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Händler in Sorge86.000 Betrieben droht Rückzahlung von Corona-Hilfen

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Ein Stift liegt auf einem Antrag für den Corona-Soforthilfe-Zuschuss.

Ein Stift liegt auf einem Antrag für den Corona-Soforthilfe-Zuschuss.

In Deutschland fehlen noch rund 400.000 Schlussabrechnungen der Corona-Hilfen. Die Frist zur Einreichung wurde letztmalig bis zum 30. September verlängert.

Die Pandemie ist vorbei, die Sorgen etlicher Friseure, Gastronomen und kleiner Ladenbetreiber sind es nicht. Die Corona-Hilfen des Staates haben etliche Betriebe durch die Corona-Krise gerettet. Mit insgesamt rund 70 Milliarden Euro stützte der Bund Unternehmen und kleine Betriebe, in NRW stockte das Land die Hilfen auf. Doch so unbürokratisch und schnell die Hilfen flossen, so kompliziert wurde anschließend die Abrechnung.

Komplizierte Abrechnung: Betriebe müssen Überbrückungshilfen nachweisen

Die Soforthilfen, die ganz am Anfang der Pandemie gezahlt wurden, konnten und mussten die Empfänger selbst abrechnen, sprich darlegen, dass sie das Geld wirklich benötigt haben. Für die Überbrückungshilfen I bis IV sowie die November- und Dezemberhilfen aus 2020 müssen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte die Schlussabrechnung einreichen. Doch obwohl die Abgabefrist eigentlich Ende dieses Monats abgelaufen wäre, fehlen bundesweit rund 400000 Schlussabrechnungen.

Bund und Länder haben deshalb die Frist zum vierten Mal und „letztmalig“ verlängert – bis zum 30. September. In Anspruch nehmen kann das freilich nur, wer vor Ablauf der inzwischen verstrichenen Fristen eine Fristverlängerung beantragt hat. Hoffnung macht den Nachzüglern auch, dass die Abrechnung vereinfacht werden soll. Doch vielen Betrieben macht zu schaffen, dass sie die Überbrückungshilfen zum Teil oder ganz werden zurückzahlen müssen, nicht wenige bangen nach wie vor um ihre Existenz.

In Nordrhein-Westfalen müssten noch rund 86000 Schlussabrechnungen eingereicht werden, teilte das Landeswirtschaftsministerium auf unsere Anfrage mit. Rund 99000 seien bisher abgegeben worden. Das ergibt anderthalb Jahre, nachdem die letzten Coronahilfen gezahlt wurden, einen gigantischen Rückstau. Was auch dazu führen wird, dass die Prüfung durch die Bezirksregierungen noch lange dauern wird, die Unternehmer und Solo-Selbstständigen entsprechend auch noch nicht wissen, ob und wie viel sie zurückzahlen müssen.

Genau das sei die Sorge auch vieler Einzelhändler, sagte Björn Musiol, Geschäftsführer des Handelsverbands NRW für das Rheinland, unserer Redaktion. Der Verband begrüße die Fristverlängerung, sie verschaffe den Unternehmen etwas Luft. Doch die Lage bleibe gerade im Handel nicht einfach: Der Pandemie folgten Rekordinflation, Energiepreisexplosion und Kaufzurückhaltung. „Die Ungewissheit, wie viel man von der Corona-Hilfe zurückzahlen muss, kommt zu den vielen anderen Sorgen on top“, so Musiol.

Der Grund für die vielen Verspätungen ist nicht nur, dass unterstützte Betriebe und Soloselbstständige das Unangenehme vor sich hergeschoben haben. Sondern auch, dass die dafür benötigten Steuerberater oder Anwälte gut ausgelastet waren und sind. Wer keine Schlussabrechnung über das Portal ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de bei der Bezirksregierung einreicht, macht es übrigens nur schlimmer: In dem Fall wäre die volle gezahlte Summe zurückzuzahlen.

Prüfprozess soll schneller werden

Entsprechend warnten Berufsverbände und die Union im Bundestag davor, Tausende Betriebe in Existenznöte zu bringen und forderten seit Monaten eine erneute Fristverlängerung bis Ende des Jahres. Die Wirtschaftsministerkonferenz von Bund und Ländern traf sich nun im Herbst – und einigte sich auf Ende September als allerletzte Frist. Damit das in ein paar Monaten nicht wieder Makulatur ist, soll es zudem einfacher werden. Sven Giegold, Wirtschaftsstaatssekretär des Bundes, versprach: „Ab sofort werden wir den Prüfprozess vereinfachen und beschleunigen.“

Dass die Rückforderungen manche überfordern könnten, ist der Politik bewusst. Deshalb gibt es auch die Möglichkeit der Ratenrückzahlung, allerdings zu schlechteren Konditionen. Wer von seiner Bewilligungsbehörde den Schlussbescheid in den Händen hält, hat sechs Monate Zeit, die zu viel gezahlte Summe zu überweisen. Wer das nicht schafft, kann mit der Bewilligungsstelle eine Stundung und Ratenzahlungen für die Dauer von maximal zwei Jahren, in Härtefällen bis zu 36 Monaten vereinbaren.