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Wachsende KritikLauterbach warnt erneut vor verfrühten Öffnungen

Lesezeit 4 Minuten

Unter Beschuss: Karl Lauterbach (Mitte), Nancy Faeser (Inneres) und Marco Buschmann (Justiz).

Berlin – Eine Äußerung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur möglicherweise stark steigenden Zahl an Corona-Toten im Falle einer Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen hat heftige Kritik hervorgerufen. Ethikrats-Mitglied Stephan Rixen sagte dem Portal „ZDFheute.de“, dass „Bedrohungsszenarien ins Blaue hinein Grundrechtsbeschränkungen nicht rechtfertigen“ könnten. Hamburgs CDU-Vorsitzender Christoph Ploß nannte Lauterbach in der „Bild“ einen „Angstminister“.

Der Angegriffene selbst ließ die Vorwürfe zurückweisen. „Die Modellierungen des RKI zeigen deutlich, dass rasant steigende Inzidenzen auch die Zahl der täglich zu beklagenden Todesfälle ansteigen lassen“, erklärte ein Sprecher des Ministers. Dies sei die Grundlage für die Aussage Lauterbachs gewesen.

FDP plädiert für Lockerungen – Virologe Streeck auch

Vor den Beratungen der Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) macht die FDP erneut Druck, Auflagen zurückzunehmen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der „Bild“, die Konferenz am kommenden Mittwoch müsse „die ersten Schritte zurück zu mehr Freiheit einleiten“. Als erstes müsse man dort, wo durchgängig Maske getragen werde, die Zugangsregeln 2G plus, 2G und 3G abschaffen, und zwar im Einzelhandel und in Hotels. Zudem müsse die Kontaktdatenerfassung gestrichen werden. Kontaktbeschränkungen für Geimpfte bei privaten Treffen sollten gelockert werden.

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck plädierte ebenfalls für baldige Lockerungen. „Man muss sich generell die Frage stellen, ob man an den G-Regeln festhalten will“, sagte er dem Nachrichtenportal merkur.de. Die Gesellschaft müsse nun vorsichtig zur Normalität zurückkehren. Da dürfe es aus seiner Sicht keinen Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften mehr geben. (dpa)

Der Minister hatte im ZDF erneut eindringlich vor verfrühten Lockerungen der Corona-Maßnahmen gewarnt. Wenn man – wie etwa Israel – diesen Weg ginge, käme Deutschland auf eine höhere Sterbequote. „Ich mag mir einfach gar nicht vorstellen, dass wir in einer Situation wären, so spät in der Pandemie, wo wir gute Impfungen haben, wo wir dann 400, 500 Tote am Tag hätten“, so Lauterbach.

238 Meldungen am Donnerstag

Am Dienstag hatte das Robert-Koch-Institut 177 Tote gemeldet, am Mittwoch 272 und am Donnerstag 238. Auf Nachfrage wollten Ministerium und RKI keine Angaben dazu machen, auf welchen exakten Daten und Annahmen die Berechnungen des Ministers basieren. In der Pandemie gab es Anfang 2021 schon mehrere Tage mit mehr als 1000 registrierten Toten pro Tag, damals aber bei erst langsam beginnenden Impfungen.

Rechtsexperte und Ethikrats-Mitglied Rixen betonte: „Grundrechtseingriffe müssen sich auf nachvollziehbare Prognosen zur weiteren Entwicklung der Pandemie stützen. Wenn nicht klar ist, wie die Zahl der Menschen, die wahrscheinlich wegen der Lockerungen versterben, zustande gekommen ist, dann ist auch nicht klar, wieso Freiheitsbeschränkungen weiterhin geboten sein sollen.“ Thorsten Lehr, Leiter des Covid-19-Simulators an der Universität des Saarlands, teilte allerdings mit, dass die von Lauterbach genannte Zahl unter bestimmten Bedingungen möglich sei: „Nach unseren Simulationen sind 400 bis 500 Tote pro Tag im Sieben-Tage-Schnitt möglich, falls die Inzidenzen im Peak über 3500 bis 4000 liegen.“ Aktuell liegt die Inzidenz laut RKI bei 1465,4 – Tendenz steigend.

Ungeachtet dessen erwartet Lauterbach beim nächsten Corona-Treffen von Bund und Ländern eine Debatte über Lockerungen. Es sei klar, dass es am kommenden Mittwoch auch darum gehen müsse, sagte der SPD-Politiker am Rande eines EU-Treffens in Grenoble. Zugleich warnte er erneut vor zu schnellem Tempo. „Wir haben nach wie vor steigende Fallzahlen, so wie wir sie noch nie gehabt haben.“ Wenn man so stark lockere, dass die Zahlen deutlich steigen, verlängere man die Pandemie. Dies sei weder gut für die Wirtschaft noch für die Gesundheit.

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Lauterbach betonte, gerade wegen der geringen Impfquote bei den Älteren gelte in Deutschland: „Höhere Inzidenz – und es sterben mehr Menschen.“ Es sei Wunschdenken zu glauben, man könnte die Inzidenzen steigen lassen, ohne dass es zusätzliche Tote gebe. „Dafür haben wir einfach nicht die Impfquote.“

Welche Lockerungen er selbst für möglich hält, wollte Lauterbach nicht sagen. „Ich finde es ja immer betrüblich, wenn man öffentlich über solche Maßnahmen diskutiert“, sagte der Minister. Dazu gebe es entsprechende Gremien. Bislang hatte er Lockerungen „deutlich vor Ostern“ in Aussicht gestellt. (afp/dpa)