AboAbonnieren

Thüringer AfD-ChefPetition fordert Björn Höcke die Grundrechte zu entziehen – geht das?

Lesezeit 3 Minuten
12.01.2024, Berlin: Eine Demonstration unter dem Motto «AfD Verbot prüfen - jetzt!» findet vor dem Bundeskanzleramt statt.

Eine Demonstration unter dem Motto „AfD Verbot prüfen - jetzt!“ findet vor dem Bundeskanzleramt statt.

Eine bundesweite Petition hat eine Million Unterstützer erreicht. Die Initiative fordert das Verbot der politischen Betätigung für Höcke. Doch hat das Aussicht auf Erfolg?

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Höhenflugs der AfD steuert eine bundesweite Petition, die den Entzug von Grundrechten für den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke fordert, inzwischen auf eine Million Unterzeichner zu. Vor allem in den vergangenen Tagen ist die Zahl rasant gestiegen.

„Stoppen Sie den Faschisten Björn Höcke: Veranlassen Sie, dass die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 Grundgesetz stellt“, heißt es im Text der von der Plattform Campact initiierten Unterschriftensammlung an Bundestag und Kanzler Olaf Scholz (SPD). Demnach soll Höcke auch das aktive und passive Wahlrecht verlieren und vorerst keine öffentlichen Ämter mehr ausüben dürfen. Brisant: Im September wählen die Thüringer einen neuen Landtag. Die AfD könnte dann erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland werden.

Höcke mit teils drastischen Aussagen

Höcke hat in der Vergangenheit immer wieder durch drastische Aussagen von sich reden gemacht. Sein Landesverband wurde im März 2021 zum erwiesen extremistischen Beobachtungsobjekt erklärt. Er vertrete „seit Jahren Positionen, die sich gegen die Menschenwürde, gegen das Demokratie- und gegen das Rechtsstaatsprinzip richten“, heißt es im Bericht des Thüringer Landesverfassungsschutzes.

Der Landesparteichef darf wegen öffentlich getätigter Äußerungen zudem als „Faschist“ bezeichnet werden, das hat das Verwaltungsgericht Meiningen bereits 2019 festgestellt. Sein Einfluss in der Bundespartei ist erheblich.

Doch ist Höcke damit auch eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die Karlsruhe zur Voraussetzung für den Entzug von Grundrechten macht? Einen entsprechenden Antrag können Bundestag, Bundesregierung oder eine Landesregierung beim Bundesverfassungsgericht stellen, darauf zielt die Internet-Petition ab. Die Richter entscheiden über Ausmaß und Dauer der Verwirkung.

Basis ist das Grundgesetz. Es soll die Bundesrepublik zur „wehrhaften Demokratie“ machen, die sich gegen Feinde der freiheitlichen Ordnung schützen kann. Neben der Möglichkeit, Vereins- oder Parteiverbote auszusprechen, ist der entsprechende Artikel 18 des Grundgesetzes ein weiterer Mechanismus, um demokratiefeindliche Kräfte bekämpfen zu können.

Union reagiert skeptisch

Die Unionsfraktion im Bundestag sieht den Petitionsvorstoß skeptisch. „Ich halte ein Grundrechtsverwirkungsverfahren gegen Herrn Höcke nicht für sinnvoll. Ein solches Verfahren ist in der Geschichte des Grundgesetzes noch nie erfolgreich zum Abschluss geführt worden und würde schon allein deshalb wohl lange dauern“, sagte der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Günter Krings, unserer Redaktion. Er betonte: „In der Zwischenzeit würde die AfD versuchen, daraus politischen Profit zu ziehen. Und selbst bei einem Erfolg ist nicht abzusehen, ob und wie es die AfD wirklich schwächen würde.“

Die Fraktion der Liberalen lehnte eine Stellungnahme auf Nachfrage unserer Redaktion ab. Von SPD und Grünen gab es vorerst keine Antworten. Ein Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion ließ wissen: „Die undemokratische Forderung der Petition entbehrt jeder Grundlage.“

Die ehemalige Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff, die die Debatte mit angestoßen hat, sagte: „Einzelne Personen aus dem Spiel zu nehmen, indem ihnen in einem Verfahren der Grundrechtsverwirkung die Wählbarkeit entzogen und politische Betätigung untersagt wird, würde deutlicher machen als ein Parteiverbot, dass es wirklich um den Schutz der Verfassung geht und nicht darum, politische Konkurrenz grundsätzlich auszubooten.“

In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bislang vier Versuche, Extremisten die Grundrechte zu entziehen; jedes Mal hat das Verfassungsgericht die Anträge wegen nicht länger gegebener Gefährlichkeit der Betroffenen abgewiesen.