Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Wirbel um Ende von US-MilitärhilfeSelenskyj reagiert, Milliardär attackiert Trump und Vance sorgt für neue Empörung

Lesezeit 5 Minuten
US-Vizepräsident J.D. Vance (l.) und US-Präsident Donald Trump stehen gemeinsam auf einer Bühne. (Archivbild)

US-Vizepräsident J.D. Vance (l.) und US-Präsident Donald Trump stehen gemeinsam auf einer Bühne. (Archivbild)

Die USA stoppen ihre Militärhilfen für die Ukraine: In Moskau herrscht daraufhin Freude, in der Ukraine zunächst Trotz und Wut.

Zunächst war das Entsetzen groß – außer in Russland: Nachdem Donald Trump die US-Militärhilfe für die Ukraine nach dem Eklat im Weißen Haus in der letzten Woche vorerst gestoppt hat, herrschte am Dienstagmorgen Freude im Kreml. Sollte es wirklich so kommen, „würden die USA den größten Beitrag zum Frieden leisten, falls sie aufhören, die Ukraine zu sponsern“, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow mit Blick auf Trumps Entscheidung, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestätigt war. In der Ukraine herrschte unterdessen zunächst Entsetzen – und Wut auf Washington.

Wut auf Washington: „Für die Finsternis entschieden“

„Amerika hat sich auf die Seite Russlands, Nordkoreas und des Iran gestellt. Sie haben sich für die Seite der Finsternis entschieden“, sagte ein ukrainischer Scharfschütze am Morgen der Zeitung „Kyiv Independent“. Der britische „Guardian“ zitierte derweil einen anderen Soldaten: „Die Zahl der Toten wird sich verdoppeln“, lautete seine Befürchtung.

Eine Überraschung sei Trumps Entscheidung aber nicht, führte der Kämpfer mit dem Rufzeichen „Tourist“ aus – dass der US-Präsident Kremlchef Wladimir Putin „sehr nahe steht“, habe sich schließlich schon während seiner ersten Amtszeit gezeigt, erklärte der Soldat. „Die Ukraine wird gewinnen, auch ohne amerikanische Hilfe“, fügte er hinzu. „Wir möchten eine neue Allianz mit Europa.“

Wolodymyr Selenskyj bekommt Zuspruch – und reagiert auf Eklat

Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gibt es in der Ukraine unterdessen Unterstützung von Presse und Bevölkerung. Durch den Eklat im Oval Office hätten viele Ukrainer gesehen, dass „unser Präsident Eier hat“, zitierte der „Guardian“ etwa Artem Kolisnitschenko. „Wir können es irgendwie ohne die USA schaffen“, fügte der 28-Jährige auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew an. „Wir haben keine andere Wahl.“

Eklat im Oval Office: US-Vizepräsident J.D. Vance (r.) spricht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (l.) im Beisein von US-Präsident Donald Trump. (Archivbild)

Eklat im Oval Office: US-Vizepräsident J.D. Vance (r.) spricht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (l.) im Beisein von US-Präsident Donald Trump. (Archivbild)

Bei der ukrainischen Presse herrschte unterdessen Einigkeit, dass Selenskyj in eine Falle gelockt und die Entscheidung über ein Ende der Waffenhilfe bereits vor dem Eklat getroffen worden sei. Der ukrainische Präsident reagierte schließlich am Dienstagabend auf Trumps Entscheidung nach dem Disput im Weißen Haus.

Selenskyj: Keine Entschuldigung, aber ein Angebot für Trump

Auf die von Washington geforderte öffentliche Entschuldigung verzichtete der Ukrainer zwar auch bei seiner jüngsten Wortmeldung, machte Trump jedoch ein Angebot – und brachte sein Bedauern über die Streitigkeiten zum Ausdruck. „Unser Treffen verlief nicht wie geplant. Es ist bedauerlich, dass es so gekommen ist“, schrieb Selenskyj auf Englisch auf der Plattform X.

„Es ist Zeit, die Dinge in Ordnung zu bringen“, fügte er an. Er sei bereit, unter Trumps „starker Führung“ daran zu arbeiten, den Krieg schnell zu beenden. Auch das geplante Rohstoffabkommen mit den USA könne „jederzeit und in jedem Format“ unterzeichnet werden, fügte Selenskyj wenige Stunden vor einer mit Spannung erwarteten Rede von Trump vor dem US-Kongress an.

„Bereit, schnell an Beendigung des Krieges zu arbeiten“

Selenskyj bestand zwar weiterhin auf Sicherheitsgarantien für die Ukraine, stellte diese aber nicht mehr als eine zwingende Voraussetzung für erste Schritte hin zu einem Friedensvertrag dar. Vielmehr griff der ukrainische Präsident eine Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf, der einen Teilwaffenstillstand vorgeschlagen hatte.

„Wir sind bereit, schnell an der Beendigung des Krieges zu arbeiten. Die ersten Schritte könnten die Freilassung von Gefangenen und ein Waffenstillstand im Himmel sein – Verbot von Raketen, Langstreckendrohnen, Bomben auf Energie und andere zivile Infrastruktur – sowie ein sofortiger Waffenstillstand auf See, wenn Russland dasselbe tut“, lautete das Angebot des Ukrainers an Trump.

Positive Reaktion aus Washington: „Bessere Tage liegen vor uns“

Der US-Präsident reagierte zunächst nicht auf Selenskyjs Botschaft des Bedauerns. Lindsey Graham, US-Senator und glühender Trump-Unterstützer, schickte jedoch bereits kurz nach Veröffentlichung der Stellungnahme aus Kiew ein positives Signal in Richtung Selenskyj, den er nach dem Disput im Oval Office noch zum Rücktritt aufgefordert hatte. „Bessere Tage liegen vor uns“, lautete Grahams Kommentar auf X – „Thumbs up“-Emoji inklusive.

Aber auch scharfe Kritik an Trumps Vorgehen wurde in den USA laut: „Wenn die ukrainische Armee schwächer wird, weil Trump die Waffenlieferungen einstellt, warum sollte Putin dann aufhören zu kämpfen?“, fragte etwa Michael McFaul, ehemaliger US-Botschafter in Moskau. Putin habe „unmissverständlich klargestellt, dass seine territorialen Annexionsambitionen weit über die Frontlinie hinausgehen“, stellte der Russland-Experte klar.

Entsetzen bei US-Experten über Donald Trump

Die Darstellung, dass US-Regierung und amerikanische Milliardäre sich den Frieden mehr wünschen würden als die Ukrainer, sei eine „Beleidigung“ für das angegriffene Land, hieß es weiter von McFaul. „Alle Ukrainer wollen Frieden“ und säßen dabei nicht „bequem tausende Meilen entfernt“ herum, fügte der ehemalige Top-Diplomat an.

Zuspruch bekam der Ex-Botschafter dann indirekt ausgerechnet von einem Milliardär. „Die USA stehen faktisch auf der Seite Russlands“, schrieb Richard Branson, Besitzer der Virgin Group, auf der Plattform X. „Anstatt ihre Souveränität zu wahren, wird die Ukraine unter Druck gesetzt, einem einseitigen Friedensabkommen ohne echte Garantien zuzustimmen“, führte Branson aus. Europa müsse nun alles dafür tun, die Souveränität der Ukraine zu bewahren und die russische Aggression abzuwehren, forderte der britische Milliardär.

Richard Branson: „USA stehen faktisch auf der Seite Russlands“

Für Ärger in Großbritannien hatten zuvor auch neue Äußerungen von US-Vizepräsident J.D. Vance gesorgt. „Eine bessere Sicherheitsgarantie als 20.000 Soldaten aus irgendeinem Land, das seit 30 oder 40 Jahren keinen Krieg mehr geführt hat“, werde die Ukraine nicht bekommen, hatte Vance in einem Interview erklärt – und damit für Empörung gesorgt.

Bisher haben lediglich Frankreich und Großbritannien die Beteiligung an einer möglichen Friedenstruppe für die Ukraine zugesagt. Beide Länder kämpften an der Seite der USA in Afghanistan, die Briten zudem auch im Irak. 636 britische Soldaten wurden bei diesen Kampfeinsätzen getötet.

„J.D. Vance liegt falsch. Falsch, falsch, falsch“

„J.D. Vance liegt falsch. Falsch, falsch, falsch“, erzürnte Vance mit seinen Worten schließlich sogar den als Trump-Unterstützer bekannten Rechtspopulisten Nigel Farage, Chef von Reform UK. Auch die Presse wurde deutlich: „Vance Schande“ titelte die Boulevardzeitung „The Sun“ zwischenzeitlich auf ihrer Homepage.

Die Empörung sei „absurd unehrlich“ konterte der US-Vizepräsident schließlich bei X. Er habe Großbritannien oder Frankreich gar nicht explizit erwähnt, „obwohl beide Länder in den letzten zwanzig Jahren und darüber hinaus tapfer an der Seite der USA gekämpft haben“, erklärte Vance.

Es gebe „viele Länder“, die freiwillig Unterstützung leisten würden, „obwohl sie weder über die Erfahrung auf dem Schlachtfeld noch über die militärische Ausrüstung verfügen, um etwas Sinnvolles zu tun“, fügte Vance an. Welche Länder damit abseits von Frankreich und Großbritannien gemeint sein könnten, ließ der US-Vizepräsident offen.