rheinbach hatte es 1998 / 1999 vor der ersten Direktwahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters einen Wahlkampf gegeben, der manchmal als Groteske, manchmal aber auch als Schlammschlacht erschien. Ein Hauptbeteiligter war damals Stadtdirektor Gerhard Martini, der bei der CDU-Kandidatenkür seinem Ersten Beigeordneten Stefan Raetz unterlegen war und dann als unabhängiger Kandidat ins Rennen ging. Heute ist Stefan Raetz Rheinbachs Bürgermeister, Gerhard Martini ist als Rechtsanwalt in der Stadt tätig.
Gestern nun verschickte die CDU Rhein-Sieg eine Pressemitteilung. Titel: Martini wird aus der CDU ausgeschlossen. Das Kreisparteigericht habe den Rauswurf nach ausführlichen Beratungen beschlossen. Die Partei selbst begrüße dieses Ergebnis, da Martinis Verhalten im Bürgermeister-Wahlkampf parteischädigend gewesen sei.
Dass der damalige Stadtdirektor trotz der Niederlage bei der internen Kandidaten-Aufstellung als Bürgermeister-Bewerber angetreten war, sei eine Missachtung des Beschlusses der Mitgliederversammlung. Laut Parteigericht (siehe auch Stichwort) sei dies mit den politischen Grundsätzen der CDU unvereinbar. Nach Angaben des Kreisverbandes hat das Parteigericht ausdrücklich festgehalten, dass eine erfolgreiche Parteiarbeit nur möglich ist, wenn sich Mitglieder an demokratische Mehrheitsbeschlüsse halten.
Auf Anfrage betonte Parteivorsitzender Andreas Krautscheid, die CDU habe ein Signal setzen wollen. Natürlich sei es Martinis gutes Recht gewesen, fürs Bürgermeister-Amt zu kandidieren. Er habe das aber demonstrativ als CDU-Mann getan und damit auch die CDU in Rheinbach stark verunsichert. Krautscheid: Wir wollten Klarheit schaffen.
Die heutige CDU-Stadtverbandsvorsitzende in Rheinbach, Heike Sonnak-Rohr, wollte das Thema gestern auf Anfrage zunächst am liebsten gar nicht kommentieren. Denn nach der damaligen Aufregung sei in Rheinbach wieder Ruhe eingekehrt. Der Vorstoß für einen Parteiausschluss war allerdings seinerzeit von den CDU-Mitgliedern gekommen.
Bürgermeister Stefan Raetz erklärte auf Anfrage, dass er keinesfalls Genugtung verspüre. Gott sei Dank sei Rheinbach wieder in ruhigem Fahrwasser. Der Ausschluss aus der Partei sei zwar konsequent, das Verfahren hätte aber nach seiner Einschätzung schneller über die Bühne gehen müssen.
Gerhard Martini selbst reagierte zunächst gelassen. Das ist mir so egal wie wenn in China ein Sack Reis umfällt. Er wolle die Entscheidung aber vom Landesparteigericht überprüfen lassen. Der CDU warf er mit Blick auf eine seinerzeit verlangte Ehrenerklärung gestern erneut Erpressung vor. Sie habe ihm auch im Zuge des Ausschluss-Verfahrens sein gesetzliches Recht auf eine Kandidatur nehmen wollen, so Martini, der zugleich nicht ausschloss, bei der nächsten Kommunalwahl erneut anzutreten. Er werde ständig animiert, sagte der Jurist, und: Ich bin immer für eine Überraschung gut.
Am 29. Oktober 1998 hatten die Rheinbacher CDU-Mitglieder Stefan Raetz zu ihrem Bürgermeister-Kandiaten gekürt. Der damalige Erste Beigeordnete erhielt 111 Stimmen, sein Mitbewerber und Chef im Rathaus, Gerhard Martini, bekam 75 Stimmen. Als nach einem Urlaub des Beigeordneten das gemeinsame Vorzimmer aufgelöst und Schlösser ausgetauscht worden waren, begann eine schlagzeilenträchtige Phase. So gab es etliche Befragungen im Rat, Knatsch wegen einer Pressekonferenz des damaligen Oberkreisdirektors Frithjof Kühn (mit Raetz, aber ohne Martini), die Androhung einer Rüge gegen Martini, die Aufforderung, er solle die Partei verlassen oder werde rausgeworfen, aber auch Streit um Wahlplakate oder gar gerichtliche Auseinandersetzungen.
Nachdem es zunächst viele Gerüchte gegeben hatte, erklärte Martini im Mai 1999 offiziell seine Kandidatur fürs Bürgermeister-Amt als unabhängiger Kandidat. Im ersten Wahlgang am 12. September 1999 holte Raetz 40,6 Prozent der Stimmen, Martini 28,3 Prozent. Bei der Stichwahl am 26. September 1999 bekam Stefan Raetz mit 55,63 Prozent genau 1142 Stimmen mehr als Gerhard Martini (44,37 Prozent).