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Schwester und Coach im Interview„Die Kölner Krise ist eine Kommunikationskrise"

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Schwester Emmanuela Kohlhaas

  1. Emmanuela Kohlhaas ist Coach und Leiterin des Klosters der Benediktinerinnen in Köln.
  2. Ingo Schmitz sprach mit ihr über die Krise der katholischen Kirche, ihr neues Buch und Wege, aufeinander zu zu gehen.

Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki wird am morgigen Aschermittwoch seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen. Damit spitzt sich die Führungskrise im Bistum erneut zu. In ihrem Buch „Die neue Kunst des Leitens“ beschäftigen sie sich damit, wie solche Krisen zu vermeiden sind. Wie würden Sie die Lage im Erzbistum Köln zurzeit bewerten?

Schwester Emmanuela Kohlhaas: Ich sehe da zwei Ausgangslagen, die beide von Nichtkommunikation geprägt sind. Das trifft vor allem Menschen, die in der Kirche arbeiten und tätig sind. Viele von ihnen sagen mit Blick auf Aschermittwoch: Ich habe keine Idee mehr, wie das gehen soll. Sie erhalten von Oben aber bis jetzt keine Antwort. Auffällig dabei ist, dass die, die kein Problem in der Rückkehr Kardinal Woelkis sehen, mittlerweile fast verstummt sind. Die zweite Nichtkommunikation: Weihbischof Steinhäuser hat kürzlich berichtet, dass er als Apostolischer Administrator mit einem Kontaktverbot zu Woelki belegt wurde. Da muss ich aus professioneller Sicht sagen, das geht überhaupt nicht.

Aber war es nicht sinnvoll, Woelki die Möglichkeit zur Einflussnahme zu nehmen?

Weihbischof Steinhäuser hatte unter anderem den Auftrag, einen Versöhnungsprozess in Gang zu setzen. Das ist ihm nach Unten beeindruckend schnell gelungen. Binnen weniger Wochen war festzustellen, Mauern bröckeln und Menschen öffnen sich. Er hat viele Türen so weit geöffnet, dass es jetzt weiter gehen könnte. Nun kommt der Amtsinhaber zurück, der im Zentrum des Konfliktes steht, in dieser Zeit aber überhaupt nicht mit im Boot war. Als Beraterin sage ich da: Zwischendurch hätten immer wieder Gespräche stattfinden müssen, professionell begleitet, damit es einen gemeinsamen Prozess hätte geben können. Nur so können gegenseitiges Verständnis und Einsicht wachsen. Daran könnte jetzt angedockt werden.

Was müsste denn geschehen, damit es trotz dieses Mangels an Kommunikation ein aufeinander Zugehen geben kann?

Jetzt wäre es an der obersten Leitung, aktiv zu handeln. Ich bin enttäuscht darüber, dass der Papst nicht schon längst gesagt hat: Kommt mal nach Rom, wir setzen uns an einen Tisch. Das ist mehr als überfällig. Auch bräuchte es ein Signal des Papstes an all die Menschen, die unter diesem Konflikt leiden. Damit sie sehen, er sieht unsere Not, er hört uns. Viele Menschen haben das Gefühl, niemand hilft und wir selbst können nichts tun. Das erzeugt Ohnmacht. Wir befinden uns mittlerweile auf einem hohen Level der Eskalation. Ein ganz typisches Signal dafür ist, wenn eigentlich nur noch über den Streit gestritten wird. Hätten wir eine solche Situation in einem Unternehmen, müsste spätestens jetzt eine Mediation beginnen.

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Aber wer könnte denn im Falle der Kirche die Rolle des Mediators übernehmen?

Jedweder professionelle Streitschlichter, der das Vertrauen der Beteiligten hat. Nehmen Sie das Beispiel des Diözesanpastoralrates, dessen jüngste Sitzungen moderiert wurden. Es ist wirklich faszinierend, wie viel da in wenigen Sitzungen verändert wurde, weil jemand da war, der Regeln für die Kommunikation aufzeigen und anwenden konnte. Beim Wiedereinstieg von Kardinal Woelki müsste die Krisenkommunikation jetzt erst einmal auf der obersten Ebene beginnen, also mit Woelki und Steinhäuser. Es bräuchte dazu eine vermittelnde Person, die allparteilich, offen für alle Positionen ist. Dann kann das gelingen, und wir würden wahrscheinlich alle staunen, wie schnell Veränderung dann geht.

Das setzt aber voraus, die Teilnehmer sind grundsätzlich dazu bereit, sich zu bewegen.

Wenn einer der Beteiligten nicht wirklich will, nicht imstande ist, sich zu bewegen, dann ist eine weitere Eskalation programmiert. Und dann hilft tatsächlich nur noch eine Entscheidung von oben. Dann ist der Papst gefragt.

Könnte es denn ein respektvolles Miteinander geben, ohne Bewegung in solchen sehr grundsätzlichen Punkten wie der Frauenordination oder die Gewaltenteilung?

Ich bin davon überzeugt, dass diese Fragen nicht der Kern des Problems sind, denn sie betreffen die ganze Kirche und können nicht in Köln beantwortet werden. Sie sind nicht ursächlich für die Krise im Erzbistum, sie heizen sie nur zusätzlich an. Die Kölner Krise ist zuallererst eine Kommunikationskrise, wie der Papst das ja bereits sehr klar benannt hat, als er Kardinal Woelki in die Auszeit schickte.

Die Menschen leiden unter dieser Krise. Gläubige verstummen oder treten gar aus. Auf der anderen Seite: Was muss dieser Konflikt mit Kardinal Woelki machen. Was macht das mit einem, permanent Ablehnung zu erfahren?

Mir ist wichtig zu sagen, meine Hauptempathie liegt bei den Menschen an der Basis, die mit der Kirche eine spirituelle Heimat verlieren, die nicht mehr vertrauen können. Mich macht es schon wütend, wie die im Regen stehen gelassen werden. Allerdings, wenn ich auf den Menschen Rainer Maria Woelki schaue, frage ich mich auch: Wie hält einer das aus? Wie geht er damit um? Schaut er nicht mehr in die Zeitungen? Guckt er weg, wenn ihm Rote Karten entgegengehalten werden? Dann besteht die Gefahr, dass alles immer weiter erstarrt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn das nicht verletzt. Da bleiben bestimmt Wunden zurück. Denn er hat er ja auch vieles richtig gemacht: Als Erster ein Missbrauchsgutachten dieser Art in Auftrag gegeben, sich für Menschen auf der Flucht eingesetzt. Ich an seiner Stelle hätte wohl schon längst zum Papst gesagt: Ich weiß nicht mehr, wie es weiter gehen soll. Ich stelle das Amt zur Verfügung, entscheide du.