Wohin bewegt sich eine Gesellschaft, in der sich viele das Wohnen kaum mehr leisten können? Ein Kommentar
KommentarWohnungskrise bietet enormen sozialen Sprengstoff
Es ist, als würde man zusehen, wie jemand langsam auf einen Abgrund zu schlendert – und sich dabei denken: Hoffentlich geschieht ein Wunder und der Abgrund verschwindet von selbst. Denn die Wohnungsmisere in Deutschland, die an diesem Donnerstag Thema beim Wohnungsbautag von Politik- und Wirtschaftsvertretern ist, gibt es ja nicht erst seit gestern. Sie stellt Millionen Bürger vor existenzielle Probleme und bietet enormen sozialen Sprengstoff. Denn wohin bewegt sich eine Gesellschaft, in der sich viele das Wohnen kaum mehr leisten können?
400.000 neue Wohnungen pro Jahr hatte die Ampel-Regierung als Zielmarke gesetzt. Die wird in diesem Jahr nicht erreicht und Prognosen zufolge auch so bald auch nicht erreicht werden – sofern nicht schnell umgesteuert wird. Ansonsten könnten bereits 2025 schlimmstenfalls bis zu einer Million Wohnungen fehlen.
Herumdoktern an Symptomen
Sicher: Der Bausektor war zuletzt arg gebeutelt – steigende Kosten, instabile Lieferketten, Fachkräftemangel. Dass sich derzeit wieder eine leichte Entspannung abzeichnet, ist zwar eine gute Nachricht, aber noch kein Lösungsweg aus der Wohnungskrise. Auch die Verlängerung der Mietpreisbremse mag vorübergehend für Entlastung bei Mietern sorgen, bleibt aber dennoch ein Herumdoktern an Symptomen, solange das Angebot an Wohnraum nicht ausreicht.
Bauen ist teuer – und muss sich daher lohnen. Sowohl für den privaten Bauherren, der sich den Traum vom Eigenheim erfüllen können muss, ohne sich ins finanzielle Unglück zu stürzen, als auch für einen Investor, der nur dann bauen wird, wenn er den Wohnraum später auch zu realistischen Konditionen an den Markt bringen kann. Nur: Wie viele Mieter können sich einen Mietpreis von 17,50 Euro aufwärts pro Quadratmeter leisten? Frei finanzierter Wohnungsbau sei unterhalb dieses Betrags kaum mehr rentabel, heißt es von Bauforschern.
Positiv ist: Experten halten das Ziel von 400.000 Wohnungen perspektivisch für durchaus erreichbar. Etwa durch einen Ausbau staatlicher Förderprogramme, die Ausweisung neuer Baugebiete, den Abbau bürokratischer Hürden und auch allzu hochgesteckter Baustandards. Auch im seriellen Bauen liegen Chancen für eine Kostenminderung. Gleichzeitig wollen allerdings Klimaziele erreicht und der Flächenversiegelung Einhalt geboten werden – einfach wird es nicht, alle Aspekte unter einen Hut zu bringen. Aber das Problem ist viel zu drängend, um lediglich auf bessere Zeiten zu hoffen.