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Interview

Hans Nickel vom WDR Sinfonieorchester
„Ohne die Tuba geht es nicht“

Lesezeit 5 Minuten
3 Hans Nickel - Tubist des WDR Sinfonieorchesters.

Hans Nickel - Tubist des WDR Sinfonieorchesters.

Die Tuba ist „Instrument des Jahres“, hat aber immer noch ein Image, das an das der Bratsche bei Streichinstrumenten erinnert. Jan Sting sprach mit Hans Nickel, Tubist des WDR Sinfonieorchesters, über seltene Soloauftritte, schönen Klang und schlechte Witze.

Der Deutsche Musikrat hat die Tuba zum Instrument des Jahres erklärt. Im vergangenen Jahr war es die Mandoline. Werden da gerade die Exoten ins Licht gerückt?

Ich nehme an ja, denn die Tuba ist ja nicht alltäglich. Für mich aber wohl, ich kenne es ja nicht anders im Leben. Sowohl mit der großen B-Tuba, als auch mit dem kleinen Euphonium oder der mittelgroßen F-Tuba bin ich halt aufgewachsen.

Wie sind Sie auf die Tuba gekommen?

In den Niederlanden haben die Musikvereine, die Blasorchester, eine lange Tradition. Sie spielen auch die sinfonische Literatur. Und da, wo ich herkomme, in der Region Limburg, da hat halt jedes Dorf einen Musikverein. Das ist Musik auf hohem Niveau.

Aber trotzdem müssen Sie offenbar dicke Bretter bohren, um die Tuba auch als Soloinstrument zu etablieren.

Ja, das ist so. Vor 30 Jahren war ich noch stark in der Brass-Szene unterwegs. Bei den European Brass Band Championships habe ich 1991 als Solist gewonnen. In Großbritannien war das damals ungeheuerlich. Erstmals hatte eine Tuba aus Deutschland gewonnen.

Das wäre wie ein Weinbauer von der Mosel, der in Frankreich einen Preis macht?

Ja, zum Beispiel.

Wo liegen eigentlich die Wurzeln?

Alles stammt von Adolphe Sax ab, dem belgischen Entwickler der Saxhörner und des Saxofons. Man brauchte für die Militärmusik wetterbeständige Bassinstrumente. Als diese um 1850 in Paris vorgestellt wurden, kam das sehr gut an. Hector Berlioz sagte sogar voraus, dass die Geigen im Orchester aussterben. Ist aber nicht passiert.

Die Tuba hat heute ein Image, das dem der Bratsche vergleichbar ist, über die ja auch viele Witze gemacht werden.

Dagegen bin ich völlig allergisch. Wir versuchen, dass unser Instrument seriös behandelt wird. Aber auch mein ehemaliger Student Perry Hoogendijk, der heute im Concertgebouw Amsterdam Solo-Tubist ist, muss betteln und tun, dass er einmal ein Solo kriegt. Das hat zehn Jahre und länger gedauert. Und danach muss er wieder zehn Jahre warten. Genau wie ich, ich habe beim WDR auch nur drei Mal in dreißig Jahren ein Solo gespielt. Die Konzertorganisatoren finden das Instrument offenbar nicht so toll. Das Publikum aber wohl.

Auf dem Youtube-Kanal des WDR Sinfonieorchesters gibt es aber „Hans Nickel plays“. Da sind Sie als Solist mit dem „Csárdás“ von Monti oder dem „Schwan“ von Camille Saint-Saëns zu hören. Das wird tausendfach angeklickt.

Ja, das fing an mit einem Kammerkonzert, das wir noch vor Corona gespielt haben. Da habe ich neben anderen Solisten des Abends Massenets „Meditation aus Thais“ gespielt. Alles wurde für Radio und Fernsehen aufgenommen. Nichts wurde geschnitten. Und als man uns fragte, ob das auch gesendet werden darf, war ich der Einzige, der zugesagt hat. Das Video wurde der Renner und später hat man mich gefragt, ob ich noch mehr mit meiner Tuba aufnehmen will.

Wie lässt sich der Klang der Tuba beschreiben?

Gesangsreich und melodiös. Es gibt die kleinere Version, das Euphonium. Und das kommt vom Altgriechischen „eu“, als von „schön“ oder „wohlgeformt“. Es ist sehr nah an einer schönen Gesangsstimme. Und ist es ein besonders lautes Instrument? Sowohl als auch. Man kann sehr laut spielen, denn die Ursprünge liegen noch in den römischen Signalinstrumenten.

Wo üben Sie?

Man muss sich mit den Nachbarn arrangieren. Nicht jeder kann in einer Villa im Wald wohnen. Und allein zu wohnen, ist ja auch nichts.

Am 22. Februar sind Sie mit Michael Daughertys „Reflections on the Mississippi“ im Programm „Heimat“ im Funkhaus zu hören. Am Ende des Jahres gehen Sie in Ruhestand. Haben Sie Pläne?

Noch mehr üben (lacht). Es gibt schon einige Anfragen zu Soloauftritten, Workshops, Meisterklassen zu leiten. Mal schauen.

Und Ihre Rolle im Orchester? Als Tubist ist man meist allein. Doppelbesetzung ist nicht die Regel.

Das ist Luxus. Im WDR Sinfonieorchester war ich immer der einzige Tubist. Die Stelle ist ausgeschrieben und es haben sich viele beworben. Das ist ein super Job. Es gibt nicht nur das klassische Repertoire, sondern auch Neue Musik.

Ihr bayerischer Kollege Andreas Martin Hofmeier hat sein Instrument „Fanny“ getauft. Hat Ihres auch einen Namen?

Nein. Das mit den Namen ist Verkaufsbusiness. Es gibt ein Basisinstrument. Und da wird hier und da mal was verändert. Ich habe mir auch Extras anfertigen lassen, wie die Joy Keys, das sind Wasserklappen die automatisch leerlaufen, damit man nicht unterwegs immer den Prütt hat. Aber ich gehe nicht hin und erfinde einen Namen dafür. Wenn einer anfängt, fühlen sich alle gezwungen. Es gibt mittlerweile Instrumente, die sind nach Opern- oder Ballettgestalten benannt: „Fafner“, „Fasolt“ oder „Elektra“. Aber gut, durch so ein Wort, da weiß man, welches Instrument es ist.

Immerhin wird man gerade wach, interessiert sich für das Instrument des Jahres. Ist doch schön, dass es Aufmerksamkeit gibt.

Und es ist richtig so. Die ganzen Jahre läufst Du mit diesem Ding auf dem Rücken rum und auf einmal sagen alle „guck mal, eine Tuba!“ Wir Tubisten der Sinfonieorchester kennen uns alle. Das ist eine kleine Welt. Für die Blasmusikwelt der Amateure ist die Tuba ein ganz wichtigstes Instrument. Ohne sie geht es nicht.

Zur Person

In den Niederlanden wurde Hans Nickel 1958 geboren und erfuhr erste musikalische Förderung im Familienkreis. Er studierte Euphonium, Tuba und Dirigieren am Conservatorium Maastricht. Seit 1986 ist er Mitglied im WDR Sinfonieorchester und lehrt als Professor für Tuba an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf und Senior Dozent für Tuba und Euphonium am Conservatorium Maastricht. Seine Schüler spielen in renommierten Orchestern weltweit Tubastellen innehaben, u.a. im Concertgebouw Amsterdam, der Brüsseler Philharmoniker und dem Rundfunkorchester Athen.

Zu hören ist er am 22. Februar, 20 Uhr, im Funkhaus in Begleitung des WDR Sinfonieorchesters. Unter der Leitung von Ruth Reinhardt spielt er Michael Daughertys „Reflections on the Mississippi“ für Tuba und Orchester.