Organspende-RegelungParlamentarier wollen Widerspruchslösung - was sie für Bürger bedeuten würde

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Eine Frau hält einen Organspendeausweis in der Hand.

Die weite Mehrheit der Deutschen steht Organspenden positiv gegenüber, aber nur ein Bruchteil entscheidet sich aktiv für eine Spende.

Zu wenige Deutsche wollen Organe spenden. Sechs Parlamentarier fordern, dass jeder Volljährige möglicher Spender wird - außer er widerspricht.

Jeder Bürger soll potenzieller Organspender sein: Sechs Bundestagsabgeordnete wollen diesen „Mentalitätswechsel“ in der Transplantationsmedizin. In einem fraktionsübergreifenden Antrag schlagen die Parlamentarier am Montag vor, dass jeder Volljährige nach seinem Tod potenzieller Organspender ist, wenn er nicht ausdrücklich widersprochen hat. Die Gesetzesänderung soll nach Wunsch der Abgeordneten 2025 in Kraft treten. Dann soll es über zwei Jahre eine breite Aufklärungskampagne geben, erst danach solle die Regelung für den Einzelnen greifen.

Die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar begründete die Initiative damit, dass alle bisherigen Gesetzesänderungen nicht zu höheren Spenderzahlen in Deutschland geführt hätten. 2020 hatte der Bundestag eine Widerspruchslösung noch abgelehnt und zugleich eine verstärkte Aufklärung der Bürger durch Bürgerämter, Führerscheinstellen und Krankenkassen gefordert. Zugleich wurde ein Organspenderegister beschlossen, das kürzlich online gegangen ist. Die Spenderzahlen stagnierten auf niedrigem Niveau, die Wartezeiten für Kranke seien enorm, sagte Dittmar. Derzeit gilt in Deutschland eine sogenannte Zustimmungslösung: Nur wer zu Lebzeiten seine Bereitschaft zur Organspende ausdrücklich dokumentiert hat, ist potenzieller Organspender.

Wille des Toten zählt

Aus Sicht der Parlamentarier soll künftig allein der Wille des potenziellen Spenders entscheidend sein. Die Angehörigen erhalten kein Entscheidungsrecht, aber sollen weiterhin befragt werden. Minderjährige können ab 14 Jahren einen Widerspruch erklären, ab 16 Jahren eine Zustimmung. In allen anderen Fällen entscheiden hier die Eltern. Auch die Situation von Menschen, die nicht einwilligungsfähig seien, sei im Antrag differenziert berücksichtigt, so Dittmar. Nicht-Deutsche werden nach 12 Monaten Aufenthalt wie Deutsche behandelt.

Hinter dem Antrag stehen außer der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium Dittmar auch Petra Sitte (Linke), Gitta Connemann (CDU), Armin Grau (Grüne), Christoph Hoffmann (FDP), der noch vor einigen Jahren gegen die Widerspruchslösung war, und Peter Aumer (CSU). Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unterstützt den Antrag.

Die weite Mehrheit der Deutschen stehe der Organspende positiv gegenüber, aber nur ein Bruchteil entscheide sich aktiv für eine Spende, sagte Connemann. Daher seien die Angehörigen oft in der furchtbaren Situation, diese Entscheidung treffen zu müssen. „Das ist eine Belastung, eine Last, die weit über den Tod des Betroffenen hinausgeht“, so Connemann.

Enlastung für Angehörige

Grau ergänzte, dass bei der Zustimmungslösung die Angehörigen sich oft gegen die Spende entschieden. Es gebe aber auch künftig keine Pflicht von Ärzten, eine Organentnahme durchzusetzen, wenn die Angehörigen es nicht wollten. Die Linken-Abgeordnete Sitte appellierte an den Gemeinschaftssinn aller. „Jeder und jede nimmt mit seiner Entscheidung Einfluss auf das Leben anderer“, so Sitte.

Mehrere Bundesländer unter Federführung von Nordrhein-Westfalen hatten Mitte Juni bereits eine Initiative für die Widerspruchslösung in den Bundesrat eingebracht. Deutschland liegt bei der Zahl der Organspenden international auf einem hinteren Platz. Die Zahl der Spenderinnen und Spender stagniert seit Jahren. 2023 standen 8.385 Patientinnen und Patienten auf der Warteliste für ein Organ. Gespendet wurden 2.877 Organe von 965 Personen.

Kritiker der Widerspruchslösung geben zu bedenken, dass ein Stillschweigen nicht als Zustimmung zur Organspende gewertet werden dürfe. Auch die katholische Kirche hatte sich immer wieder gegen die Widerspruchslösung stark gemacht. Eine Organspende müsse ein freiwilliges Zeichen der Nächstenliebe bleiben. (KNA)

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