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Freundschaftsexperte„Eine Freundschaft kann genauso wichtig sein wie eine Partnerschaft“

Lesezeit 3 Minuten
Eine Gruppe Freundinnen hält hinter dem Rücken Händchen.

Für viele Menschen sind Freunde ein festes Band im Leben – oft werden Freundschaften aber heute auch vernachlässigt.

Freundschaften sind im Leben vieler unersetzlich – und fallen trotzdem dem Alltag zum Opfer. Unser Experte sagt: Rettet die Freundschaft!

Wer schon einmal eine echte Freundschaft erlebt hat, der weiß: Freunde können die Welt bedeuten. Sie sind da, wenn man ganz unten liegt oder unfassbares Glück erlebt. Im besten Falle sind sie Lebensbegleiter bis zum Schluss. „Eine Freundschaft kann genauso wichtig und eng sein wie eine Partnerschaft“, bestätigt Freundschaftsexperte Sebastian Schoepp. Manchmal sogar noch langlebiger. „Im Leben vieler ist Freundschaft das größte Kontinuum.“

Freunde vertrauen einander oft mehr als der Familie

Und das habe auch mit der Natur von Freundschaften zu tun. „Anders als die Liebe, die von Hormonen gesteuert ist oder die Familie, bei der es oft um Verpflichtung geht, ist Freundschaft ganz und gar freiwillig.“ Man müsse nicht füreinander da sein, wolle es aber trotzdem. „Deshalb hat Freundschaft einen hohen Wert und gleichzeitig etwas Leichtes.“


Für unseren Themenschwerpunkt haben wir fünf Menschen in und aus Köln getroffen, die selbst eine lange Freundschaft pflegen. Sie haben uns erzählt, wie sie sich kennengelernt haben, was sie miteinander verbindet und wie sie heute Kontakt halten. Lesen Sie ihre Geschichten hier:


Häufig vertrauten Freunde einander mehr als Familienmitgliedern. Manche bildeten auch Wahlfamilien mit Versorgungsaufgaben. „Ich habe mit zwei Freunden sogar Patientenvollmachten für den Krankenfall“, sagt Schoepp. Freundschaft könne die Familie zwar nicht unbedingt ersetzen, „aber sie kann eine riesige soziale Funktion erfüllen, wenn jemand keine Familie hat.“

Autor Sebastian Schoepp

Sebastian Schoepp ist Journalist, Buchautor und Moderator.

Wenn Freundschaften vernachlässigt werden, kann das einsam machen

Was Freunde füreinander leisteten, sei auf vielen Ebenen bedeutsam. „Freundschaft ist die heimliche Stütze der Gesellschaft“, betont Schoepp. Anders als in früheren Epochen finde sie jedoch heute viel zu wenig Beachtung. „Weil sie nicht dem materiellen Nützlichkeitsgedanken unterliegt, also weder zur Fortpflanzung noch zum Lebensunterhalt beiträgt, glaubt man, Freundschaft sei eine unbedeutende Nebensache.“ Viele ließen Freundschaften schleifen und im vollen Alltag hinten herunterfallen. „Man kann sagen, die Freundschaft befindet sich in einer echten Krise.“

Wenn Menschen Freundschaften aber nicht pflegten, könne das Folgen haben. „Erst in Krisen, nach einer Trennung oder einem Todesfall, merken sie dann, dass sie keinen Freund haben, der sie auffängt.“ Schlimmstenfalls könne das zu Vereinsamung führen. „Doch es ist nie zu spät, neue Freunde zu finden oder alte zu reaktivieren“, sagt Sebastian Schoepp, „alles eine Frage der Priorität.“

Projekt „Vreunde“: Wie Freunde über Distanz verbunden bleiben können

Wie man guten Freunden mit neuen Kommunikationsformen helfen kann, sich auch über Distanz verbunden zu fühlen, das wird gerade im Projekt „Vreunde“ an der TH Köln in Gummersbach erforscht. „Physische Nähe ist heute nicht unbedingt notwendig, um eine Freundschaft aufrechtzuerhalten“, sagt Projektmitarbeiterin Sabine Huschke, „deshalb schauen wir, wie man das Gefühl von Verbundenheit im digitalen Raum erzeugen kann.“

Sabine Huschke

Sabine Huschke ist Doktorandin am „Cologne Institute for Digital Ecosystems“ an der TH Köln/Campus Gummersbach und Teil des Forschungsprojekts „Vreunde“.

Man kann sagen, die Freundschaft befindet sich in einer echten Krise
Sebastian Schoepp, Freundschaftsexperte

Schon jetzt könnten digitale Anwendungen durch Signale Auskunft darüber geben, wie sich ein Freund fühle oder dass er an einen denke. „Es gibt zum Beispiel Ringe, die den Herzschlag des anderen übertragen oder ein Kissen, das durch Knuddeln das Kissen eines Freundes in der Ferne vibrieren lässt.“ Auch Freundschaftsrituale könnten in den digitalen Raum verlagert werden, „etwa mit einem Weinglas, das leuchtet, wenn man sich aus der Ferne zuprostet.“ Ihre jüngste Idee sei, einen AR-Spiegel zu entwerfen, über den ein Freund ein dauerhaftes Videofenster in die Wohnung des anderen bekomme. „Welche Technologien Freunden wirklich helfen, das werden wir die nächsten Jahre an Probanden testen.“

Ohne Frage seien neue Kommunikationsformen eine Chance, um heutzutage Freundschaften zu pflegen, sagt Sebastian Schoepp. „Unersetzbar bleibt aber, sich immer wieder auch real zu treffen.“

Buchtipp: Sebastian Schoepp: „Rettet die Freundschaft!“, Westend Verlag, 240 Seiten, 24 Euro