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Jahrestag des Élysée-VertragsDeutschland und Frankreich – ziemlich komplizierte Freunde

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r) und Emmanuel Macron

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r) und Emmanuel Macron im Januar 2023

Frankreich sieht Deutschland oft als Vorbild, obwohl es vergleichsweise bessere Wirtschaftszahlen hat. Dennoch ist die Beziehung kompliziert.

Es war eine ganz grundsätzliche Frage, die ein zugeschalteter Hörer beim Radiosender France Info aufwarf: Warum nur, wollte er wissen, stellen französische Politiker Deutschland so oft als Vorbild dar? Die Frage ist berechtigt, denn der Nachbar rechts des Rheins wird in Frankreich oft wie ein unerreichbares Vorbild präsentiert, sei es nun in Sachen Arbeitslosigkeit, Budgetdisziplin oder politische Kompromissbereitschaft.

Zwar gibt es auch jene, die ein Schreckensbild von ihm zeichnen, wie der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, Autor des antideutschen Pamphlets „Bismarcks Hering (das deutsche Gift)“, oder die Rechtsextreme Marine Le Pen, die vor einer Dominanz durch Berlin warnt, um ihre nationalistischen, antieuropäischen Reflexe zu rechtfertigen. Doch seit Jahren nutzen Medien wie Verantwortungsträger – von den Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande bis zum aktuellen Amtsinhaber Emmanuel Macron – die Verweise auf das „deutsche Modell“ als Referenz.

Gutes Bild vom Nachbarn, aber schlechte Beliebtheitswerte

Nicht immer zu Recht – denn anders als die deutsche Wirtschaft wuchs die französische auch in den vergangenen zwei Jahren leicht und die Staatsbahn SNCF hat deutlich bessere Pünktlichkeitsquoten. Gerade die Probleme der DB überraschen in Frankreich. Dort herrscht überwiegend ein gutes Bild vom Nachbarland, mit dem Stichworte wie Arbeit und Stärke assoziiert werden. Das Image hat sich laut einer Umfrage, die die deutsche Botschaft in Paris in Auftrag gegeben hat, sogar verbessert, von 82 Prozent, die 2012 eine positive Meinung hatten, auf nun 88 Prozent.

Paradoxerweise gibt zugleich gut die Hälfte der Franzosen an, Deutschland nicht zu mögen, während nur ein Drittel die Bundesrepublik überhaupt kennt. Beides hängt zusammen: Besonders aufgeschlossen zeigen sich die Bewohner der grenznahen Region Grand Est sowie jene, die die deutsche Sprache beherrschen. Die Zahl der Lernenden wie der Lehrenden sinkt jedoch stetig, so wie jene der Französisch-Lernenden in Deutschland.

Läuft der deutsch-französische Motor noch?

Die Sprache bleibt der Schlüssel für den Zugang zum jeweils anderen, für die Akzeptanz des Verschieden-Seins. Auch auf höchster politischer Ebene ist das gegenseitige Verständnis eine Voraussetzung dafür, dass der oft zitierte deutsch-französische Motor läuft – was Beobachter derzeit bezweifeln. Viele Unstimmigkeiten fallen auf, von der gegensätzlichen Haltung zur Nuklearenergie bis zur Frage nach einer angemessenen Antwort auf Strafzölle durch China oder die USA.

„Dabei gibt es auch aktuelle Beispiele für eine gelungene Kooperation“, sagt Paul Maurice, Generalsekretär des Studienkomitees für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa). Er nennt etwa die gemeinsame Reise der Außenminister Annalena Baerbock und Jean-Noël Barrot nach Syrien, wo sie Gespräche mit den neuen Machthabern führten. Zwar habe Kanzler Olaf Scholz keinen ausgeprägten „deutsch-französischen Reflex“ – aber war seine Vorgängerin Angela Merkel von Beginn an besonders frankophil? Fest stehe, dass es einen permanenten Austausch zwischen Bundeskanzleramt und Élysée-Palast sowie auf allen anderen Staatsebenen gebe.

Für Paris ist es derzeit schwierig, ein zuverlässiger Partner zu sein. Maurice verweist auf die inneren Zwänge und Probleme beider Länder seit 2022, die infolge des Ukraine-Kriegs ihre „politischen, sozialen, wirtschaftlichen und geopolitischen Modelle überdenken“ mussten. In Berlin geriet die Koalition stark unter Druck, in Frankreich verlor Präsident Macron 2022 die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Deren Auflösung und die Neuwahlen 2024 verkomplizierten die Lage noch, auch die aktuelle Regierung ist instabil.

„Vor diesem Hintergrund ist es für Frankreich schwierig, ein zuverlässiger Partner zu sein“, so Maurice. Zugleich gehöre Macron zu den wenigen, die schon während der ersten Amtszeit Donald Trumps als US-Präsident regierten. „Er wird diesen Vorteil für sich zu nutzen versuchen.“ Im Interesse der Europäer wäre es dabei, gemeinsam Gespräche mit Washington zu führen, sagt der Cerfa-Generalsekretär: „Denn Trumps Amerika möchte die Europäer spalten.“ Dem gelte es etwas entgegenzusetzen. Gemeinsam.