AboAbonnieren

Interview

Experte zur Lage in Gaza
„Wenn die USA Verantwortung trügen, wäre eine große Last von Israel genommen“

Lesezeit 2 Minuten
Palästinensische Gebiete, Gaza: Gebäude, die durch die israelische Luft- und Bodenoffensive zerstört wurden, sind im Viertel Tel al-Hawa im Gazastreifen zu sehen.

Palästinensische Gebiete, Gaza: Gebäude, die durch die israelische Luft- und Bodenoffensive zerstört wurden, sind im Viertel Tel al-Hawa im Gazastreifen zu sehen.

Historiker Michael Wolffsohn, der lange an der Bundeswehr-Universität in München lehrte, gilt als einer der besten Kenner des Nahost-Konfliktes.

Was ist Ihnen als Erstes durch den Kopf gegangen, als Sie von der Gaza-Initiative des US-Präsidenten gehört haben?

Das: Etwas Besseres und Schöneres als den Gazastreifen, wie er bereits vor dem Krieg selbstverschuldet war und jetzt ist, finden die Palästinenser überall. Eine Umsiedelung beziehungsweise Vertreibung ist allerdings jenseits der Moral auch dysfunktional. Donald Trump will Gaza in eine Riviera verwandeln. Gute Idee und machbar. Dafür braucht man aber Menschen. Die sind doch da. Warum also umsiedeln oder gar vertreiben?

Der Kern des Nahostkonfliktes ist, dass Israelis und Palästinenser denselben Flecken Erde für sich beanspruchen und diese Ansprüche Jahrhunderte zurückverfolgen. Wie soll Frieden entstehen, wenn eine der beiden Seiten einfach entfernt wird?

Theoretisch ginge das. Wer weit weg ist, ist eben weg. Das aber widerspricht der Menschlichkeit. Deshalb ist der Aufbau- bzw. Riviera-Gedanke im Kern richtig: mit den Menschen vor Ort.

Wo könnten die Palästinenser sonst realistischerweise überhaupt hin?

Denkbar und machbar mag manches sein, aber wozu umsiedeln? Abgesehen von Fragen der Moral. Ich wiederhole: Es ist dysfunktional.

Trump spricht davon, dass Amerika den Gazastreifen „langfristig besitzen“ solle, auf Englisch: „ownership“. Was würden Sie darunter verstehen?

Die wichtigere Frage ist ja, was Trump darunter versteht. Ich vermute, er denkt an eine wirtschaftlich und politisch aufbauende Besatzung wie in Westdeutschland ab 1945.

Wie wahrscheinlich ist es, dass das so kommt?

Ich bin kein Hellseher, das überlasse ich den anderen selbsternannten Experten.

Wie blickt die israelische Regierung auf den Plan?

Regierung und Opposition Israels reagieren bislang begeistert, und das ist verständlich. Wenn die USA die Verantwortung für den Gazastreifen trügen, wäre eine große Last von Israel genommen: politisch, wirtschaftlich und moralisch.