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Rundschau-Debatte des TagesWarum wird das Verfassungsgericht abgesichert?

Lesezeit 4 Minuten
Die Richter des Bundesverfassungsgerichts eröffnen im Dezember eine Verhandlungssitzung in Kalsruhe. Der Bundestags verabschiedete am 19.12.2024 eine Reform des Bundesverfassungsgerichts. (Archivbild)

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts eröffnen im Dezember eine Verhandlungssitzung in Kalsruhe. Der Bundestags verabschiedete am 19.12.2024 eine Reform des Bundesverfassungsgerichts. (Archivbild)

Der Bundestag verabschiedet eine Reform zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Reform.

Das Bundesverfassungsgericht wacht über die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Grundrechte. Damit das Karlsruher Gericht diese Aufgabe auch in Zukunft so erfüllen kann wie in den vergangenen Jahrzehnten, bedarf es einer Reform, meinen Rechtspolitiker von Union, SPD, Grünen, FDP und Linken. Ein entsprechendes Vorhaben hat der Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedet. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Warum kommt diese Reform für das Bundesverfassungsgericht jetzt?

Die AfD ist bei diesem Vorhaben der sprichwörtliche Elefant im Raum. Die Bundespartei wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet. Dass die AfD bei den Landtagswahlen im Osten und in Meinungsumfragen zuletzt zulegen konnte, hat bei Politikerinnen und Politikern anderer Parteien die Sorge vor einem Szenario wachsen lassen, wie es in Ungarn sowie in Polen unter der inzwischen abgewählten Regierung zu beobachten war.

Der Blick in Länder wie diese habe gezeigt, dass auch die stärksten Verfassungsgerichte verwundbar seien, sagt der amtierende Bundesjustizminister Volker Wissing. „Schnell werden sie zur Zielscheibe der Politik, wenn kritische Richter unliebsame Urteile sprechen.“ Deshalb sei ein besserer Schutz für Deutschlands oberste Verfassungshüter dringend geboten.

Eingeschränkte Justiz in Ungarn und Polen: Was war geschehen?

Die nationalkonservative Pis-Regierung, die Polen von 2015 bis 2023 führte, hatte das polnische Justizsystem umgebaut und damit nach Einschätzung von Experten die Gewaltenteilung eingeschränkt.

Unter anderem wurde die Möglichkeit geschaffen, Richter zu kontrollieren und zu sanktionieren. Die neue Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk bemüht sich, die von der Europäischen Union beanstandeten Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. In Ungarn steht Ministerpräsident Viktor Orban unter dem Verdacht, die Unabhängigkeit der Justiz einzuschränken.

„Wir verhindern, dass, wie in Osteuropa geschehen, durch Schaffung neuer Senate oder die Herabsetzung der Altersgrenze neue Verfassungsrichterstellen geschaffen werden, die mit Günstlingen besetzt werden können“, hatte Johannes Fechner von der SPD bei der ersten Beratung zu der geplanten Änderung im Bundestag erklärt. „Weltweit gibt es Angriffe auf Demokratien – Polen, Ungarn, auch Thüringen stehen beispielhaft dafür“, begründet Clara Bünger von der Gruppe Die Linke die Unterstützung für die Reform. „Die Feinde der Demokratie sitzen auch längst auch hier in diesem Parlament.“

Reform in Deutschland: Was soll jetzt im Grundgesetz geändert werden?

Die zwölfjährige Amtszeit der Richter, der Ausschluss einer Wiederwahl sowie die Altersgrenze der Richter von 68 Jahren sollen im Grundgesetz verankert werden. Diese und andere Vorgaben zu Status, Struktur und Arbeitsweise des Gerichts regelt bislang das BVerfG.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht bei der Sitzung des Bundestags mit der Debatte und Abstimmung über ein Gesetz zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht bei der Sitzung des Bundestags mit der Debatte und Abstimmung über ein Gesetz zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts.

Das aber kann mit einfacher Mehrheit geändert werden, anders als das Grundgesetz. Im Grundgesetz verankert werden soll auch die Festlegung auf 16 Richter und zwei Senate. Damit die Arbeitsfähigkeit des Gerichts in keinem Fall gefährdet ist, soll im Grundgesetz künftig außerdem stehen, dass ein Richter seine Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterführt.

Das Gleiche gilt für die Geschäftsordnungsautonomie, also den Grundsatz, dass das BVerfG seine inneren Angelegenheiten selbst regeln darf. Das bedeutet unter anderem, dass die Richter selbst entscheiden können, in welcher Reihenfolge sie Akten bearbeiten. So will man verhindern, dass Politiker bestimmte Entscheidungen des Gerichts hinauszögern können.

Was ist mit der Wahl der 16 Richterinnen und Richter?

Die Hälfte von ihnen wird im Bundestag, die andere Hälfte im Bundesrat gewählt. Das soll grundsätzlich auch so bleiben. Notwendig ist jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Diese Regelung hat bislang garantiert, dass die Parteien meist Juristen vorgeschlagen haben, die als eher gemäßigt gelten.

Um bei möglicherweise veränderten Mehrheitsverhältnissen in der Zukunft zu verhindern, dass es zu einer Sperrminorität kommt, die eine Richterwahl blockieren könnte, haben sich SPD, Union, Grüne und FDP auf einen Ersatzwahlmechanismus geeinigt. Der sieht so aus: Falls absehbar keine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt, kann das Wahlrecht vom Bundestag auf den Bundesrat übergehen und umgekehrt.

Bei den Überlegungen zu diesem Punkt haben die Initiatoren der Reform nicht nur an die AfD gedacht, sondern auch an das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Das BSW begründet seine Ablehnung des Gesetzesvorhabens mit Kritik an diesem Punkt.

Warum wird über zwei Gesetzentwürfe abgestimmt?

In das Grundgesetz soll zu dem neuen Ersatzwahlmechanismus eine Öffnungsklausel eingefügt werden. Auf Basis dieser Klausel soll im Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine entsprechende Änderung eingefügt werden.

Nur der Teil des Vorhabens, der das Grundgesetz betrifft, ist im Bundesrat zustimmungspflichtig. Auch in der Länderkammer ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Es ist damit zu rechnen, dass diese am Freitag zustande kommt.

Wie dringend ist das Vorhaben?

Darüber gibt es geteilte Auffassungen. Der Deutsche Richterbund hat nach der Landtagswahl in Thüringen im September erklärt: „Mit Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse ist es dringender denn je, die Unabhängigkeit der Justiz in Bund und Ländern besser gegen gezielte politische Eingriffe durch illiberale, extremistische Kräfte zu sichern. Mit der Sperrminorität der AfD in Thüringen ist ein erster Dominostein bereits gekippt.“

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU), betonte, er sehe aktuell keinen Grund für „Alarmismus“. Dennoch spreche aus seiner Sicht viel dafür, „dass man das nun auch zügig umsetzt“.

Fechner von der SPD sagte: „Wir sind weit entfernt von einer Staatskrise.“ Reformen seien dennoch notwendig. Auch die Geschäftsordnung des Bundestages müsse möglichst bald angepasst werden, um auch das Parlament künftig „besser gegen Verfassungsfeinde abzusichern“. (dpa)