Wie schlägt sich der Volkswagen ID.Buzz mit elektrischem Antrieb im Kurzurlaub? Unsere Autorin hat das ein Wochenende in Dänemark getestet.
Urlaub an der LadesäuleBesteht der Volkswagen ID.Buzz den Camping-Test? Ein Selbstversuch
Wir sind seit sieben Minuten auf der A1, als der Bus zum ersten Mal mit mir schimpft. Wenn wir so weitermachten, sagt die Stimme aus dem Navi sinngemäß, dann müssten wir auf dem Weg zu unserem Ziel nicht nur einmal laden, sondern zweimal. Es klingt vorwurfsvoll. Schuldbewusst fahre ich wieder auf die rechte Spur und reihe mich mit Tempo 90 hinter den Lkw ein.
Ein Wochenende Campen mit dem ID.Buzz war die Idee. Funktioniert das überhaupt? Wenn es nach VW geht, dann (noch) nicht: Erst 2025 soll der vollelektrische Bulli auch in California-Ausstattung auf den Markt kommen. In der Zwischenzeit aber haben sich schon Hersteller von Busboxen Gedanken gemacht: Für fast alle Arten von Fahrzeugen gibt es entsprechendes Zubehör, mit dem man einen Kombi oder Van zum Camper umrüsten kann. Ein Bett, ein herausziehbarer Herd, eine Kühlbox und Wassertanks, fertig ist der Basis-Campervan. Ich bin mit der BusBox 4 des Herstellers Ququq unterwegs: Sie passt exakt, wiegt allerdings über 60 Kilo und die Ladekante des ID.Buzz ist hoch – unten sind ja die ganzen Batterien verbaut.
Schlafen im Schaufenster
Entsprechend hoch liegt man auch auf dem ausgeklappten Bett, nämlich exakt auf Fensterniveau. Die sind zwar etwas verdunkelt, aber eben nicht so richtig, sodass man beim Campen ziemlich auf dem Präsentierteller schläft. Wer sich hier drin ohne unfreiwillige Camper-Stripshow umziehen will, braucht irgendeine Art Rollo – oder einen Surfponcho. Der wiederum passt prima zum Bus, der mit seinen optischen Anleihen an den alten T2 und der zweifarbigen Lackierung so cool aussieht, wie es sonst nur Surfer tun.
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Damit ist auch das Ziel für dieses Wochenende klar: Nach „Cold Hawaii“ soll es gehen, dem Surferparadies Klitmøller im Norden von Jütland. Fast 600 Kilometer sind es von Bremen aus dahin, der Bus hat zumindest auf dem Papier eine Reichweite von mehr als 400 Kilometern, mit nur einem Ladestopp also sollte das locker zu schaffen sein. Ist es aber nicht, jedenfalls nicht, wenn man am selben Tag ankommen will.
Ich fahre gerne Auto. Aber nicht so gerne, dass ich mir wünschen würde, die Fahrt möge niemals enden. Doch genau danach sieht es aus an diesem Freitag auf der A1. Es ist das erste Wochenende, an dem alle Bundesländer Ferien haben, immer wieder stockt der Verkehr. Wenn er nicht stockt, gebe ich Gas – und kann dabei zusehen, wie die Ladeanzeige immer schneller in den Keller geht.
Der Bus schlägt schließlich eine Ladesäule bei Flensburg vor. Hier mache ich irgendetwas falsch, das Laden klappt nicht, der Fehler liegt bei mir, wie sich später herausstellt. E.on bucht zweimal 45 Euro von meiner Kreditkarte ab, der Mann an der Hotline versichert, es werde erstattet. Ich aber gebe entnervt auf – und fahre wieder auf die Autobahn, über die dänische Grenze.
In Kliplev soll die nächste Schnellladestation sein, das Navi führt mich in eine dänische Gewerbepark-Einöde, und da stehe ich nun. Das Zahlen per Kreditkarte klappt, ich finde anders als in Ellund den richtigen Stecker, der Strom fließt und mit ihm die Glückshormone: Mein erster erfolgreicher Ladeversuch, so kompliziert ist es gar nicht.
Das Auto im Mittelpunkt
Ein E-Golf kommt angefahren, darin ein Ehepaar aus Wuppertal. Sie sind auf dem Rückweg aus Norwegen und interessiert am ID.Buzz und vor allem dessen Reichweite. „Wir müssen alle 200 Kilometer laden“, sagen sie. Alle 200 Kilometer, und das von Wuppertal bis Norwegen – Urlaub stelle zumindest ich mir anders vor.
Als sie von ihren Ferien berichten, geht es hauptsächlich ums Auto. In den Bergen habe der Golf rekuperiert, sagt die Frau. Ich schaue mitleidig. Das Wort ist mir völlig neu, ich habe keine Ahnung, was das bedeutet. Ich frage mich, ob mein ID.Buzz auch heimlich rekuperiert, und nehme mir vor, das Wort später zu googlen.
Überhaupt nimmt das E-Auto während der Reise einen überdimensionierten Stellenwert ein, wie mir scheint: Ständig überlegt man, wann und wo man am besten laden könnte, wie weit man noch kommt und ob es wirklich eine gute Idee ist, jetzt zu überholen. Über einen Verbrenner denkt man während einer Fahrt erst nach, wenn er irgendwelche komischen Geräusche macht. Hier aber bin ich praktisch nonstop gedanklich beim Auto.
Bin ich es mal nicht, sondern drehe die Musik lauter, schalte den Massagesitz (!) an, genieße, wie der ID.Buzz beschleunigt und wie auf Schienen auf der Straße liegt (denn das tut er) und fahre dann aus Versehen zu schnell – also über 100 –, reißt mich nach wenigen Minuten wieder die vorwurfsvolle Stimme aus meinen Gedanken: Wenn du so weitermachst, müssen wir noch mal laden.
Nach dem Laden ist es 16 Uhr. Klitmøller ist für heute gestrichen, stattdessen fahre ich nach Mommark. Das ist in der entgegengesetzten Richtung, aber nicht weit, und Hafen und Campingplatz sind ein Idyll.
Der Ladestand bestimmt das Ziel
Ich teile mir das Bett mit meiner Reisetasche, denn für die ist sonst nirgendwo Platz. Auf dem Beifahrersitz lagern Kisten mit verschiedenen Ladesteckern und -kabeln, die mir VW mitgegeben hat, im Kofferraum ist die Box mit Gaskartuschenherd und Wassertanks. Alleine geht es prima, wie man hier zu zweit mit Gepäck zurechtkommen soll, ist mir ein Rätsel.
Klitmøller gebe ich als Ziel endgültig auf. Stattdessen will ich mit der Fähre nach Ærø fahren – die Verbindung ab Fynshav wird nämlich von einer E-Fähre bedient, was mir als charmante Ergänzung zum E-Bus erscheint. Ich google die Abfahrtszeiten, aber „Ellen“, die E-Fähre, fährt nicht: Ein Feuer war ausgebrochen, drei von 20 Batteriezellen haben gebrannt, eine seltsame Pointe.
Campingplatz-Betreiber Carsten schlägt die Insel Rømø als Ziel vor: „Das ist nicht so weit.“ So ist das also mit der E-Mobilität, denke ich: Bloß nicht so weit fahren.
Also Rømø. Man kann dort mit dem Auto bis ans Wasser fahren. Ich fahre in die erste Reihe. Bei geöffneter Kofferraumklappe liege ich auf dem Bett mit Blick auf die Nordsee, die Wellen rauschen, es ist windig, die Sonne scheint. Ich schlafe ein. Plötzlich fällt ein Schatten auf mein Gesicht, vor mir steht ein freundlicher Mann aus der Schweiz, er hat Fragen zum ID.Buzz.
Aus dem Halbschlaf beantworte ich, was ich weiß: Der Bus fährt sich super, er ist wendig, leise, nichts klappert. Die Reichweite, ja, gar nicht übel, aber die Ladeinfrastruktur. Campen geht gut mit dieser Box, aber man darf nicht zu viel Gepäck mitnehmen. Am Ende ist er zufrieden und geht zurück zu seinem umgebauten T4, um den ich ihn ein wenig beneide, denn er hat ein Dachbett, eine Markise – und Diesel.
Meine Ladeanzeige im Bus zeigt inzwischen 36 Prozent beziehungsweise 147 Kilometer Reichweite an. Wohin komme ich damit jetzt noch? Der Campingplatz auf Rømø ist mir zu rummelig, ich würde gern nach Vejers Strand. Aber dazu müsste ich noch einmal laden, und auf dem Weg dorthin gibt es keine Schnellladesäulen.
Also Kurs Flensburg. Das Navi schlägt Landstraßen vor, es geht über Tondern nach Süderlügum, mein Ziel ist der Lidl-Parkplatz mit seiner 50-kW-Säule. Dort soll ich die Lidl-App aufs Handy laden, dann ist der Strom billiger.
Ich lade also die App, registriere mich, alles dauert ewig, und als ich am Ende noch mühsam meine Bankverbindung eingeben soll, statt einfach per Paypal zu bezahlen wie in anderen Lade-Apps, die ich inzwischen zahlreich auf meinem Handy habe, gebe ich auf: Ich zahle lieber mehr und spare mir dafür die Tipperei.
Gemächlich fließt der Strom, ich sitze auf dem Kantstein daneben und rauche eine Zigarette. Immerhin, das ist ein Vorteil, man kann beim Tanken rauchen. Eine Stunde geht das so, der Bus ist noch lange nicht bei den 90 Prozent, die man idealerweise laden sollte, aber ich will jetzt weiter.
Trotzreaktion am Steuer
Dann passiert etwas Seltsames: Mit leidlich gefülltem Akku drehe ich anschließend die Musik auf und ballere viel zu schnell über die Landstraße. Es ist eine Art Trotzreaktion. Denn je schneller ich fahre, umso früher muss ich wieder laden. Ich aber habe die Schnauze voll. Von den langen Zwangspausen, dem ewigen Hin- und Herüberlegen, der ganzen Planerei, die am Ende zu nichts führt, denn wenn ich ehrlich bin, bin ich ständig irgendwo gelandet, wo ich gar nicht hinwollte.
Am Abend in Flensburg ahne ich noch nicht, was mir auf der Rückreise bevorsteht. Der Bus hat noch sieben Prozent Reichweite, langsam wird es wirklich eng. Also zur Shell-Tankstelle. Kreditkarte scannen, Stecker wählen, und es passiert: nichts. Viermal geht das so, viermal bucht Shell 30 Euro ab, aber Strom fließt nicht. Anruf bei der Hotline: Ich soll den Bus auf- und wieder zumachen. Nichts. Ich soll weiter weggehen und den Bus auf- und wieder zumachen. Nichts. Der Ladestecker lässt sich nicht vom Bus entfernen. Die Frau an der Hotline fährt die Säule herunter und wieder hoch. Immer noch nichts. Die Verkäuferin in der Tankstelle sagt, ich soll eine Tür auf- und wieder zumachen. Das klappt irrerweise, ich bin frei, aber immer noch stromlos. Und inzwischen bereit, den Bus einfach stehen zu lassen.
An der vierten Ladesäule klappt es schließlich doch noch. Als ich in Bremen ankomme, ist es 20 Uhr. Sieben Stunden und zwei Nervenzusammenbrüche für nicht einmal 300 Kilometer: Wir haben einiges durchgemacht, der ID.Buzz und ich. Ihm kann ich nicht wirklich böse sein, er kann ja auch nichts dafür.
Aber Urlaub? Sieht definitiv anders aus.