Wohl selten hat ein Diplomat so polarisiert wie der ukrainische Botschafter in Berlin. Schon seit dem Aufmarsch russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine und erst recht nach deren Einmarsch in das Land treibt Andrij Melnyk die Bundesregierung vor sich her. Er fordert mehr und schwerere Waffen für sein Land, ein Embargo für russisches Gas und eine von der Nato kontrollierte Flugverbotszone. Ist eine Forderung erfüllt, legt Melnyk mit einer neuen nach.
Zudem wird er nicht müde, die in seinen Augen naive Haltung von deutschen Politikern und anderen Personen des öffentlichen Lebens gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin anzuprangern.
Das Eingeständnis von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, er habe sich als Kanzleramtschef und Außenminister mit Blick auf Russland verschätzt, kam nicht von ungefähr. Melnyk war das Staatsoberhaupt öffentlich massiv angegangen und hatte ihm eine bedenkliche politische Nähe zu Russland attestiert.
„Für Steinmeier war und bleibt das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht. Auch der Angriffskrieg spielt da keine große Rolle“, hatte Melnyk kritisiert. Deutschlands auf Verständigung ausgelegte Russlandpolitik der vergangenen Jahrzehnte sei eine „Katastrophe“.
Wer ist dieser Andrij Melnyk, der unlängst „alle Russen“ als „unsere Feinde“ bezeichnet hat? Der heute 46-Jährige wuchs in einem Akademikerhaushalt im westukrainischen Lwiw auf. Dort erlebte er als Kind die letzten Jahre der Sowjetunion. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs studierte Melnyk an der Universität Lwiw Rechtswissenschaften. Er spricht fließend Deutsch und Englisch.
Ukrainischer Botschafter übt Kritik an Lambrecht und Kretschmer
Zu den Stationen seiner diplomatischen Laufbahn zählen das ukrainische Konsulat in Hamburg und die Botschaft in Wien. Zwischenzeitlich war er in seiner Heimat als stellvertretender Minister für die europäische Integration der Ukraine tätig. Seit Dezember 2014 ist Melnyk Botschafter der Ukraine in Deutschland, dem Twitter jetzt in Kriegszeiten als wichtiger Kommunikationskanal gilt.
Soeben erst hat auch die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) Melnyks scharfes rhetorisches Schwert zu spüren bekommen, indem er sie indirekt der Lüge bezichtigte. Lambrecht hatte am Mittwoch im Bundestag gesagt, die Bundesregierung spreche nicht öffentlich über „Art und Anzahl der gelieferten Waffen“ für die Ukraine, weil die Ukraine „ausdrücklich“ um Vertraulichkeit gebeten habe. Dem hielt Melnyk in der ARD entgegen: „Das stimmt nicht.“
Und am Donnerstagabend wandte er sich an Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Kretschmer wolle keine Panzer an die Ukraine liefern und ein Gasembargo verhindern, schrieb Melnyk auf Twitter an den CDU-Politiker gerichtet. „Sondern weiter mit Ihrem Kumpelchen Putin kuscheln. Ihre unverschämte Anbiederung an diesen Kriegsverbrecher bleibt eine ewige Schande.“
Kretschmer hatte zuvor bei einer Veranstaltung des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ davor gewarnt, dass Deutschland nicht zu einer Kriegspartei werden dürfe. Angesichts des Krieges könne man es sich aktuell nicht vorstellen, aber es müsse wieder eine Art der Zusammenarbeit mit Russland geben, fügte er hinzu. „Es muss sein, weil alles andere für uns noch gefährlicher, noch dramatischer sein kann.“
Bei der Diskussionsrunde wurde Kretschmer auf die harsche Kritik des ukrainischen Botschafters an deutschen Politikern angesprochen – noch bevor sich Melnyk an ihn gewandt hatte. Dazu sagte der Ministerpräsident, dass er die Art der Kritik „an vielen Punkten verstörend“ finde.
Melnyks harscher Ton verärgert auch die Bürger
Mit seiner direkten und undiplomatischen Art erinnert Melnyk ein wenig an den einstigen, von US-Präsident Donald Trump nach Deutschland geschickten Botschafter Richard Grenell. Auch der nahm kein Blatt vor den Mund und stieß dabei so manchen deutschen Politiker vor den Kopf. Grenell wurde aber mehr belächelt als gefürchtet.
Nun befindet sich der ukrainische Botschafter freilich in einer ganz anderen Situation als der umstrittene US-Botschafter seinerzeit. Melnyks Land muss sich des russischen Angriffs erwehren. Städte liegen in Schutt und Asche. Tausende Zivilisten sind inzwischen getötet. Millionen Menschen auf der Flucht.
Rechtfertigt das den harschen, bisweilen beleidigenden Ton und die fordernde Art von Botschafter Melnyk? Rechtfertigt das Aussagen, in denen von „deutscher Arroganz und Größenwahn“ die Rede ist, von „Feigheit“ und der Ignoranz, das „Morden von Hunderttausenden einfach in Kauf“ zu nehmen?
Tatsächlich stößt der Botschafter inzwischen nicht mehr nur Politiker vor den Kopf, sondern zunehmend auch immer mehr Bürger. Schon sammeln Kritiker im Internet Stimmen für eine Petition, die eine Ausweisung des Botschafters zum Ziel hat.
Unterschriftensammlung gegen ukrainischen Botschafter gesammelt
„Was einst noch ein mutiges Auftreten eines ukrainischen Botschafters war, ist jetzt zur Hetze gegen die deutsche Politik verkommen“, heißt es bei change.org. Melnyk überspanne den Bogen: „Seine Aussagen erweisen sich als undankbar und haltlos gegenüber der deutschen Bevölkerung. Ferner hätten seine Forderungen zur Folge, dass eine Wirtschaftskrise in unserem Land entsteht oder die Nato sich aktiv am Krieg beteiligt“. Rund 7500 Menschen haben die Petition innerhalb von drei Tagen unterschrieben.
Auf der Website change.org finden sich auch Unterschriftensammlungen, die sich gegen Moskau richten und beispielsweise den Rauswurf Russlands wegen des Krieges aus dem internationalen Finanztransfersystem Swift fordern.
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Zusätzliche Munition lieferte Melnyk seinen Gegnern zuletzt auch mit Aussagen zum rechtsextremen Asow-Regiment in der Ukraine. Man solle aufhören, „das Asow-Regiment zu dämonisieren“; diese „mutigen Kämpfer“ verteidigten „ihre Heimat“, twitterte Melnyk. Dem Linken-Politiker und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi, der ihn dafür kritisierte, riet Melnyk, seine „linke Klappe zu halten“. Auch ein Besuch Melnyks am Grab des Partisanenführers und NS-Kollaborateurs Stepan Bandera in München kam in der Öffentlichkeit 2015 nicht gut an.