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Vizekanzler DeutschlandsDarum ist Merkel-Vize eine undankbare Aufgabe

Lesezeit 3 Minuten
Merlkel und Lindner

Christian Lindner könnte der neue Vizekanzler hinter Angela Merkel werden.

Berlin – Den Posten gibt es gar nicht und doch ist es ein vertrauter Titel: Vizekanzler. Der Begriff hat sich irgendwann eingebürgert und gefällt den Amtsinhabern, weil er mächtig klingt. Er hat nur kaum etwas zu bedeuten. Im Grundgesetz steht lediglich der Satz: "Der Bundeskanzler ernennt einen Bundesminister zu einem Stellvertreter."

Seit zwölf Jahren ernennt in diesem Fall die Bundeskanzlerin einen Vertreter, dem sie sehr selten die Wahrnehmung der Amtsgeschäfte überlässt. Am ehesten noch ein-, zweimal im Sommer, wenn sie während ihres Urlaubs in Südtirol die Kabinettsitzung in Berlin nicht leiten kann. Krank ist Angela Merkel so gut wie nie. Die Richtlinienkompetenz, die ihr nach dem Grundgesetz zukommt, würde sie nie dem Vize überlassen, nur weil sie mal nicht da ist.

Vizekanzler sein macht es eher schlechter

Es gibt aber viele Geschichten, die sich um Merkels Vizekanzler ranken - fünf Männer, die unter ihr die Chancen für ihre eigenen Parteien bei Bundestagswahlen nicht verbessern konnten. Ganz im Gegenteil: 2009 flog die SPD aus der Regierung, 2013 die FDP aus dem Bundestag, und 2017 stürzte die SPD auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis von 20,5 Prozent.

Von allen Vizekanzlern hatte Merkel anfangs zu Franz Müntefering das beste Verhältnis. Er trat 2007 zurück, um sich mehr um seine unheilbar an Krebs erkrankte Frau zu kümmern. Als Vizekanzler folgte Franz-Walter Steinmeier, zu dem Merkel ein professionelles, aber kein enges Verhältnis entwickelte. 2009 kam die FDP an die Regierung und mit ihr als Vizekanzler Guido Westerwelle. Merkel mochte ihn trotz manchen Disputs sehr. Sie hielt ihn für streitbar, empfindsam, verlässlich und treu. Zu Westerwelles Nachfolger Philipp Rösler hatte Merkel von allen das schlechteste Verhältnis. Weder empfand sie ihn als verlässlich noch als kompetent. Am längsten von allen hat der jetzt scheidende Außenminister Sigmar Gabriel als Vizekanzler durchgehalten. Vier Jahre. Merkel hält ihn für den absoluten Politprofi der SPD. Sie mag es aber nicht, dass er Vertrauliches ausplaudert.

Noch ist Posten offen

Alles in allem ist es also keine große Verheißung, Merkels sechster Vizekanzler zu werden. Noch ist ohnehin offen, ob es eine Koalition aus Union, FDP und Grünen geben wird, und die Parteien wollen öffentlich nicht über Ministerposten spekulieren, ohne dass die Inhalte geklärt sind. Inoffiziell wird das trotzdem nach Herzenslust getan. So gilt es als ausgemacht, dass die FDP als stärkste der kleinen Partner den Vizekanzler stellen wird. Und dafür fallen immer wieder diese Namen: Parteichef Christian Lindner, Vizechef Wolfgang Kubicki und der Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff.

Dass sich Kubicki zum Bundestagsvizepräsidenten wählen ließ, ein Amt das seinem aufbrausenden Charakter eher fernliegt, hat kaum jemand verstanden. Es heißt, er könne diesen Posten schnell wieder aufgeben. Das wäre ein Wankelmut, der bei Merkel keinen vertrauensvollen Eindruck hinterlässt. Vertrauen ist ihre wertvollste Währung, weshalb sie auch Lindner erst einmal mit Vorsicht genießt. Hat er in den Sondierungen doch nicht nur über ihre Nachfolge, sondern auch über Neuwahlen sinniert und sich manches Mal als sprunghaft erwiesen. Der Bonner Lambsdorff wäre ihr vom Naturell vermutlich am liebsten. Er strahlt Seriosität aus und schiebt sich nicht so sehr in den Vordergrund. Allen wäre aber klar, dass sie aufpassen müssen, nicht das Schicksal ihrer Vorgänger zu erleiden.