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US-WahlMacht Trumps Rücksichtslosigkeit die USA wieder groß, Herr Jäger?

Lesezeit 7 Minuten
06.11.2024, USA, West Palm Beach: Der republikanische Präsidentschaftskandidat, der ehemalige US-Präsident Donald Trump, begrüßt den republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten, Senator J.D. Vance, R-Ohio, bei einer Wahlparty während der US-Wahlen im Palm Beach Convention Center. Foto: Evan Vucci/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Republikanische Wahlparty: Donald Trump und Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance am frühen Mittwochmorgen im Palm Beach Convention Center.

Im US-Wahlkampf deutet alles auf einen deutlichen Sieg von Donald Trump hin. Was sind die Folgen? Fragen an den Kölner Politikwissenschaftler Prof. Thomas Jäger

Im Vorfeld der US-Wahlen war immer von einem knappen Rennen die Rede, jetzt sieht es nach einem republikanischen Sieg auf ganzer Linie auf – bei der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten, aber auch im Senat. Wie können sich Demoskopen so verschätzen?

Die Umfrageinstitute haben sich ja nun schon zum dritten Mal getäuscht. Nach 2016 und 2020, wo sie ja beide Male schon Trump unterschätzt hatten, haben sie das jetzt erneut gemacht. Sie haben ihre Rohergebnisse also nicht ausreichend nachgewichtet, und deshalb jetzt die große Überraschung. Man dachte zum Beispiel, dass etwa die Wählergruppe der Frauen weit stärker für Harris votieren würde, als es jetzt offensichtlich passiert ist. Trump hat auch seine Stimmen bei afroamerikanischen, hispanischen Männern deutlich erhöhen können. Das hat zu diesem Ergebnis geführt.

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Sie haben die Wechselstimmung, die in den USA vorhanden ist, nicht drehen können. Entscheidend war, dass zwei Drittel der US-Amerikaner sagten, das Land bewege sich in die falsche Richtung. Und dass sie Trump eine höhere Wirtschaftskompetenz zugetraut haben. Das haben die Demokraten nicht wirklich entkräften können. Sie haben stattdessen auf die Gefahren für die Demokratie verwiesen, die eine Trump-Präsidentschaft bedeute. Aber das hat die Mehrheit der Wähler am Ende nicht interessiert.

Skepsis gegenüber dem politischen System

Wie kann es sein, dass so etwas in einem Land mit einem Vierteljahrtausend demokratischer Tradition einfach nicht interessiert? Dass die Wähler Bedenken gegen einen Mann hintanstellen, der sogar mit Gewalt gegen politische Gegner droht?

Es gibt in den USA eine generelle Skepsis gegenüber dem politischen System. Die Amerikaner halten von Regierung und Parlament nicht viel. Donald Trump ist es zudem gelungen, das Narrativ zu verbreiten, die USA seien dabei, völlig abzustürzen, und er sei der derjenige, der mit harter Hand die Richtung ändern müsse. Er hat das ja ganz offen kundgetan, indem er den chinesischen Präsidenten Xi als brillant bezeichnete, weil der mit eiserner Faust regiere. Genau so hat er es auch gemeint.

Trump nennt politische Gegner Feinde des Volkes, er wollte sogar eine kritische Parteifreundin vor Gewehrläufe stellen. Wie ernst meint er das? Was wird er davon realisieren?

Er wird alles realisieren, was er kann. Die Republikaner haben jetzt die Mehrheit im Senat, im Repräsentantenhaus behalten sie sie möglicherweise auch. Trump wird alles tun, was unterhalb der Verfassungsänderung möglich ist, um die Gewaltenteilung zugunsten des Präsidenten zu verschieben. Trump hat in der Partei niemanden mehr, der ihm entgegensteht. Also: All das, was er angekündigt hat, wird er versuchen.

Professionalität wird nicht mehr zählen

Dabei wird es vermutlich auch einen radikalen personellen Austausch in den führenden Beamten- und Offiziersrängen geben, oder?

Ja, das ist ein zentraler Punkt seiner sogenannten imperialen Präsidentschaft, dass die Leiter von Bundesbehörden und die oberen Ränge in der Verwaltung in Loyalität zum Präsidenten stehen sollen. Nicht nur 5000 Leute wie bisher, sondern zehnmal so viele. Wir wissen aus seiner ersten Amtszeit, dass er seinen Beratern gegenüber dieses Konzept immer wieder vertreten hat: Ihr seid meine Berater, hat er ihnen gesagt, er seid sozusagen auf mich vereidigt. Die Antwort war dann, nein, wir sind auf die Verfassung vereidigt. An diesem Punkt hat Trump einmal gesagt, er brauche so etwas wie Hitlers Generäle.

Nun könnte man hoffen: Auch wenn Trump neue Leute holt, muss er Profis mit militärischer, diplomatischer oder ökonomischer Ausbildung holen. Also Leute, die zum Beispiel wissen, dass ein russisch-iranisch-nordkoreanisches Bündnis nicht nur für die Europäer ein Problem ist, sondern auch für die USA.

Muss er nicht. Das wird nicht mehr sein Maßstab sein. Professionalität war sein Maßstab in der ersten Amtszeit, als er versucht hat, Menschen zu finden, die eben genau diese Expertise haben, von der Sie sprachen. Dann hat er festgestellt: Diese Leute nutzen ihre Expertise, um das, was er, der Präsident, vorhat, zu hintertreiben. Und das wird er jetzt anders machen. Er wird Leute suchen, die das, was er will, umsetzen. Das ist sein einziger Maßstab. Der Maßstab ist nicht mehr Kompetenz, sondern Wille. Das wird diese Präsidentschaft völlig von der ersten unterscheiden. Es wird jetzt genau darum gehen, Trumps Willen umzusetzen. Dafür sucht er Leute. Er sucht nicht jemanden, der sich auskennt.

Trump will Verbündete zahlen lassen

Hat die Bundesregierung sich auf einen Sieg Trumps ausreichend vorbereitet?

Die Bundesregierung hat sich überhaupt nicht darauf vorbereitet. Das gilt nicht nur für diese Regierung, sondern auch für die Regierungen davor. 2017 sagte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel ja den berühmten Satz: Man kann sich auf die Verbündeten nicht mehr völlig verlassen. Spätestens da hätte man das Ruder herumreißen müssen. Das hat man nicht getan. Wir sind gerade, was Fragen von Sicherheit angeht, immer noch völlig von den Vereinigten Staaten abhängig. Trump will die Verbündeten zahlen lassen, und er wird das auch auf wirtschaftlichem Gebiet tun, indem er Zollschranken errichtet. Er hat gegenüber den Verbündeten den militärischen Hebel, und er kann ihnen sagen, dass sie von der US-Wirtschaftsleistung abhängig sind. Diese Hebel wird er nutzen.

Aber es gibt ja hier zu Lande Leute, die wie Sahra Wagenknecht oder wie Altkanzler Gerhard Schröder, die Trump gerade in punkto Sicherheitspolitik loben.

Das tun vor allem diejenigen, die wünschen, dass Russland in der Ukraine erfolgreich ist. Das ist ja ein wichtiges Thema, weil Trump gesagt hat, hier wird er die Unterstützung zurückfahren. Und diejenigen, die hier die russische Position unterstützen, die freuen sich natürlich jetzt, dass der nächste Präsident wird.

Freuen sie sich zu Recht? Ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mit diesem Wahlergebnis entschieden – zum Nachteil der Ukraine?

Das kommt darauf an, wie damit jetzt umgegangen wird. Denn auf der einen Seite hat Trump gesagt, er wird das schnell beenden. Das wird er nicht können, aber er wird auch nicht als irgendwie schwach dastehen wollen. Sein Ego verbietet ihm, das auszuhalten. Er hat also unterschiedliche Motive. Auf der einen Seite will er die Unterstützung einstellen, auf der anderen Seite stark dastehen. Wir werden wahrscheinlich sehen, dass er das Gespräch mit Putin sucht, das verändert die Sachlage ganz deutlich.

Könnte eine solche Gesprächsaufnahme denn nicht auch positive Folgen haben?

Ja. Positiv für Russland.

Was bedeutet Trumps Kurs für die Nato? Allein die Rhetorik, mit der er die Unterstützung der Verbündeten in Frage stellt – was macht das mit der Glaubwürdigkeit des Bündnisses?

Die Nato hat ja schon mal vier Jahre ausgehalten. Und immer wieder wurde damals im Weißen Haus gesagt: Wir müssen die Nato verlassen. Trump hat dieses Thema ja nicht nur einmal auf den Tisch gebracht. Jetzt haben wir die Lage, dass die Europäer bisher nicht reagiert haben und das nun im Blitztempo tun müssen, wenn sie die Nato in irgendeiner Art und Weise auch für die Amerikaner interessant halten wollen. Von der Nato bleibt ja nur noch eine Hülle, wenn sich die Amerikaner zurückziehen. Und das weiß man in Washington. Und die Kräfte, die hier während der ersten Amtszeit den Präsidenten zurückhielten, die werden nicht mehr in seiner Umgebung sein.

Sind wir in Deutschland politisch so aufgestellt, dass wir auf diese Herausforderung angemessen reagieren könne? Ich denke da mal an die aktuellen Diskussionen über den Wehretat.

Wir sind in keiner Weise ausreichend aufgestellt, und wenn wir das nicht schnell ändern, dann wird auch die EU unter einen Druck geraten, den sie nicht aushält. Denn dann werden die unterschiedlichen Regierungen anfangen, nach nationalen Wegen zu suchen. Die Polen werden ihren nationalen Weg in Richtung USA suchen. Auch die Ungarn werden ihren nationalen Weg Richtung USA suchen und zugleich nach Moskau. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sieht sich ja als Trumps Statthalter in Europa. Das ist genau die Richtung, in die die EU jetzt gedrängt werden soll. Und Deutschland sucht dann wahrscheinlich den Weg nach Moskau.

Trumps Slogan lautet: Make America great again. Wird er das wenigstens schaffen? Also das Versprechen einlösen, bei absoluter Rücksichtslosigkeit nach außen werde das eigene Land stärker?

Wenn er die Wirtschaftspolitik macht, die er jetzt angekündigt hat, nämlich Zölle erhöhen und Steuern senken, bis hin zur Abschaffung von Unternehmenssteuern, dann wird das erst mal ein Strohfeuer geben. Aber mittelfristig schadet sein Weg den Vereinigten Staaten, weil sie eines ihrer wichtigsten Assets verlieren, nämlich, dass sie anders als China über viele Verbündete verfügen. Dabei geht es ja nicht nur um Europa. Auch die Staaten im Pazifik werden jetzt sich neu sortieren. Man wird auch in Indien jetzt wieder neu überlegen, wie man sich aufstellt. Die Entscheidung in den USA das hat weltweite Auswirkungen, die man erst in den nächsten Monaten ganz absehen können wird.

Prof. Thomas Jäger, Politologe, Köln

Prof. Thomas Jäger lehrt Internationale Politik an der Universität zu Köln.