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Rundschau-DebatteWas der Union droht, wenn die Bundestagswahl verloren geht

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Armin Laschet beim Triell

Armin Laschet nach dem zweiten TV Triell 

Berlin – Offiziell äußern will sich aus der Union gerade kaum jemand zu der Frage, was eigentlich passiert mit Deutschlands Dauer-Regierungspartei, wenn sie nach 16 Jahren in der Opposition landen würde. Für die wenigen Tage bis zur Wahl werden die Reihen geschlossen und wird gekämpft. Aber die Nervosität ist mit Händen zu greifen.

Der lange verdrängte Richtungsstreit würde im Fall einer Niederlage sofort wieder aufbrechen. Nach einem Ergebnis von 41,5 Prozent 2013 waren CDU und CSU 2017 auf 32,9 Prozent gefallen. Der Streit über Flüchtlingsobergrenzen zwischen den Schwesterparteien 2018 stand sinnbildlich für die Auseinandersetzung über die künftige Richtung: Auf der einen Seite stehen jene, die im Merkel-Kurs eine Verwässerung konservativer Wirtschafts- und Sozialpolitik sehen, auf der anderen Seite diejenigen, die in der Öffnung eine Modernisierung und Anpassung an die vermeintlich nach links gerückte Mitte der Gesellschaft erkennen und befürworten. Erst Merkels Comeback in der Corona-Pandemie setzte den Auseinandersetzungen um den richtigen Kurs ein vorläufiges Ende.

„Zu wenig Volkspartei“

„Wenn die Wahl verloren geht, werden die Konflikte in der Union noch stärker aufbrechen“, ist Ursula Münch überzeugt. Die Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Politischen Akademie Tutzing geht davon aus, dass die Fragen, wie es die Union künftig mit der AfD halten will, wie und ob überhaupt sie Rechte und Konservative einbinden will, die Partei beschäftigen werden.

Münch ist überzeugt, dass die Union ihr Potenzial als Volkspartei mit breitem Spektrum von linksliberalen bis hin zu rechten Positionen derzeit nicht ausschöpft. Sie sagt: „Die Union wird ihr Heil an der Wahlurne sicherlich nicht mit Maaßens Positionen finden.“ Gleichzeitig sei es aus ihrer Sicht aber „Unfug, sich gegen rechte Positionen abzugrenzen“. „Gegen Rechtsextreme muss sie sich abgrenzen. Aber rechte Positionen muss die Union als konservative Partei natürlich integrieren können“, meint Münch. Sie sieht zwischen AfD und Union noch ein Feld, das die Union für sich gewinnen könne und nicht etwa den Freien Wählern überlassen dürfe.

Aber Kanzlerkandidat Armin Laschet ist aus ihrer Sicht in dieser Frage „unpräzise“. Sie hält eine stärkere Rückbesinnung auf den Charakter der Volkspartei für notwendig. Der Union gehe derzeit die Wählerschaft links der Mitte – viele Frauen, urbanes Publikum – verloren. Merkel habe es über viele Jahre geschafft, diese neuen Wähler zu gewinnen, ohne die Stammwähler der Union in Gänze zu verprellen. Münch hält es für nicht vorhersagbar, wer den nach einer Wahlniederlage aufbrechenden Richtungskampf gewinnen würde.

Neues Ziel: SPD überholen

Absehbar ist, dass die Unionsfraktion auch künftig groß sein dürfte. Denn wegen der zu erwartenden zahlreichen Ausgleichsmandate wird auch der Bundestag groß. Und selbst mit einem Ergebnis von unter 25 Prozent würde die Union voraussichtlich noch mit einer stattlichen – und diversen – Fraktion im Bundestag vertreten sein.

Der Kampfgeist der Unionskandidaten für den Bundestag ist zwar nicht erloschen, aber man freundet sich schon mit dem Gedanken an, dass es kein richtig gutes Ergebnis geben wird. Das Ziel ist jetzt, möglichst nah an die SPD heranzurücken oder sie auf den letzten Metern noch knapp zu überholen. Wenn beides nicht gelingt, ist mancher überzeugt, dass Laschet als Parteivorsitzender keine Zukunft mehr hätte und auch als Fraktionschef nicht infrage käme.

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Die Bundestagsfraktion würde in der Opposition zum neuen Machtzentrum der Partei – und wer ihr vorsteht, wäre der einflussreichste Mann oder die einflussreichste Frau der Union. „Das wird ein Harakiri“, meint ein langjähriger Abgeordneter. Bislang hat den Posten Ralph Brinkhaus inne, der als Mann der Mitte gilt und keinem Lager zugerechnet wird. Er würde, wie man hört, den Posten gerne behalten. Doch im Hintergrund laufen sich andere warm: Friedrich Merz wäre zuzutrauen, dass er Interesse anmeldet und Unterstützer finden könnte. Aber auch Jens Spahn oder Norbert Röttgen könnten ihren Hut mit guten Aussichten in den Ring werfen.

Laschet ist klar, dass seine Tage als Parteichef gezählt sein könnten, wenn er seine Partei in die Opposition führen muss. Als interessanten Randaspekt des TV-Triells vom Sonntag konnte man zur Kenntnis nehmen, dass er eine Regierungsbeteiligung unter Führung der SPD jedenfalls nicht ausschließt. In der Union, vor allem in der CSU, sehen das aber viele sehr skeptisch. Platz zwei wäre aus ihrer Sicht der Auftrag zur personellen und inhaltlichen Neuaufstellung. Richtungsstreit inklusive.