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Hochschulen in NRWMissbrauch von Macht wird stärker bestraft

Lesezeit 3 Minuten
Münster: Studentinnen und Studenten sitzen während einer Vorlesung in einem Hörsaal.

Münster: Studentinnen und Studenten sitzen während einer Vorlesung in einem Hörsaal.

In NRW sollen Machtmissbrauch und wissenschaftliche Unredlichkeit im Hochschulbetrieb künftig schneller und strenger bestraft werden.

Das Landeskabinett hat eine umfangreiche Reform des Hochschulgesetzes beschlossen, die dem Landtag zugeleitet wurde und nach den Plänen von CDU und Grünen zum Herbstsemester 2025/26 in Kraft treten soll.

Kernbestandteil sind neue „Sicherungs- und Redlichkeitsmaßnahmen“, mit denen Hochschulen parallel zum bisherigen Disziplinarverfahren frühzeitig auf Fehlverhalten reagieren können. Man gebe den Universitäten und Fachhochschulen einen Instrumentenkasten an die Hand, um „unmittelbar auf Situationen zu reagieren, die den Frieden an unseren Hochschulen und das gute Miteinander dort stören“, erklärte Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) am Dienstagabend.

Schnelleres Handeln bei Übergriffigkeit

Wird etwa ein Professor übergriffig gegenüber Mitarbeitern oder Studierenden, kann die Hochschulleitung künftig im Zuge einer neu eingeführten „Gefahrenabwehr“ schnell nach Bekanntwerden der Vorwürfe Betretungsverbote für wissenschaftliche Einrichtungen aussprechen, Kontaktverbote erteilen, die Weisungsbefugnis gegenüber Beschäftigten entziehen oder die Lehr- und Prüfungserlaubnis widerrufen.

Verhält sich ein Professor wissenschaftlich unkorrekt und gibt etwa die Forschungsergebnisse von Mitarbeitern als die eigenen aus, kann eine öffentliche „Redlichkeitsrüge“ ausgesprochen und Forschungsgeld zurückgefordert werden. Erstmals wird sogar eine Herabstufung in der Professorenbesoldung ermöglicht.

Brandes hat die Hochschulreform anderthalb Jahre lang erarbeiten lassen und will damit auf den Umstand reagieren, dass Fehlverhalten im Wissenschaftsbetrieb bislang nur mit dem normalen Disziplinarrecht verfolgt werden konnte. Dies unterliegt besonderen Geheimhaltungsprinzipien und sorgte dafür, dass Tatverdächtige bis zum Abschluss des Verfahrens normal weiterarbeiten konnten. Zudem spielte das mutmaßliche Opfer eine untergeordnete Rolle. Künftig werden die „Sicherungs- und Redlichkeitsmaßnahmen“ bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für ein Fehlverhalten gewissermaßen dem Disziplinarverfahren vorgeschaltet. Die Betroffenen können dagegen weiterhin vor das Verwaltungsgericht ziehen. Das strafrechtliche Verfahren etwa bei sexuellen Übergriffen bleibt von der hochschulinternen Gefahrenabwehr unberührt.

Fall an der Uni Köln als Auslöser

Brandes machte deutlich, dass die Hochschulen kein größeres Problem mit Machtmissbrauch und Fehlverhalten hätten als andere Institutionen. „Gleichwohl wurde es den potenziellen Tätern an Hochschulen in der Vergangenheit sehr leicht gemacht“, so die Wissenschaftsministerin. Die besondere Stellung des Professors in der Wissenschaftsfreiheit sorgt dafür, dass es in der Regel keine Kontrollstrukturen durch gibt. Stehen Vorwürfe im Raum, sahen sich die Hochschulleitungen nicht selten ohnmächtig einem langwierigen Disziplinarverfahren gegenüber.

Als Auslöser für die Reform gilt der Ende 2022 bekannt gewordene Fall eines Professors der Universität Köln, der über Jahre Doktorandinnen bedrängt und erniedrigt haben soll. Obwohl das an der Hochschule ein offenes Geheimnis war und der Mann sogar eine junge Wissenschaftlerin mit in einen Stripclub genommen haben soll, konnte er weiter lehren. In einem anderen Fall hatte ein auffällig gewordener Professor gegen ein Betretungsverbot seiner Hochschule geklagt und Recht bekommen, weil das Verwaltungsgericht keine Rechtsgrundlage dafür sah.

Die Landesregierung zieht mit der Gesetzesreform außerdem neue Strukturen für mögliche Opfer ein. Die Hochschulen müssen Anlaufstellen schaffen, an die sich Betroffene vertraulich wenden können. Zudem können sie kostenlos einen Rechtsanwalt in Anspruch nehmen und erhalten Informationsrechte über den Stand der hochschulinternen Ermittlungen. Beim Disziplinarverfahren war das ausgeschlossen.

Um Professoren und Dozenten vor falschen Anschuldigungen zu schützen, hat Brandes auch „Sicherungsmaßnahmen“ gegen Studierende aufstellen lassen. Wenn sie zu Unrecht jemanden des Übergriffs oder der wissenschaftlichen Unredlichkeit bezichtigen, kann schlimmstenfalls die Exmatrikulation drohen.

Obwohl NRW mit den „Sicherungs- und Redlichkeitsmaßnahmen“ über das hinausgeht, was andere Bundesländer im Zuge der „MeToo-Debatte“ bereits auf den Weg gebracht haben, wähnt man sich in Düsseldorf auf der sicheren Seite. Vor dem Kabinettsbeschluss soll Brandes gutachterliche Expertise eingeholt haben. „Unsere Hochschulen“, stellt die Ministerin klar, „müssen sichere Orte sein.“