AboAbonnieren

Interview

Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner
„Große Koalition hat die Energiewende ausgebremst“

Lesezeit 4 Minuten
Rechte Hand des Wirtschaftsministers: Franziska Brantner.

Rechte Hand des Wirtschaftsministers: Franziska Brantner.

Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner verteidigt im Rundschau-Interview Minister Habeck gegen Generalkritik.

Viele Bürger und Unternehmen sind sauer auf die Grünen. Eine Generalkritik an grüner Politik weist die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner, im Interview mit Thomas Ludwig gleichwohl zurück.

Frau Brantner, die Grünen tragen seit zweieinhalb Jahren Verantwortung für das Bundeswirtschaftsministerium. Verbandsvertreter sprechen von „verlorenen Jahren für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Können Sie das nachvollziehen?

Die Generalkritik lasse ich so nicht stehen. Man muss ja sehen, von wo wir gestartet sind. Beispiel Digitalisierung im Energienetz, da gab es einen Durchdringungsgrad bei Smartmetern von ein Prozent in Deutschland, bei den Skandinaviern lag er bei über 90 Prozent. Wir haben den Smartmeter-Rollout entbürokratisiert und erleichtert. Ist das jetzt schon überall angekommen? Nein. Wird das noch etwas dauern? Ja. Aber der richtige Weg ist eingeschlagen. Das Gleiche gilt mit Blick auf eine erleichterte Einwanderung von Fachkräften und die Energiewende. Hier sind wir gut vorangekommen: Mittlerweile stammt weit über die Hälfte unseres Stroms aus erneuerbaren Energien, und das geht mit einer hohen Versorgungssicherheit einher. Die Unternehmen sind mitten im Transformationsprozess. Und es gibt rund um die Energiewende viele neue Unternehmensgründungen und eine neue Start-up-Kultur – besonders in Baden-Württemberg. Zudem kommen Unternehmen einfacher an Exporthilfen, weil wir die Vorgaben um ein Viertel entschlackt haben.

Berlin: Franziska Brantner (Grüne) spricht im Bundestag.

Berlin: Franziska Brantner (Grüne) spricht im Bundestag.

Das klang wie ein Werbeblock ...

Ich würde längst nicht behaupten, wir hätten alle Hausaufgaben erledigt. Ich könnte aber noch viel mehr von dem aufzählen, was wir unter dem öffentlichen Radar auf den Weg gebracht haben und seine Wirkung erst noch entfalten wird.

Warum ist Robert Habeck dann bei vielen Bürgern so unbeliebt?

Robert Habeck ist ein Reformer. Er traut sich, dringend notwendige Änderungen anzugehen. Er streitet für die dringend notwendige Modernisierung unserer Energieversorgung und unseres Wirtschaftsstandortes – und das unter schwierigen internationalen Bedingungen. Wir müssen gleichzeitig rohstoff-unabhängiger, klimafreundlicher und wirtschaftlich robuster werden. Das ist nach 16 Jahren, in denen die Große Koalition aus Bequemlichkeit eher den Status Quo verwaltet, die Energiewende ausgebremst und Deutschland in die Abhängigkeit von russischem Gas geführt hat, nichts, was unbemerkt bleibt. Er nimmt auch die Klimaziele, die die Große Koalition festgeschrieben hat, wirklich ernst. Er kümmert sich um die Bürokratienöte der Unternehmen, die Fachkräftesicherung – und das, wie gesagt, alles in unsicheren Zeiten. Bei den Beliebtheitswerten liegt er übrigens im guten Mittelfeld.

Die gesellschaftliche Akzeptanz für eine engagierte Klimaschutzpolitik schmilzt. Hat die grüne Politik zu sehr auf dirigistische Maßnahmen gesetzt?

Wir haben die Aufgabe, Klimaschutz so auszugestalten, dass jeder daran teilhaben und mitgehen kann. Wenn das Geld knapper wird, ist das schwierig. Beim Heizungsgesetz haben wir Kritik ernst genommen, den Zeitdruck etwas rausgenommen und eine sehr gute Förderung aufgesetzt, die auch sozial gestaffelt ist. Klimapolitik muss einen Mehrwert für das Leben der Bürgerinnen und Bürger bringen. Aber wir haben auch die Aufgabe, mittel- und langfristig zu denken.

Ist die grüne Politik der vergangenen Jahre für den Aufstieg der AfD mitverantwortlich?

Die Frage muss sich jede einzelne demokratische Partei stellen. Ich glaube, dass die allzu öffentlich ausgetragenen Konflikte der Ampel-Koalition ihren Teil dazu beigetragen haben, dass sich Menschen abgewendet haben; und wir sind Teil der Koalition. Wir sollten künftig vielleicht weniger über die AfD reden, stattdessen unsere eigene Politik besser erklären.

In der Gunst der Wähler sinkt Ihre Partei massiv, das Ergebnis für die Grünen bei der Europawahl war niederschmetternd. Bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland im Herbst droht laut Umfragen ein ähnlicher Absturz. Verlangen die Grünen mit ihren langfristigen Visionen den Menschen zu viel ab?

Ich kann nachvollziehen, dass Menschen sich angesichts der komplexen Herausforderungen nach einfachen Antworten sehnen. Nur führen die nirgendwo hin. Deshalb gehöre ich nicht zu denjenigen, die sagen, es könne alles so bleiben, wie es ist. Das wäre unverantwortlich. Aufgabe von Politik ist es, sich mit unangenehmen Botschaften auseinanderzusetzen und zu garantieren, dass alle den Wandel sicher und fair mitgehen können. Wenn man bei einer Wahl schlechter abgeschnitten hat als erhofft, muss man sich kritisch prüfen, woran es lag. Für mich bedeutet das, dass wir als Grüne dem Sicherheitsbedürfnis in diesen unsicheren Zeiten stärker nachkommen.