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Rundschau-Debatte des TagesWie die Parteien die Wählergruppe der Rentner umwerben

Lesezeit 5 Minuten
Rentner dpa

Eine wichtige Wählergruppe: Die Rentner in Deutschland.

Sollen die Jungen den Alten eine möglichst hohe Rente finanzieren? Es ist eine zentrale Frage, die in den Rentenplänen zur Bundestagswahl jedoch ziemlich kurz kommt. Stattdessen setzen sie auf teure Versprechen für die Rentner.

Mit der Forderung nach einer höheren Mütterrente hat Markus Söder gerade auf sich aufmerksam gemacht. „Wer dagegen ist, der zeigt nur, dass er kein Herz hat. Wir haben ein Herz“, sagte er. Der CSU-Chef will, dass Elternteile, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, ebenfalls drei Jahre Erziehungszeit angerechnet bekommen und so ihre Rente aufbessern können. Mehrere Milliarden Euro würde das laut Rentenversicherung kosten.

Wirkliches Kontra gab es von der CDU dazu nicht, obwohl diese Forderung gar nicht im gemeinsamen Wahlprogramm steht. Denn wo sollen die zusätzlichen Milliarden herkommen? Die eigene Nachwuchsorganisation dürfte nach Söders Logik zumindest „kein Herz“ haben. Auf Anfrage heißt es von der Jungen Union: „Der Ausbau der Mütterrente belastet die junge Generation zusätzlich.“

Die Meinungsverschiedenheit bei der Mütterrente steht stellvertretend für Grundproblem, das die Parteien lösen müssen: Wie können die Senioren auch dann eine anständige Rente bekommen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge sich aus dem Arbeitsleben verabschieden – ohne die nachfolgende Generation durch höhere Rentenbeiträge zu belasten?

Milliarden-Zuschüsse für das System

Die scheidende Ampel-Regierung wollte das Rentenniveau auf mindestens 48 Prozent dauerhaft festschreiben. Es beschriebt im Kern, dass die Rentner finanziell nicht abgehängt werden, wenn die Durchschnittslöhne steigen, sondern ebenfalls entsprechende Steigerungen erhalten. Aktuell liegt das Niveau sogar leicht darüber, doch das würde sich in den kommenden Jahren ändern.

Die Pläne wurden von der Ampel vor dem Koalitionsbruch nicht mehr umgesetzt, aus den Entwürfen geht aber hervor, dass für diese Rentenniveau-Sicherung ab 2028 die Rentenbeiträge von derzeit 18,6 Prozent erst auf 20 Prozent und dann weiter auf mehr als 22 Prozent bis 2045 steigen würden. Auch die Steuerzuschüsse, die schon jetzt jährlich jedes Bundeswehrsondervermögen übersteigen, dürften kaum weniger werden. Milliarden vom Steuerzahler, Milliarden aus der Rentenkasse. Erwirtschaftet durch immer weniger Erwerbstätige.

Union will „Aktiv- und Frühstartrente“

Die SPD hat die Sicherung des Rentenniveaus prominent in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Und die Union? Die wirbt mit einer „Aktivrente“, also einem steuerfreien Zuverdienst für Rentner bis 2000 Euro im Monat und mit einer „Frühstartrente“: Knapp 1500 Euro sollen für jedes Kind nach und nach für den Ruhestand angelegt werden. Woher das Geld stammen soll, sagt die Union bislang nicht.

Das größere Problem dürfte aber sein: Das Geldgeschenk kann sich frühestens 2070 auszahlen, wenn die heutigen Kinder am Ende ihres Arbeitslebens stehen. Doch die Rente wird bereits ab 2030 mit dem Ende des Arbeitslebens der „Boomer-Jahrgänge“ strukturelle Probleme bekommen, weil zu viele Beitragszahler auf einmal sich in den Ruhestand verabschieden.

Nicht ohne Grund schrieb die CDU selbst noch in ihr Grundsatzprogramm Ideen wie eine mögliche Anhebung des Renteneintrittsalters hinein. Im Wahlprogramm ist davon allerdings nichts mehr zu finden. Die Abschaffung der „Rente mit 63“, von der im Grundsatzprogramm noch die Rede war, wird im Wahlprogramm nun gar explizit ausgeschlossen.

Rücksicht auf große Wählergruppe

„Niemand traut sich, die notwendigen Reformen bei der Rente anzugehen“, sagt Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in Dresden. Er hat sich die Rentenpläne der Parteien genau angeschaut, vermisst überall klare Reformideen. Aus seiner Sicht könne es nur darauf hinauslaufen, die Belastung der alternden Gesellschaft zwischen Erwerbstätigen und Rentnern aufzuteilen. Doch genau das wolle keine Partei, oder habe kein wirkliches Konzept. „Selbst die FDP-Vorstellung zum vermehrten Aktienfonds-Sparen sind naiv, denn so viel Geld wie nötig kann man bis 2030 nicht mehr aufbringen“, stellt Ragnitz fest.

Eine mögliche Ursache für das Zaudern der Parteien liegt auf der Hand. Rentner und rentennahe Jahrgänge stellen weit mehr als ein Drittel aller Wähler. Da verspreche man natürlich gerne Wohltaten für die „Alten“ und lasse die „Jungen“ außen vor, meint der Wirtschaftsforscher. Keine Partei kann es sich mit der Wählergruppe verscherzen wollen. Mehr als einmal stichelte SPD-Kanzler Olaf Scholz in Richtung der Union, dass sie in Wirklichkeit eine faktische Rentenkürzung wolle, wenn sie das Rentenniveau nicht garantiert.

Tatsächlich bleibt die Union diesbezüglich äußerst schwammig, wirbt für ein „garantiert stabiles Rentenniveau“. Was das genau heißt, konnten weder die Partei noch der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Fraktion, Stephan Stracke, auf unsere Anfrage beantworten. Mit Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung will die Partei das schaffen. „Ich finde das zwar nicht überzeugend, aber hier gibt es zumindest das Ziel der Beitragsstabilisierung“, kommentiert Wirtschaftsforscher Ragnitz.

Weitere Pläne von links bis rechts

Und die anderen Parteien? Die AfD will, dass Rentner 70 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens erhalten, sagt in ihrem Programm aber ebenfalls nicht, wie das funktionieren soll. Zumindest Politiker sollen nach Ansicht der aktuell in Umfragen zweitstärksten Partei künftig ebenfalls in die Versicherung zahlen. Die FDP setzt vor allem auf Aktien und einen staatlichen, unabhängigen Fonds, in den ein kleiner Teil der Rentenbeiträge fließen soll.

Die Linkspartei will das Rentenalter sogar heruntersetzen, eine Mindestrente und wie die Grünen vor allem die Reichen stärker besteuern. Das Bündnis Sahra Wagenknecht will eine Mindestrente von 1500 Euro nach 40 Beitragsjahren und ein Rentensystem, in das auch Beamte und Politiker einzahlen. So wie etwa in Österreich.

Und was sagt der Nachwuchs dazu?

„Arm gegen Reich“ statt „Alt gegen Jung“? Die Jugendorganisationen von SPD und Grünen gehen da voll mit. „Die Probleme unserer Altersvorsorge lassen sich aber nicht lösen, indem wir uns gegen Oma und Opa ausspielen lassen. Rentenpolitik ist kein Generations-, sondern ein Verteilungskonflikt. Geld ist genug da, es ist nur ungerecht verteilt“, sagt der Co-Sprecher der Grünen Jugend, Jakob Blasel.

Sinngleich klingt die Aussage vom Juso-Vorsitzenden Philipp Türmer: „Die eigentliche Konfliktlinie verläuft nicht zwischen Jung und Alt, sondern zwischen Arm und Reich.“ Der Unterschied: Blasel setzt voll auf die Ideen des eigenen Kanzlerkandidaten Robert Habeck, wirft Union und SPD vor, „Rentenpolitik auf unseren Nacken“ zu machen.

Die Jusos fordern bereits seit Monaten, dass künftig auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige in die Rentenversicherung zahlen, ohne dass sich das im SPD-Programm wieder findet. Gepaart mit Wirtschaftswachstum und einem höheren Mindestlohn würde die gesetzliche Rente so wieder verlässlicher sein „als jeder ETF-Fonds“, wie Türmer sagt. Gerade die Umstellung auf einen gemeinsamen Rententopf für alle dürfte aber Jahrzehnte dauern.

Die Rente dürfte bis zur Wahl eines der Hauptthemen der Parteien bleiben. Die Kombination, Generationen nicht gegeneinander auszuspielen, Altersarmut zu bekämpfen sowie die Rente zukunftsfest machen zu müssen, macht das Thema besonders knifflig. Nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Idee auf den Markt geworfen werfen. Nur das Wort „Rentenkürzung“ wird aller Wahrscheinlichkeit nicht dabei sein.