Vor dem Polizei-Räumungseinsatz wachsen die Spannungen unter den Koalitionspartnern enorm. Ab 10. Januar könnte es rasch gehen, mit der erwarteten Räumung.
Bevorstehender Großeinsatz in NRWWie Lützerath zur Bewährungsprobe für Schwarz-Grün wird
Der bevorstehende Polizei-Großeinsatz zur Räumung des Braunkohle-Protestdorfes Lützerath bei Erkelenz entwickelt sich zur ersten echten Belastungsprobe für die schwarz-grüne Koalition in NRW. Die Mönchengladbacher Grünen-Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger erhob am Dienstag im Deutschlandfunk schwere Vorwürfe gegen Landesinnenminister Herbert Reul (CDU).
„Reul, das muss ich sehr ehrlich sagen, hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht als der Mensch erwiesen, der verantwortungsbewusst mit der Klimakrise umgeht“, sagte Henneberger dem Sender. Deshalb finde sie es eher tragisch, „wenn er versucht, jungen Menschen, die sich weiterhin für Lützerath engagieren, die Legitimität abzusprechen“. Henneberger war vor ihrem Einzug in den Bundestag Sprecherin des Klimabündnisses „Ende Gelände“.
Minister Reul hatte an das Verantwortungsbewusstsein der Klimaaktivisten appelliert und eine friedliche Räumung des Protestcamps am Rand des Tagebaus Garzweiler gefordert. Henneberger wies das zurück: „Ich finde, Vernunft und Verantwortung bedeutet, die Klimakrise ernst zu nehmen.“ Für den sozialen Frieden in der Region sei es wichtig, „wenn diese Räumung nicht stattfindet“.
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Erhebliche Uneinigkeit
Das Interview ist ein erneuter Beleg dafür, dass es innerhalb der NRW-Grünen offenbar erhebliche Uneinigkeit über den Umgang mit Lützerath gibt. Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur hatte Anfang Oktober mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) und RWE-Chef Markus Krebber ausgehandelt, dass der Energiekonzern den Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorzieht. RWE darf im Gegenzug zwei Kohlemeiler in Neurath länger betreiben – und das zum Symbol der Klima-Bewegung gewordene Protestdorf abbaggern.
Anfang Dezember hatte sich Neubaur als NRW-Wirtschaftsministerin zudem demonstrativ an Reuls Seite gestellt. In einem gemeinsamen Brief forderten die beiden Koalitionspartner den Kölner Regierungspräsidenten Thomas Wilk (SPD) explizit auf, Eigentumsrechte von RWE in Lützerath durchzusetzen. Alle Grundstücke und Gebäude des Dorfes gehören inzwischen dem Energiekonzern.
In einem RTL-Interview bekräftigte die Grüne zu Wochenbeginn diese Haltung. Es gehe auch darum, „dass man akzeptiert, dass Eigentum und Besitz geklärt sind. Unter Lützerath der Grund und Boden gehört RWE, und wir brauchen für die Energieversorgungssicherheit die darunter liegende Kohle.“
Bei Aktivisten umstritten
Neubaur hatte noch im Herbst 2021 persönlich in Lützerath für den Erhalt des Dorfes mitdemonstriert – damals war sie aber noch kein Mitglied der schwarz-grünen Landesregierung, sondern Grünen-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl. Deshalb ist sie bei Umweltschutzverbänden hochumstritten.
Das Aktionsbündnis „Lützerath unräumbar“ kündigte am Dienstag an, sich „mit vielfältigen Aktionen des zivilen Ungehorsams“ der drohenden Zerstörung in den Weg zu stellen. Für den 14. Januar haben zahlreiche Initiativen eine Großdemonstration angemeldet.
Ab 10. Januar greift ein offizielles Betretungsverbot für Lützerath, sodass in der Folge rasch mit Räumung, Rodung und Abriss gerechnet wird. Die Arbeiten sollen durch mehrere Tausend Beamte abgesichert werden. Am Dienstag setzte die Polizei ihre Vorbereitungen fort. Ein Sprecher sagte, nach den Rangeleien und Handgemengen vom Vortag habe es diesmal keine Zwischenfälle gegeben. Die Nacht sei sehr ruhig gewesen.