Der erste Eindruck der Bilder ist verstörend. Je mehr dieser menschlichen Monster und monströsen Menschen man aber sieht, desto größer ist die Faszination, und man kann sich ihnen nicht mehr entziehen.
R(h)ein ins Museum (5)Die Langen Foundation in Neuss feiert die Malerin Conny Maier
„Der Mensch“, sagt Conny Maier, „ist eigentlich das sozialste Tier überhaupt: Er kümmert sich um alle Gruppenmitglieder, um die Kranken und die Alten. Und gleichzeitig ist er das egoistischste und grausamste Tier, das aus Gier Dinge kaputt macht oder zerstört oder einfach wegnimmt, nur damit es der andere nicht hat. Das gibt es in diesem Ausmaß sonst nicht in der Tierwelt. Und das ist, glaube ich, die ganze Tragik des Menschen. Das Gute wollen und das Schlechte tun.“ Und schaut man sich die Figuren der Malerin an, sieht man ihnen diese Zerrissenheit an. Schier zu platzen scheinen sie, weil zerstörerische wie kreative Kräfte in ihnen kämpfen.
Ausstellungsmacher Udo Kittelmann hat im Leben schon einiges gesehen. Er war Direktor des Kölnischen Kunstvereins, des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt am Main und der Berliner Nationalgalerie. Auf der Biennale in Venedig hat er den Deutschen Pavillon betreut und Ausstellungen auf der ganzen Welt kuratiert. Als er die Bilder von Connie Mayer zum ersten Mal sah, provozierten sie ihn, und er wollte vor ihnen fliehen. Augenscheinlich ohne Erfolg. Ein paar Jahre später nun hat er mit „Beautiful Disasters“ die erste umfassende institutionelle Ausstellung der 1987 in Berlin geborenen Malerin kuratiert. In der Langen Foundation in Neuss.
Und was soll man sagen: Es ist ein Siegeszug. Als Besucher ergeht es einem wie Kittelmann. Der erste Eindruck ist verstörend. Je mehr dieser menschlichen Monster und monströsen Menschen man aber sieht, desto größer ist die Faszination, und man kann sich ihnen nicht mehr entziehen.
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Das Modelabel LookyLooky gegründet
Als wollten sie den Rahmen sprengen füllen diese aufgepumpt-unförmigen Gestalten die Leinwände voll aus und lassen an die Helden-Bilder von Georg Baselitz aus den 1960er Jahren denken. In wilden Verrenkungen ringen sie miteinander und verdrehen ihre wuchtigen Leiber. Aus hohlen Augen schauen sie einem obszön entgegen mit ihren runden Mündern, die eher an die von Sexpuppen denken lassen als an Menschen.
„Auch wenn meine Arbeiten auf den ersten Blick manchmal lustig aussehen mögen, will ich damit Kontroversen anstoßen. Da geht es mir beispielsweise um Themen wie soziale Ungerechtigkeit oder sexualisierte Umgebungen“, sagt die bekennende Autodidaktin, die sich eigenen Aussagen nach an „mindestens acht Kunstakademien in Deutschland“ vergeblich beworben hat.
In Westberlin aufgewachsen gründete sie zunächst mit Freunden das Modelabel LookyLooky, bevor sie sich ganz der Malerei widmete. 2021 dann zeichnete die Deutsche Bank sie als „Artist of the Year“ aus.
Während der Pandemie zog Maier mit ihrem Mann, dem Tech-House-DJ und Produzenten Philipp Maier alias Santé in den portugiesischen Surf-Ort Baleal, ihr Studio im Prenzlauer Berg behielt sie.
Die meisten Werke sind in den Jahren 2021 bis 2023 entstanden
Den neuen Bildern sieht man das Licht der portugiesischen Sonne an. Die expressionistische Palette erinnert an Ernst Ludwig Kirchner, an Franz Marc und die Maler des Blauen Reiters. Auch an Markus Lüpertz muss man denken. Keine Frage, Conny Maier hat ein feines Gespür für Farbe. Die koloristischen Abstufungen bilden einen reizvollen Kontrast zu den geschwollenen Konturen der Gestalten. Ein nicht aufzulösender Widerspruch, der dem Betrachter immer wieder Rätsel aufgibt.
In den weitläufigen weißen Galerieräumen, die Stararchitekt Tadao Ando für das Sammlerehepaar Viktor und Marianne Langen in der Nähe der Insel Hombroich auf der ehemaligen Raketenstation errichtet hat, kommen die großen, leuchtenden, oft in Serien entstandenen Formate von Conny Maier voll zur Geltung. 73 Gemälde sind zu sehen.
Es ist beeindruckend, wie homogen und aus einem Guss die Werke erscheinen. Die meisten sind in den Jahren 2021 bis 2023 entstanden. Manchen sieht man an, dass sie wie „Gigante 1“ oder „Im Schutzraum“ unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges gemalt wurden. Davon abgesehen stehen sie ganz allgemein für eine aggressiver werdende Gesellschaft und bilden den Gegensatz zwischen menschlichem Hedonismus und der Natur ab.
Die Figuren von Conny Maier tragen ihre inneren Konflikte nach außen. Sie sehen aus, wie sie sich fühlen. In einer Zeit, in der es nichts Wichtigeres gibt, als sich selbst in den Sozialen Medien gut aussehen zu lassen, stehen sie mit ihrer körperlichen wie seelischen Deformation ebenso für den Identitätsverlust wie für ein unangepasstes Selbstbewusstsein.
Bis 7. April, geöffnet Di bis So 10–18 Uhr, Langen Foundation, Raketenstation Hombroich 1, Neuss.
Und so geht es weiter
Als Nächstes gibt die Langen Foundation in Neuss aus Anlass ihres 20-jährigen Bestehens ab 5. Mai einen umfangreichen Überblick über die eigene Sammlung. Zu sehen sind unter anderem Werke von Jean Dubuffet, Louise Bourgeois & Julius von Bismarck. (welf)