Corona-LangzeitfolgenWas über Long Covid bekannt ist und welche Behandlung hilft
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Köln – Corona begleitet uns nun schon bald zwei Jahre. Die meiste Zeit stand die Behandlung der akuten Infektion im Vordergrund. Aber je mehr Menschen die Krankheit überstanden haben, desto mehr muss man sich mit den Langzeitfolgen beschäftigen. Wenn die akute Infektion abgeklungen ist, sich aber noch drei Monate später Symptome zeigen, spricht man vom Long-Covid-Syndrom. Die Bezeichnung wurde mittlerweile in die aktuelle und elfte Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, die ICD 11, aufgenommen (gültig ab Januar 2022). Peter Niemann ist Facharzt für Innere Medizin und hat das Buch „Das Long-Covid-Syndrom überwinden“ geschrieben. Er sagt: „Das Kapitel Covid-19 soll beendet werden, und dazu gehört auch die erfolgreiche Therapie des Long Covid.“ In seinem Buch stellt er den aktuellen Forschungsstand und mögliche Therapien vor.
Wann beginnt Long Covid und wie äußert es sich?
Wann genau Long Covid beginnt, ist momentan noch nicht eindeutig festgelegt. Meist wird eine Corona-Infektion in drei Phasen eingeteilt: die akute erste Phase (etwa vier Wochen), die subakute zweite Phase (Symptome vier bis zwölf Wochen, diese Phase wird Post Covid genannt) und die dritte Phase (Symptome länger als zwölf Wochen, Long Covid). Man geht davon aus, dass bis zu zwei Drittel der Betroffenen länger als vier Wochen Symptome haben. Dazu zählen vor allem Müdigkeit, Darmbeschwerden und Übelkeit, kognitive Störungen, Atemschwierigkeiten, Geschmacks- und Geruchseinschränkungen sowie Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen.
Wer ist besonders von Long Covid betroffen?
Forscher gehen mittlerweile davon aus, dass bis zu 35 Prozent aller Infizierten auch an Long Covid erkranken, wobei der Schweregrad der Erkrankung eine große Rolle zu spielen scheint: Bei den Patienten, die stationär behandelt werden mussten, entwickelte sich in 80 Prozent der Fälle Long Covid. Besonders häufig sind Menschen betroffen, wenn sie zwischen 40 und 60 Jahre alt sind und unter ausgeprägten Symptomen litten.
Dr. med. Peter Niemann: Das Long-Covid-Syndrom überwinden. Klassische und alternative Therapien ausschöpfen und zu neuer Lebenskraft zurückfinden, Trias Verlag, 122 Seiten, 19,99 Euro
Auch Personen mit psychischen Vorerkrankungen, Bluthochdruck, Stoffwechselstörungen oder Übergewicht sind offenbar anfälliger. Während mittlerweile gut erforscht ist, wie es zu einer Corona-Infektion kommt, wird über die Entstehung von Long Covid noch diskutiert: Liegt es an einer anhaltenden Entzündungsreaktion oder viralen Infektion, einer direkten Zellschädigung oder einer mitochondrialen Fehlfunktion?
Welche Behandlungsmöglichkeiten bei Long Covid gibt es?
„Es ist bisher nur sehr wenig bekannt, was bei Long Covid helfen kann. Im besten Fall wird eine auf die Beschwerden ausgerichtete Therapie empfohlen, wobei damit Hustenmittel bei Husten, Schmerzmedikamente bei Schmerzen, Antibiotika bei Verdacht auf Infektionen und die Überweisung an Psychologen bei psychischen Symptomen gemeint sind. Eine allgemeingültige Therapie gibt es bisher noch nicht“, schreibt Niemann.
Es gibt allerdings Krankheiten, die ebenfalls häufig nach viralen Infekten entstehen und die dem Long-Covid-Syndrom ähneln. So sind auch die postvirale Fatigue, das chronische Erschöpfungssyndrom und die myalgische Enzephalomyelitis durch Müdigkeit, kognitive Einschränkungen, psychische Probleme und Muskelschmerzen gekennzeichnet. Oft werden die drei Erkrankungen als ein einziges Krankheitsbild betrachtet und als postvirale Fatigue, zusammengefasst. Niemann glaubt, dass Long Covid wie eine Untergruppe der postviralen Fatigue zu betrachten ist und schlägt daher ähnliche Behandlungsmöglichkeiten für Long Covid vor. Im Folgenden werden einige Beispiele vorgestellt.
Schulmedizin
Auch wenn es derzeit kein explizit auf Long Covid zugeschnittenes Medikament gibt, so wurden doch vor allem aus der Gruppe der Antidepressiva, Kortisonpräparate und Schmerzmedikamente eine Reihe an Mitteln erforscht und versucht, die beim chronischen Erschöpfungssyndrom und zum Teil auch bei Long Covid positive Wirkungen zeigten. Dazu zählen Kortisonpräparate, nicht steroidale Antiphlogistika und Antidepressiva.
Akupunktur
Es ist in China unter Ärzten allgemeines Wissen, wie erfolgreich Akupunktur gerade bei Krankheiten wie dem chronischen Erschöpfungssyndrom wirkt. Mithilfe der Nadeln können bestehende Dysfunktionen aufgelöst und Krankheit verursachende Faktoren ausgeleitet werden, was die Gesundheit maßgeblich unterstützt. Außerdem gibt es einige Beschwerden beim Long Covid, wie beispielsweise Geschmacks- und Geruchsstörungen, die nur sehr begrenzt oder gar nicht auf Medikamente ansprechen, oft aber von einer Akupunkturbehandlung profitieren.
Psychotherapie
Spätestens wenn die Belastung so groß ist, dass Lebensqualität oder Alltagsbelastung eingeschränkt sind, sollte eine psychotherapeutische Behandlung in Erwägung gezogen werden. Denn viele der beim Long-Covid-Syndrom erlebten Beschwerden haben eine psychische Komponente. Dazu gehören Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Depressions- oder Angstgefühle, aber auch die von vielen als sehr ausgeprägt wahrgenommene pathologische Müdigkeit, die Fatigue. Durch die Psychotherapie gewinnen die Patienten eine Form von Kontrolle über die eigenen Beschwerden und die Müdigkeit zurück und bekommen das Gefühl, weder von einem Arzt noch einem Medikament abhängig zu sein.
Nahrungsergänzungsmittel können dabei helfen, das Immunsystem zu unterstützen. Am wichtigsten für Long-Covid-Betroffene sind Proteine wie Kreatin und L-Carnitin, mitochondriale Aktivierungsmittel wie das Coenzym Q10, Antioxidantien wie Resveratrol, Vitamin C, Ingwer und Kurkuma sowie Spurenelemente wie Zink und Magnesium. Außerdem haben sich Probiotika, Vitamin D und Ginseng als wirkungsvoll erwiesen.
Ernährungstipps bei Long Covid
Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Eiweiß und ungesättigten Fettsäuren kann Mangelzustände beheben und der Fatigue entgegenwirken. Dazu zählen neben viel Obst und Gemüse, Biolebensmittel, Honig, grüner Tee und Schokolade mit einem hohen Kakaoanteil und das Vermeiden von chemischen Zusätzen.
Ergänzende Behandlungsformen
Als antientzündliche und stimmungsaufhellende Maßnahmen können auch Waldbaden (den Wald mit allen Sinnen aufnehmen), Sauna, Fasten und Aromatherapie hilfreich sein.