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Rundschau-Debatte des TagesIst der Höhenflug der Mieten bald vorbei?

Lesezeit 4 Minuten
Wird der Wohnungsbau neu belebt? Erste Anzeichen dafür gibt es.

Wird der Wohnungsbau neu belebt? Erste Anzeichen dafür gibt es.

In der Baukrise zeichnet sich allmählich eine Entspannung ab. Für Mieter verheißt diese Entwicklung allerdings noch nicht die lang ersehnte Entspannung am Mietmarkt.

Ist das Ende der schweren Baukrise in Sicht? Werden bald endlich genug bezahlbare Mietwohnungen gebaut? Den Anschein erwecken Bauministerin Klara Geywitz und Bundeskanzler Olaf Scholz zum Wohnbautag am Donnerstag. Die Realität sieht leider anders aus. Eine Analyse:

Wie sich die Mieten entwickelt haben

Im zweiten Halbjahr 2023 sind die Angebotsmieten (also für neue Mietverträge) nach einer Erhebung des Immobiliendienstleisters JLL in Deutschlands Metropolen um 8,2 Prozent gestiegen. Es ging noch schneller hoch als im Vorjahr, als der Aufschlag im Schnitt bei 6,3 Prozent gelegen hatte. Im Mittel der vergangenen fünf Jahren waren Mieten in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart um fünf Prozent jährlich gestiegen. Für die Analyse wurden Neubauten und Bestandsgebäude betrachtet. Auch jenseits der Metropolen mussten Neumieter tiefer in die Tasche greifen; in den Landkreisen im Schnitt um 5,5 Prozent.

Ausreißer nach oben war Berlin, wo die Mieten im letzten Jahr gegenüber 2022 um 21,4 Prozent hochgeschossen sind. In Leipzig lag das Plus bei 10,4 Prozent, in den übrigen Metropolen bei 4,8 bis 7,1 Prozent. Wichtigster Grund für den Trend ist laut JLL-Experte Sören Gröbel die Angebotsknappheit: Es fehlen Wohnungen. Gröbel spricht von einem „Teufelskreis“: Wer einen alten (günstigeren) Mietvertrag hat, zieht nicht um und hält seine Wohnung.

Wie die Lage beim Bauen derzeit aussieht

Höhere Zinsen und Baukosten haben die Neubautätigkeit weitgehend abgewürgt. Statt der von der Ampel-Koalition angepeilten 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr wurden 2023 nur 260.000 gebaut, in diesem Jahr wird mit maximal 235.000 fertigen Einheiten gerechnet, 2025 erwartet die Branche weniger als 200.000 neue Wohnungen. Nach Angaben des Ifo-Instituts hat wegen ausbleibender Aufträge jedes zweite Bauunternehmen zu kämpfen. Die Zahl der Insolvenzen ist ebenso explodiert wie die Zahl der stornierten Aufträge.

Was Hoffnung auf ein Ende der Krise macht

Die Inflation ist in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen. EZB-Chefin Christine Lagarde hat ziemlich deutlich eine Zinssenkung für Juni angekündigt. Und auch die Entspannung der Lieferketten seit Ende der Corona-Pandemie sowie eine Stabilisierung der Energiekosten hat das Bauen wieder etwas preiswerter gemacht. Zwei konkrete Entwicklungen machen Mut: Auf den Investment-Märkten für Immobilien löse sich seit Jahresbeginn „langsam die Schockstarre“, hat JLL beobachtet. Es wird also wieder mehr gekauft. Aber nicht nur das: Auch die Bautätigkeit gewinnt wieder an Fahrt. Das Baugewerbe hat im Februar überraschend deutlich um 7,9 Prozent zugelegt, wie die Statistikbehörde Destatis am Montag bekannt gab.

Was die Politik sagt und tut

„Vieles spricht dafür, dass sich der Wohnungsbau jetzt stabilisiert“, hatte Kanzler Olaf Scholz schon Mitte März verkündet. Und Bauministerin Klara Geywitz sagte jetzt gegenüber unserer Redaktion: „Wir gehen dem Ende der Talsohle entgegen.“ Die Maßnahmen, mit denen der Staat der Bau- und Wohnungswirtschaft unter die Arme greife, zeigten Wirkung. „Das alles spricht für einen neuen Schwung im Wohnungsbau.“ Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus wurde laut Geywitz vergangenes Jahr mit einem Plus von über 20 Prozent deutlich gesteigert. Und mit besseren Abschreibungsmöglichkeiten sei gerade „ein erheblicher zusätzlicher Anreiz für den Neubau geschaffen“ worden.

Was Experten und das Baugewerbe sagen

Von den sinkenden Zinsen dürfte „ein positiver, allerdings nur begrenzter Effekt für den Wohnungsneubau ausgehen“, sagt JLL-Analyst Gröbel. Denn die hohen Kapitalkosten seien nur eine der Ursachen der Krise. Eine weitere, bleibende: „In den letzten beiden Jahrzehnten sind die baurechtlichen Anforderungen enorm gestiegen, und damit auch der Anteil des Staates an den Baukosten.“ Deswegen seien auch in der langen Niedrigzins-Phase nicht genug Wohnungen gebaut worden. Gröbel spricht von einer „systemischen Störung“ durch die Politik.

Auch der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, widerspricht Bauministerin Geywitz scharf. „Die Talsohle im Baugewerbe ist noch lange nicht durchschritten, vor allem nicht beim Wohnungsbau“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Die kommenden Monate würden „verdammt hart“. Der Handwerkspräsident fordert stärkere Anreize fürs Bauen, auch um dramatische Folgen für die Gesamtwirtschaft abzuwenden. Nach wie vor sei die Zahl der Baugenehmigungen zu gering.

Was für die Mieten zu erwarten ist

Auch die Verlängerung der Mietpreisbremse wird nach Meinung von Immobilien-Fachmann Gröbel nicht zu einer Stabilisierung der Mieten führen. Ein Grund: Die Kosten für den Kauf von Immobilien sind zwei Jahrzehnte lang stärker gestiegen als die Mieten, was Mieter vom Immobilienerwerb abhält. Und dieses Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf den Mietmärkten werde bis auf Weiteres bestehen bleiben, so die JLL-Prognose. Und selbst bei einer schnellen Belebung des Wohnungsneubaus im kommenden Jahr sei kein allzu großer Effekt zu erwarten. Denn vom Projektstart bis zum Einzug kann es sehr, sehr lange dauern.