Die junge Grünen-Politikerin Emilia Fester polarisiert mit Tanzvideos auf TikTok und radikalen politischen Positionen wie Wahlrecht für Kleinkinder und Klimapass für Umweltflüchtlinge im Bundestag.
Radikal und jungDiese Grünen-Politikerin polarisiert auf TikTok enorm
„Hallo, ich bin Milla. Ist das Du ok für Dich?“. Milla, also eigentlich Emilia Fester, begrüßt mit kurzem Händedruck und fröhlichem Lachen im Restaurant des Bundestags. Sie hat eine Stunde Zeit vor der Grünen-Fraktionssitzung. Fester sagt, dass sie hier meist jeder einfach duze und sie es deshalb lieber gleich anbiete. Sie war 2021 mit 23 Jahren die jüngste Abgeordnete im neuen Bundestag. Inzwischen ist eine noch jüngere SPD-Kollegin nachgerückt. Und auch sonst hat sich für Fester vieles geändert.
Fester erfuhr als „Küken“ des Parlaments viel positive Aufmerksamkeit und pflegt von Anfang an ihren eigenen Stil. Es gibt Videos von ihr, wie sie sitzend in einer Mini-Telefonzelle im Bundestag ihre Telefonate führt, weil sie anfangs noch kein Büro hat. Als der Bundestag sich konstituiert, tanzt sie durchs Abgeordnetenhaus – und postet einen Film davon. Die Reaktionen fallen gemischt aus, was noch freundlich formuliert ist. Unernst und lächerlich, echauffieren sich viele. Im Bundestag dürfe man nicht tanzen, so wird sie gescholten. Was so nicht stimmt. Viele Shitstorms später tanzt Milla noch immer.
Milla Fester: Tausende Likes und viele Beschimpfungen
Bei Instagram folgen ihr knapp 27000 Menschen. Es gibt viele Likes unter solchen Posts, aber auch immer wieder Beschimpfungen. Manche empfinden ihre Videos als unangebrachte Selbstinszenierung. „Es ist alles nicht mehr ernst zu nehmen. Vor allem die TikTok-Fraktion im Deutschen Bundestag“, so und ähnlich lauten die Kommentare. Warum macht sie damit trotzdem weiter?
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„Ich tanze gerne. Und ich möchte etwas machen, was ich selbst mir auch gerne anschauen würde. Ich kann junge Menschen, die auf Tiktok und Instagram sind, nicht dazu zwingen, sich die eineinhalbminütige Erklärung für politische Bildung anzugucken. Da ist doch die Frage an uns als Abgeordnete: Wie kommunizieren wir eigentlich mit der jungen Generation?“. Ihre Tanzvideos erzeugten Reichweite. „Und dazu poste ich eine politische Information, die ich für relevant halte.“
Emilia Fester: Seit 2021 im Bundestag
Sie stammt aus Hildesheim, ihre Eltern sind Schauspieler. Nachdem Fester 2017 nach Hamburg zog, arbeitete sie als Regieassistentin und Bühnenhelferin. Mit einem Studienplatz an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg hat es nicht geklappt. Seit 2016 ist sie bei den Grünen. Das Bundestagsmandat erhielt sie 2021 über einen guten Listenplatz.
Sie setzt nicht nur bei ihrer Darstellung von Politik auf ihren eigenen Stil, sie vertritt auch radikale Positionen wie das Wahlrecht für Kleinkinder oder den Klimapass für Umweltflüchtlinge. Als die Ampel-Koalition eine Gesetzesverschärfung zur leichteren Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern beschloss, stimmte sie dagegen, weil sie Teile des Gesetzes rassistisch fand und es aus ihrer Sicht gegen die Menschenwürde verstößt.
Für Grünen-Hasser ist Fester ein rotes Tuch. Den ersten Shitstorm erlebte „Milla“ nach ihrer ersten Rede im Bundestag in der Impfpflicht-Debatte, in der sie beklagte, nicht die Dinge habe tun können, die junge Menschen eigentlich so tun – und die Impfgegner der AfD dafür verantwortlich machte. Dass im Nachhinein rauskam, dass sie zwischenzeitlich in Dänemark war und an der Uni, die sie angeblich nicht besuchen konnte, gar keinen Studienplatz hatte, machte die Sache nur noch schlimmer. Der Hashtag #Göre ging viral.
Schlimmer noch waren die Reaktionen auf ein ZDF-Quiz, bei dem sie nicht wusste, dass der erste Reichskanzler 1871 Bismarck hieß und wann die Bundesrepublik gegründet wurde. Auch andere Abgeordnete konnten nicht alles beantworten, doch Fester wird nach der Bismarck-Offenbarung von „Bild“ zur „Abgeordneten Ahnungslos“ erklärt. Wie geht sie damit um?
Milla sagt: „In einer repräsentativen Demokratie können nicht nur Geschichts-Doktoren eine Rolle in der Politik spielen. Außerdem ist es vielleicht auch ein Generationen-Unterschied: Meine Generation geht nicht mehr davon aus, dass sie alles wissen muss. Weil sie weiß, dass sie nicht alles wissen kann.“
Nach bald drei Jahren im Bundestag zieht sie eine gemischte Bilanz: Shitstorms zählt sie nicht mehr, aber sie ist vorsichtiger geworden. Von Facebook und Twitter hat sie sich zurückgezogen. Die Arbeit als Abgeordnete habe sie gleichzeitig „auf den Boden geholt und radikalisiert“.