ImmunschutzIst man nach einer Corona-Infektion anfälliger für andere Krankheiten?
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Köln – Gerade ist die Corona-Infektion überstanden, schon ist die nächste Erkältung im Anflug. Kann es denn wahr sein? Wird man jetzt etwa jede Krankheit mitnehmen, die umherschwirrt? Gegen das Coronavirus ist man nach einer überstandenen Infektion gut geschützt. Doch wie sieht es mit anderen Krankheiten aus? Der Virologe Hendrik Streeck und der Facharzt für Innere Medizin, Dr. Peter Niemann, beantworten die Frage, wie es nach einer Corona-Infektion um das Immunsystem bestellt ist.
Stark gegen das Coronavirus, aber allgemein geschwächt
Für Peter Niemann, der gerade ein Buch über das Long-Covid-Syndrom veröffentlich hat, ist die Antwort klar: „Ja, das Immunsystem ist bei vielen Menschen nach einer Corona-Infektion generell geschwächt. Das hat verschiedene Gründe: die anhaltende chronische Entzündung, Autoimmunprozesse oder mitochondriale Dysfunktion." Menschen, die eine Corona-Infektion überstanden haben, gingen daraus zwar mit einer gewissen Immunität gegenüber SARS-CoV2 hervor, blieben aber alles in allem dennoch geschwächt. Deshalb sei es wichtig, so zügig und gut wie möglich zu genesen.
Hendrik Streeck: „Pauschale Antwort ist nicht möglich"
Für den Virologen Hendrik Streeck ist die Sachlage nicht ganz eindeutig. Er sagt: „Ob das Immunsystem nach einer Corona-Infektion stärker oder schwächer ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, da es unter anderem vom Schweregrad der Infektion, potentiellem Long-Covid und anderen Grunderkrankungen abhängen kann. Bei einer milden Corona-Infektion kann es sein, dass das Immunsystem mehr auf 'Hab-Acht!'-Stellung ist und sich seltener Infektionen etablieren können. Es gibt aber auch Berichte, dass es bei Post-Covid oder Long-Covid zu häufigeren Infektionen kommt. Der wichtigste Rat, den man zu Corona derzeit geben kann, ist sich impfen zu lassen und damit das Immunsystem für eine mögliche Infektion mit dem Virus zu trainieren."
Prof. Dr. Hendrik Streeck: Unser Immunsystem. Wie es Bakterien, Viren & Co abwehrt und wie wir es stärken, Piper Verlag, 22 Euro
Dr. med. Peter Niemann: Das Long-Covid-Syndrom überwinden. Klassische und alternative Therapien ausschöpfen und zu neuer Lebenskraft zurückfinden, Trias Verlag, 19,99 Euro
Neue Studie zeigt, Corona-Patienten erhalten häufiger Diagnosen für weitere Krankheiten
Eine Auswertung von Krankenversicherungsdaten von mehr als 150.000 Menschen, bei denen im ersten Halbjahr 2020 eine Corona-Infektion nachgewiesen wurde, zeigt indes, dass Corona-Patienten Monate nach ihrer Infektion häufiger eine Diagnose für bestimmte physische und psychische Symptome und Erkrankungen bekommen als Nicht-Erkrankte, wie das Universitätsklinikum Dresden mitteilte. Nicht nur Erwachsene, auch Kinder und Jugendliche sind demnach potenziell von Post-Covid betroffen. Die Studie ist bisher noch nicht in einem begutachteten Fachjournal veröffentlicht worden.
Bei Kindern und Jugendlichen seien mehr als drei Monate nach der akuten Infektion am häufigsten etwa Unwohlsein und rasche Erschöpfung, Husten, Schmerzen im Hals- und Brustbereich sowie Angststörungen und Depression festgestellt worden, heißt es in der Dresdner Mitteilung. „In Bezug auf alle betrachteten Symptome und Erkrankungen lag die Häufigkeit neu dokumentierter Diagnosen bei Kindern und Jugendlichen mit Covid-19 um etwa 30 Prozent höher als bei Kindern ohne Covid-19-Diagnose." Bei Erwachsenen betrafen die Diagnosen demnach vor allem Geschmacksstörungen, Fieber, Husten und Atembeschwerden. An der Studie waren neben der Dresdner Hochschulmedizin mehrere gesetzliche Krankenkassen und das Robert Koch-Institut beteiligt.
„Dies ist international eine der ersten, großen kontrollierten Kohortenstudien zu Post-Covid. Die umfangreiche Datengrundlage unserer Partner und innovative methodische Verfahren erlauben erstmals auch belastbare Aussagen zu längerfristigen Folgen von Covid-19 bei Kindern und Jugendlichen", erklärte Jochen Schmitt vom Universitätsklinikum Dresden. Um die Zusammenhänge zwischen Covid-19 und den Erkrankungen zu verstehen, sei aber weitere Forschung notwendig. (mit dpa)