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Schärfere CO2-RegelnIst das der letzte Sargnagel für deutsche Autobauer?

Lesezeit 5 Minuten
Der Autoverkehr soll bis 2035 klimaneutral werden – dafür muss der CO2-Ausstoß sinken. Der nächste Schritt steht 2025 an.

Der Autoverkehr soll bis 2035 klimaneutral werden – dafür muss der CO2-Ausstoß sinken. Der nächste Schritt steht 2025 an.

Die Absenkung der von der EU festgelegten CO2-Grenzwerte für Neuwagenflotten ab 2025 stellt Autobauer wie VW, Mercedes oder BMW vor erhebliche Herausforderungen zur Einhaltung der Klimaziele.

Das kommende Jahr wird herausfordernd für Deutschlands Autobauer. Die von der EU gesetzte Höchstmarke für den CO2-Ausstoß der Neuwagenflotten wird 2025 deutlich gesenkt – dabei war es schon bislang nicht einfach, diesen Grenzwert einzuhalten. Was rollt da auf VW, Mercedes, BMW & Co. zu? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was hat es mit den Flottengrenzwerten auf sich?

Die EU hat sich im „Green Deal“ ehrgeizige Klimaziele gesetzt: 55 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2030, vollständige Klimaneutralität bis 2050. Nach Angaben der EU entfallen 16 Prozent der EU-weiten Emissionen allein auf den Autoverkehr. Brüssel hat daher 2019 Höchstwerte für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotten der Hersteller festgelegt, sowohl für Pkw als auch für leichte Nutzfahrzeuge. Mit „Flotte“ ist hier die Gesamtheit der Neuzulassungen des Herstellers in einem Jahr gemeint.

Für eine Überschreitung dieses Werts sollen die Hersteller zur Kasse gebeten werden. Diese Grenzwerte werden stufenweise abgesenkt: 2025 um 15 Prozent, ab 2030 um 55 Prozent bei Pkw und 50 Prozent bei Nutzfahrzeugen. Bis 2035 soll dann komplette Klimaneutralität erreicht werden, der Grenzwert sinkt rechnerisch um 100 Prozent. Die Verordnung wurde 2023 nachjustiert und in einigen Punkten verschärft. 2026 will die EU die Grenzwertregelung in einem Review prüfen.

Was bedeutet das konkret in Zahlen?

Ursprünglich lag der von der EU für den Zeitraum 2020 bis2024 festgelegte Grenzwert bei 95 Gramm CO2 pro Kilometer, allerdings auf der Grundlage einer veralteten Testmethode. Mit der Einführung des standardisierten – und realistischeren – Verfahrens WLTP („Worldwide Harmonised Light Vehicle Test Procedure“) im Jahr 2021 beträgt die derzeit geltende Grenze 115,1 g/km.

Für den Zeitraum 2025 bis 2029 sinkt er auf 93,6 g/km. Das entspricht nach Angaben des Bundesumweltministeriums einem Spritverbrauch von etwa 4 Litern auf 100 Kilometern bei Benzinern und 3,6 Litern bei Dieselfahrzeugen. 2030 sinkt der Wert auf 49,5 g/km. Bei den Nutzfahrzeugen gilt ab 2025 ein Grenzwert von 153,9 g/km, ab 2030 sind es 90,6 g/km.

Die Strafe für das Überschreiten beträgt 95 Euro für jedes Gramm CO2 pro Kilometer oberhalb des Grenzwerts – und wird für jedes neu zugelassene Auto des Herstellers fällig. 2020 beispielsweise verpasste VW den geltenden Zielwert nur um ein halbes Gramm – das kostete den Konzern rund 100 Millionen Euro.

Wie wird die Flottenemission berechnet?

Das Verfahren ist kompliziert. Zum einen fließt auch das Fahrzeuggewicht herstellerspezifisch mit in die Berechnung ein: Für Autobauer, die vor allem im Premiumsegment unterwegs sind und daher schwerere Modelle im Portfolio haben, gelten leicht höhere Grenzwerte. Zum anderen wurden Fahrzeuge mit sehr niedrigen Emissionswerten („Zero- and Low-Emission Vehicles“, ZLEV) anfangs stärker gewichtet – dazu zählen alle Fahrzeuge, deren CO2-Ausstoß unterhalb von 50 Gramm pro Kilometer liegt. Durch sogenannte Öko-Innovationen, also die nachweisbare Entwicklung neuer Technologien zur Emissionsminderung, können Hersteller „ihren“ Grenzwert senken. Für Kleinserien- und Nischenhersteller gelten außerdem Ausnahmen. Das führte dazu, dass jeder Autohersteller seinen eigenen Grenzwert hatte.

Und was ändert sich im Jahr 2025?

Die Absenkung des Grenzwerts von 115,1 auf 93,6 Gramm CO2 pro Kilometer stellt bereits eine große Herausforderung für die Autobauer dar. Zumal dieser neue Grundwert nun ein Fixwert für alle ist – die historischen Emissionsdaten eines Herstellers fließen nicht mehr in die Berechnung ein, teilt ein Sprecher des Bundesumweltministeriums mit. Die herstellerspezifische Gewichtskorrektur bleibt allerdings.

Die Zeit, in denen E-Autos und Hybride stärker in die Berechnung einflossen, ist seit 2023 vorbei. Damit ein Hersteller mit diesen Fahrzeugen einen Grenzwert-„Rabatt“ geltend machen kann, muss künftig jedes vierte verkaufte Auto zur Niedrig-Emissionskategorie gehören. Für jeden Prozentpunkt oberhalb der 25-Prozent-Marke sinkt der Grenzwert dann um ein Prozent, allerdings bis höchstens 5 Prozent.

Plug-in-Hybride, die bislang meist in die Niedrig-Emissionskategorie fielen, werden künftig mit höheren Emissionen veranschlagt als bislang. Der Grund: Sie werden weitaus weniger im Elektrobetrieb genutzt als angenommen. Durch die neue Einstufung tragen entsprechende Hybridmodelle künftig also weniger dazu bei, die Durchschnittsemission nach unten zu drücken. Der Öko-Innovationsbonus beträgt ab 2025 nur noch maximal 6 Gramm (bislang 7), die ein Hersteller vom Grenzwert abziehen kann.

Wo stehen die Hersteller derzeit?

Für 2022 – aktuellere offizielle Daten liegen nicht vor – vermeldete die Europäische Umweltagentur EEA, dass EU-weit fast alle Autobauer das CO2-Ziel erreicht haben. So lag beispielsweise VW mit 118,5 g/km zwar über dem geltenden Grundwert, aber noch unterhalb des für den Konzern errechneten Ziels von 121,5 g/km.

Ist das Erreichen der verschärften Ziele realistisch?

Das wird schwierig, da sich die Emissionsziele in erster Linie nur durch steigende Absatzzahlen bei E-Autos erreichen lassen – und die haben in diesem Jahr einen Dämpfer erlitten. Nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens Dataforce lagen die Flottenemissionen im ersten Halbjahr 2024 höher als im Gesamtjahr 2023. Zwar sehen die Analysten für das laufende Jahr die CO2-Ziele für alle Autobauer als noch erreichbar an; für 2025 stelle „sich die Situation jedoch völlig anders dar“.

Die größte Lücke zwischen Grenzwert und tatsächlichen Werten sieht Dataforce bei Volkswagen und Ford. Zu einem ähnlichen Ergebnis waren auch Analysten der Großbank UBS gekommen, die allein bei VW eine finanzielle Belastung von bis zu 6 Milliarden Euro für möglich halten. VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch forderte die EU erst vor wenigen Tagen auf, die CO2-Ziele zu lockern. Vorstandschef Oliver Blume hatte, ähnlich wie BMW-Chef Oliver Zipse, bereits im Frühjahr „angemessene CO2-Ziele“ angemahnt.

Der Präsident des europäischen Automobilindustrieverbands ACEA, Luca de Meo, schätzt, dass Strafen in Höhe von 15 Milliarden Euro auf Europas Autobauer zukommen könnten. „Das Tempo der Umstellung auf Elektrofahrzeuge ist nur halb so hoch wie das, was wir bräuchten, um die Ziele zu erreichen“, sagte der Renault-Chef dem französischen Radiosender „France Inter“. Er fordert mehr Flexibilität auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) fordert, das von der EU für 2026 geplante Review, also die Überprüfung der Strategie der Flottengrenzwerte, vorzuziehen. Ziel dürfte sein, den Zeitplan für den Weg zur Klimaneutralität neu aufzusetzen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) übernahm diese Forderung bei der Eröffnung der Nutzfahrzeuge-IAA am Dienstag. Vorgaben seien nötig, müssten in der Praxis aber auch umsetzbar sein, sagte Wissing.