Die Komikerin, Schauspielerin und Moderatorin Anke Engelke spricht über Silvestertraditionen, Kuchen, Klassentreffen und ihre Kindheit im TV.
Komikerin Anke EngelkeWie lautet das Rezept für Ihren Lieblingskuchen, Frau Engelke?
Frau Engelke, ich dachte, wir klauen zum Einstieg den Running Gag aus Ihren Silvesterfilmen und fangen mit einem Glückskeks an.
Oh! Und da haben Sie gleich eine ganze Packung dabei. Ich muss erst gucken, ob die vegan sind … Scheint aber alles in Ordnung zu sein. In Ihren Keksen sind wirklich nur Emulgatoren, Natriumcarbonat und der Sinnspruch. Köstlich!
Was ist Ihr Orakelspruch?
„Jeder lächelt in derselben Sprache.“ Puh, das ist ganz schön kitschig. Und bei Ihnen? Sie sagen ja gar nichts. Wahrscheinlich steht da: „Vor Ihnen sitzt eine ganz üble Hexe.“ Und jetzt trauen sich nicht, das vorzulesen.
Bei mir steht: „Das Leben wird nach Jahren gezählt und nach Taten gemessen.“
Ich weiß nicht mal, ob das mit den Taten stimmt. Viele Schauspieler*innen sagen, das Schlimmste am Beruf sei das Nichtstun in den Pausen. Für mich ja gar nicht. Ich warte gern. Da kann man alles machen, stricken zum Beispiel. Gerade entsteht mein fünfter Schal fürs Leben.
Was ist denn das?
Eine Spendenaktion von „Brigitte“ und „Save the children“: Ende des Jahres kann man eine Box mit Anleitung und Wolle für einen neuen Schal kaufen, entworfen von einem Superdesigner.
Stricken Sie nur diesen Schal oder wagen Sie sich auch an die Muster angesagter Woll-Influencer?
Ich stricke alles Mögliche, aber bei Fingerhandschuhen bin ich raus. Schon wegen des Sortierens und Geklimpers mit all den Nadeln. Ich stricke gern in der Bahn, und wenn mir da eine Nadel runterfällt, will ich sie nicht vom Boden aufheben. Was Influencer angeht, müssten Sie mir mal zeigen, wo genau auf meinem Handy ich dieses Instagram finde. (Anke Engelke zieht ein historisches Tasten-Handy aus der Tasche.) Social Media ist nix für mich. Ich lese gern Bücher.
Sie scheinen überhaupt ein sehr häuslicher Typ zu sein. Ich bin mehrfach auf Ihre Kuchen hingewiesen worden. Ihr Kollege Denis Moschitto berichtet beispielsweise, dass Sie bei der „Sendung mit dem Elefanten“ für das ganze Team backen.
Stimmt. Ich mache Menschen gerne eine Freude und ich backe viel. Und weil die Kantine so weit weg ist, bringe ich zum Elefanten-Dreh Kuchen mit. Wir arbeiten da ein bisschen unkonventionell, improvisieren viel und albern rum. Das Team muss tapfer sein. Da hilft Kuchen.
Stimmt es, dass Sie auch als Belohnung für Tätowierungen backen?
Das war nur einmal. Ich hatte das Vorwort für ein Buch der Cartoonisten Hauck&Bauer geschrieben und darin versprochen: Wer sich einen Comic von ihnen an den Leib tackert, kriegt von mir einen Käsekuchen. Eine Frau aus Frankfurt hat sich wirklich einen Cartoon stechen lassen. Ich habe ihr den Kuchen dann direkt in ihrer WG gemacht. Damit er warm auf den Tisch kommt. Das ist immer ein schönes Ziel: ofenwarmer Kuchen.
Verraten Sie das Rezept?
Gern, kann ich auswendig. Ofen vorwärmen auf 180 oder 200 Grad. Backform einfetten. 6 Eier trennen und das Eiweiß mit einer Prise Salz steif schlagen, beiseitestellen, gern in den Kühlschrank. Die 6 Eigelb mixen mit: 200 Gramm weiche Butter, 200 Gramm Zucker, 100 Gramm Grieß, 2 Esslöffeln Mehl, je zwei Pakete à 150 Gramm Ricotta und Frischkäse. Verquirlen und das Eiweiß unterheben. Bitte vorsichtig, damit die Luftigkeit bleibt. Teig in die Backform geben und 30 bis 40 Minuten backen. Holzstäbchentest. Wohl bekomm’s.
Butter, Frischkäse und Eier? Da müssen Sie sich als Veganerin aber beschmutzt vorkommen.
Veganerin bin ich ja nur, weil ich nicht weiß, auf was ich sonst verzichten soll. Auf mein Auto kann ich nicht verzichten, weil ich in der Familie ein paar Touren machen muss. Ich kann nicht aufs Fliegen verzichten, weil ich Verwandte in Übersee habe. Einmal im Jahr fliege ich auch innerhalb Europas. Da kann ich auch nicht drauf verzichten.
Es gibt ein für mich unverzichtbares Waschmittel voller böser Chemie. Ein paar gefährliche Kosmetika brauche ich auch. Meine Liste mit unverzichtbaren Klimakillern ist lang. Zum Verzichten bleiben mir da nur: Inlandsflüge und tierische Produkte. Den Käsekuchen backe ich nur für andere.
Haben Sie auch das Gefühl, dass Verzicht zu einem absoluten Reizwort geworden ist?
Stimmt. Aber ich verzichte lieber heute auf Butter als in 20 Jahren auf frisches Wasser.
Gibt’s bei Ihnen an Silvester irgendwelche Traditionen – zum Beispiel Berliner?
Die sind nicht mein Lieblingsgebäck. Matthias Brandt und ich haben zum dritten Mal einen „Kurzschluss“ zu Silvester gedreht und natürlich werden wir immer nach Traditionen gefragt. Es ist unangenehm, aber ich habe gar keine, ich gehe Silvester früh schlafen. Mehr nicht. Dass diese Nacht so mit Bedeutung und Erwartung aufgeladen ist, kann ich nicht nachvollziehen. Sie werden nichts aus mir rausholen, weder Bleigießen noch Berliner. Silvester passiert bei mir nichts.
Ich habe ein paar Ereignisse des Jahres aufgeschrieben. Wollen Sie die mal angucken und erzählen, wozu Ihnen etwas einfällt?
Klar! Aha, hier, ich kann ich gleich zum ersten Eintrag was sagen: „7. Januar, Franz Beckenbauer stirbt“. Franz Beckenbauer und ich haben zusammen mal Werbung für ein Telefon gemacht. Und ich fand ihn entzückend. Von ihm habe ich gelernt, dass man nur über die Menschen sprechen sollte, die man mag. Über die anderen nicht. An seinem 60. Geburtstag habe ich für ihn gesungen.
Ich war auch bei der Kampagne für sein vermaledeites Sommermärchen dabei. Das skandalöse Drumherum, diese Millionenzahlungen und auch, dass das Maskottchen keine Hose anhatte – all das wurde rückblickend für mich von Franz Beckenbauers Sonnigkeit überstrahlt.
Gibt’s noch einen Stichtag, bei dem Sie hängenbleiben?
RAF-Touristin Daniela Klette gefasst, Cannabis legalisiert, OJ Simpson stirbt – kann ich nichts Relevantes zu sagen. Was war noch? Die EM, stimmt. Fußball bedeutet mir eigentlich auch nicht viel, aber die EM habe ich ja diesmal jobbedingt mit Matthias Brandt miterlebt. Im Sommer haben wir unseren „Kurzschluss“ gedreht und da war das ständig Thema. Matthias liebt Fußball sehr und weiß alles. Die EM hat mir Spaß gemacht, weil sie ihm Spaß gemacht hat … Hier unten steht noch was auf Ihrem Papier, soll ich das auch lesen?
Wo? Nein, Entschuldigung, das sind meine aussortierten Fragen.
Aber die sind doch gut. Die hier zum Beispiel: „Im ,Kurzschluss‘ müssen Sie rülpsen. Können Sie das auf Befehl?“ Das beantworte ich, auch wenn Sie sich die Frage jetzt gar nicht getraut haben. Geben Sie mir einen Moment, für die Antwort brauche ich einen großen Schluck Kaffee. (Anke Engelke trinkt, geht in sich, lässt einen vollendeten Rülpser hören und tut wegen der anderen Café-Gäste so, als wäre ich es gewesen.)
Respekt, Frau Engelke! Das kann nicht jeder. Was meinen Sie, wollen wir noch weiter zurückblicken – auf Ihre Karriereanfänge als Kindermoderatorin im ZDF-Ferienprogramm der 1980er?
Das war schön, oder? Da konnte ich sagen: „Morgen wird das Wetter gut, also könnt ihr ja schwimmen gehen. Wir sehen uns dann übermorgen.“ Da war die Welt wirklich eine andere. Ich konnte die Zuschauer auffordern, am nächsten Tag nicht einzuschalten. Es gab in den 80ern ja nur drei Programme. Ich wusste gar nicht, was Quoten sind. Irgendwann hat dann jemand aus der Redaktion in der Mittagspause ein Din-A-4-Blatt rausgeholt und mir erklärt: „Da kann man sehen, wann wie viele Leute zugeguckt haben.“ Das war eine Zäsur.
Ihre ersten Fernsehauftritte haben Sie als Chormädchen erlebt. Mit Udo Jürgens hatten Sie persönlich sogar ein Duett, bei dem der restliche Chor drumherum saß. Bei Wikipedia steht, dass gerade dieser Auftritt Ihre Karriere begründet hat.
Was auch nicht stimmt. Niemand, schon gar nicht die Chorkamerad:innen, denkt jetzt: Wenn sie damals nicht bei diesem Duett mitgesungen hätte, hätte sie später nicht „Ladykracher“ gemacht. Vielleicht ist das sogar so. Ich wurde einfach ausgesucht, kein großes Ding. Im Chor waren viele begabte Menschen. Und ich selbst bin ein totales Glückskind. Ich bin überall nur reingepurzelt.
Halten Sie noch Kontakt zu den Chorkindern? Gehen Sie auf Klassentreffen?
Klassentreffen sind das Tollste. Die Schule ist doch die Zeit, in der wir uns das erste Mal verlieben, in der wir unsere Ideale definieren und in der wir merken: Was ist für mich ein schönes Mädchen oder ein schöner Junge? In der Schule verstehen wir zum ersten Mal, welche Situationen uns angenehm oder unangenehm sind. Da werden ganz wichtige Punkte gesetzt, und es ist toll, dahin zurückzugehen. Ich bin wahnsinnig gern zur Schule gegangen. Deswegen wollte ich wahrscheinlich auch Lehrerin werden. Wenn jetzt einer meiner Lehrer:innen stirbt, haut es mich um.
Denken Sie an einen bestimmten?
Mein Englischlehrer hat mir viel bedeutet. Dass es den nicht mehr gibt, macht mich wahnsinnig. Ich lese kein englischsprachiges Buch, ohne kurz an ihn zu denken. Dabei hat er mich und viele Mitschüler:innen wirklich gequält mit seiner strengen Art. Er mochte mich nicht und war zynisch. Trotzdem hat mich seine Begeisterung für Literatur gepackt. Er liebte Shakespeare.
Steht Ihnen bei Klassentreffen die Prominenz im Weg?
Ja, aber ich will nicht in meiner Bubble verrecken. Also gehe ich ganz bewusst zum Klassentreffen und weiß, dass Menschen sich mir gegenüber verhalten. Keine Wertung, einfach nur: „verhalten“. Und schon Blicke sind ja manchmal zu viel. Blicke machen was mit einem. Gerade bin ich extra nach München gefahren, weil ein Kollege da seinen Geburtstag gefeiert hat.
Ich wollte unbedingt mal wieder auf eine Party, wo ich wusste: Da sind Menschen, die prominenter sind als ich oder null an Prominenz interessiert, da kann ich über die Stränge schlagen, da kann ich tanzen wie verrückt und niemand guckt komisch oder macht einfach Fotos. Es war ein toller Abend!
Was machen Sie, wenn Sie selbst Stars sehen?
Ich dreh mich um und geh weg. Natürlich würde ich auch gern sagen: Ich verehre Sie! Aber ich lass es und drücke meine Bewunderung nur an der Kasse aus: Kino, Museum, Theater – da zeige ich, dass ich interessiert bin oder sogar Fan.
Im Ausland ist es wahrscheinlich anders. Machen Sie auf Reisen auch Urlaub von der Popularität?
Genau. Im Ausland ist das Schönste, wenn man fragt: Was machen Sie denn beruflich? Ich sage gern, dass ich Lehrerin oder Museumspädagogin bin. So führt man die interessantesten Gespräche.