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„Meine Patienten sind Unikate“Kölnerin restauriert Kunst in ihrem Atelier in Kalk

Lesezeit 3 Minuten
Eine Frau mit schwarzer Jacke und grauem Haar steht an einem Tisch. Sie hält einen antiken Kerzenleuchter in den behandschuhten Händen.

Sabine Hermes steht in ihrem Atelier, auf dem Tisch zwei antike Kerzenleuchter, im Hintergrund eine Holz-Skulptur des Heiligen Christophorus und zahlreiche Gemälde.

Sabine Hermes arbeitet seit 30 Jahren als selbstständige Restauratorin. Sie verleiht Gemälden neuen Glanz oder versetzt Altäre in ihren Urzustand.

„Im Schloss Augustusburg in Brühl habe ich im Treppenhaus von Balthasar Neumann die Laterne restauriert. Sie stammt aus dem 18. Jahrhundert und wurde seitdem mehrfach überarbeitet und verändert. Über ein Jahr dauerte die aufwändige Restaurierung: Ich habe die Oberfläche von Verschmutzungen, Korrosion, Übermalungen und Kerzenwachs befreit. Fehlstellen und Ergänzungen retuschiert, bis optisch eine größtmögliche Annäherung an den Originalzustand erreicht wurde“, berichtet Sabine Hermes von einem typischen Auftrag.

Unzählige Madonnen und Heilige waren schon in ihrem Kalker Atelier - mal fehlte die Krone, mal ein Finger, die Fassung blätterte oder war mit den Jahren stark verschmutzt und unansehnlich geworden. „Diese konservatorischen Arbeiten sind besonders wichtig, um die Substanz für die Zukunft zu sichern, vollständige Restaurierungen werden nur noch in Ausnahmefällen gemacht. Die Sparmaßnahmen sind überall zu spüren. Große Aufträge werden vor der Vergabe häufig ausgeschrieben. Die Konzepte und Kostenvoranschläge, die für die Bewerbung eingereicht werden müssen, werden in der Regel nicht bezahlt“, sagt Hermes, die an der TH Köln Restaurierung und Konservierung von Kunst und Kulturgut studiert und anschließend u.a. im Restauratoren-Kollektiv in Amsterdam gearbeitet hat. Zu ihren Spezialgebieten gehört neben der Restaurierung von Skulpturen und Moderner Kunst auch die Konservierung von Gemälden.

Gemälde von Oskar Kokoschka und Ernst-Ludwig Kirchner

In ihrer langen Berufszeit hat Sabine Hermes neben Bildern aus Privatbesitz auch Gemälde u.a. von Oskar Kokoschka, Ernst-Ludwig Kirchner oder dem Kölner Expressionisten Heinrich Hoerle unter ihrer Lupenbrille gehabt. Sie begegnet allen Werken, egal wie wertvoll sie sind, mit dem gleichen Respekt und derselben Sorgfalt, das gehört zum Berufsethos. „Ich versuche immer das Optimum zu erreichen, ich unterscheide nicht, ob das Bild eine Million Euro wert ist oder für den Besitzer nur einen ideellen Wert hat. Es gibt kein Schema F, nach dem ich arbeite, jedes Kunstwerk, das mein Atelier verlässt, bekommt die optimale Restaurierung.“

Eine Frau im dunklen Anzug steht mit dem Rücken zum Betrachter vor einem großformatigen Gemälde von Picasso.

Sabine Hermes protokolliert den Zustand des Picasso im Von der Heydt Museum in Wuppertal.

Als Studentin schrieb sie ihre Diplomarbeit über ein Urkölner Thema: „Die Doppelfiguren Reliquienbüsten in St. Ursula“. In St. Kunibert hat sie an zwei spätgotischen Reliefs aus Eichenholz mit der Darstellung der Kreuzigung und der Grablegung von Meister Tilman gearbeitet, und in der Abtei Marienstatt im Westerwald an dem Marienstatter Retabel. „Dieser Altar wurde um 1360 erstellt und gehört neben dem Claren-Altar im Kölner Dom zu den frühesten Altären in Deutschland. Dass ich den Auftrag bekam, dieses Kunstwerk zu restaurieren, darauf bin ich sehr stolz“, so Hermes, die einen engen Kontakt zur Kölner TH hat und zahlreichen Praktikanten und Praktikantinnen zeigt, worauf es bei diesem Beruf ankommt.

Beruf gleicht dem eines Arztes

Wer Restaurator werden möchte, der brauche neben der Liebe zur Kunst viel Geduld und einen analytischen Verstand, er sollte wissenschaftlich interessiert sowie handwerklich begabt sein, so Hermes. „Den Beruf kann man mit dem einer Ärztin vergleichen. Ähnlich einer Anamnese werden Schäden analysiert und der Zustand erfasst. Hier fehlt ein Arm, da eine Nase, dort ein Bein, etwas ist verschimmelt, übermalt oder vergilbt. Dann kommt die Diagnose und ein Maßnahmenkonzept – die Therapie. Meine Patienten sind Unikate und nicht ersetzbar, es ist meine Leidenschaft, Kunst zu erhalten und einfach großartig, jeden Tag mit Kunst zu tun zu haben.“

In Köln gehören das Museum Schnütgen, Kolumba und das Kölnische Stadtmuseum zu ihren Auftraggebern. Neben der Restaurierung und Konservierung von einzelnen Kunstwerken betreut und begleitet die Kölnerin als Expertin den Auf- und Abbau von großen internationalen Ausstellungen, dabei arbeitet sie unter anderem mit Tony Cragg im Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal und mit dem Von der Heydt-Museum zusammen. Um den Nachwuchs macht sich Sabine Hermes keine Sorgen. Am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft an der Technischen Hochschule in der Kölner Südstadt kann man aktuell einen Bachelor- und Masterabschluss in Konservierung und Restaurierung von Kunst und Kulturgut machen. Und immerhin sind aktuell für diesen Studiengang über 100 Studenten und Studentinnen eingeschrieben.