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Bittersüß und brüllend komisch: „After Life”

Lesezeit 3 Minuten

Berlin – Der Zeitungsreporter Tony (Ricky Gervais) will nicht mehr leben. Seit seine über alles geliebte Frau Lisa an Brustkrebs starb, denkt er jeden Tag darüber nach, wie er sich töten könnte.

Er kauft für seinen Hund immer nur eine Büchse Futter, denn weiter will er nicht planen. Gegenüber seinen Kollegen bei einem Anzeigenblatt in einem englischen Küstenort tritt der Witwer wie ein Kotzbrocken auf. Der schlagfertige Zyniker trägt dabei seine Suizidpläne in jedem Gespräch rhetorisch glanzvoll vor sich her, während er die hilflosen Versuche aus seinem Umfeld, ihn zu trösten, in der Luft zerreißt. Doch schließlich findet er Schritt für Schritt ins Leben zurück.

Drei Staffeln

Die britische Serie „After Life” packt das schwierige Thema Tod und Trauer mit so viel Leichtigkeit, klugem Humor und menschlicher Tiefe an, dass man oft laut auflachen muss. Drei Staffeln sind bei Netflix von 2019 bis 2022 erschienen, eine vierte wird es leider nicht geben.

Kopf des Ganzen ist der Hauptdarsteller, Drehbuchschreiber und Regisseur Ricky Gervais. Der Brite schrieb vor 20 Jahren mit der preisgekrönten BBC-Serie „The Office” Fernsehgeschichte. „The Office”, eine stilprägende Comedy, die wie eine Langzeitreportage über ein ganz normales Büro daherkommt, wurde mit den Jahren diverse Male kopiert. Unter anderem inspirierte sie die ProSieben-Serie „Stromberg”.

Typisch britischer Humor

Dieser lakonische, sehr britische Humor verleiht auch „After Life” den Charme. Denn Ricky Gervais hat bis in die kleinsten Nebenrollen den Figuren zutiefst menschliche und oft saukomische Charaktere verpasst. Den Höhepunkt bilden stets die Interviews, zu denen Tony mit seinem stiernackigen Fotokollegen Lenny (Tony Way) ausrückt. Denn der winzige Küstenort ist Schauplatz unzähliger bizarrer Reportagen. Vom Wunderkind, das durch seine Nase Flöte spielen kann, bis hin zur 100-Jährigen, die beim Geburtstag flucht, dass man rote Ohren kriegt.

Einmal besuchen Tony und Lenny eine 150-Kilo-Frau an ihrem Krankenbett. Sie will mit der Schlagzeile „Mein Fett hat mir das Leben gerettet” in das Lokalblättchen. Sie sei bei einem Unfall einen Abhang herabgerutscht und von einem Metallstab im Unrat aufgespießt worden, jedoch nur an der Seite. „Es durchbohrte mich. Es ragte hinten raus. Überall war Blut. Es ist ein Wunder, dass ich noch am Leben bin. Der Doktor hat gesagt: Weil ich so mächtig bin, hat es die lebenswichtigen Organe verfehlt. Man kann also sagen: "Mein Fett hat mir das Leben gerettet".” Tony blickt sie nur ausdruckslos an: "Nicht so ganz. Wären Sie dünn, hätte die Stange Sie verfehlt, oder nicht? Sie hätten neben einer Stange gelegen. Das wäre doch kein Problem gewesen." Die Frau seufzt. Die Story mit Foto bekommt sie trotzdem.

© dpa-infocom, dpa:220616-99-690259/2 (dpa)