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Nichts KonkretesMinisterin bekommt viel Kritik wegen Bildungsgipfel

Lesezeit 5 Minuten
Man sieht die Ministerin, wie sie an einer Bühne entlangläuft, im Hintergrund klatschendes Publikum.

Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, kommt zum Bildungsgipfel.

Im Koalitionsvertrag vereinbart und nun umgesetzt: Der Bildungsgipfel sei jedoch laut Kritikern nicht mehr als ein Hügel und ohne konkrete Beschlüsse weit entfernt von einer Trendwende.

Fehlende Lehrer, Grundschüler, die nicht richtig lesen und rechnen können, Schulabbrecher, Umwälzungen durch die Digitalisierung – das Bildungssystem steht unter großem Druck. In Berlin haben gestern Bildungspolitiker, Gewerkschafts-, Lehrer- und Schülervertreter sowie Wissenschaftler und Vertreter der Zivilgesellschaft über die Probleme diskutiert. Eingeladen hatte das Bundesbildungsministerium. Das Treffen war eingebettet in eine regelmäßig stattfindende „Bildungsforschungstagung“. Etwa 600 Teilnehmer waren beim „Bildungsgipfel“ dabei. Konkrete Beschlüsse gab es nicht – dafür viel Kritik von außen.

SPD, Grüne und FDP hatten einen solchen Gipfel in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart – mit dem Ziel, „eine neue Kultur in der Bildungszusammenarbeit“ und eine engere Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen anzustoßen, da das System wegen unterschiedlicher Zuständigkeiten sehr schwerfällig ist. Das Bildungsministerium plant nun die Einsetzung einer Taskforce „Team Bildung“ mit Vertretern von Bund, Ländern, Kommunen und Experten für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ebenen. Diese solle sich zeitnah konstituieren, sagte Ministerin Bettina Stark-Watzinger. Offen ist noch die genaue Arbeitsweise und wann mögliche Ergebnisse vorgelegt werden.

Wir brauchen eine Trendwende.
Bettina Stark-Watzinger, Bundesbildungsministerin

Die FDP-Politikerin rief in ihrer Rede die Akteure in der Bildungspolitik zur Zusammenarbeit auf. Viele Probleme seien strukturell. Bund und Länder zeigten mit dem Finger aufeinander. Davon sei noch nie ein Kind klug geworden. „Wir sind jetzt an einem entscheidenden Punkt. Es ist wichtig, dass wir jetzt gemeinsam starten. Wir brauchen eine bildungspolitische Trendwende.“

Schon vorab hatten Kritiker allerdings die Frage aufgeworfen, was die Konferenz ohne konkrete Beschlüsse bringen soll. Kritik gab es auch am Format der Veranstaltung. Es handele sich bestenfalls um einen „Bildungshügel“, hieß es von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Astrid-Sabine Busse (SPD), die Berliner Bildungssenatorin und aktuelle Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), ging nach eigener Aussage „ohne allzu große Erwartungen“ in das Treffen. „In der norddeutschen Tiefebene Berlin ist ja auch schon manch Kleineres ein Gipfel“, sagte sie bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Konferenz.

Für Bildung zuständige Minister aus unionsregierten Ländern hatten abgewinkt und nahmen nicht teil – darunter auch Dorothee Feller (CDU) aus NRW. Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien (CDU) sprach von einer Showveranstaltung. Auch dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht dabei war, wurde kritisiert. Es sei höchste Zeit, dass Scholz und die Regierungschefs der Bundesländer „einen echten Nationalen Bildungsgipfel einberufen“, forderte ein Bündnis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften anlässlich des Treffens.

100-Milliarden-Sondertopf?

Einig sind sich alle, dass das deutsche Bildungssystem in einer Krise steckt. Der Handlungsdruck ist groß, weil sich die aktuellen Probleme im System gegenseitig verstärken: Tests hatten einen Leistungsabfall bei Grundschülern gezeigt und bestätigen immer wieder einen Zusammenhang zwischen „sozioökonomischem Status“ der Familie und Bildungserfolg. Dazu kommen Lernlücken durch eingeschränkten Schulbetrieb in der Corona-Zeit. Mehr Lehrkräfte wären gut, um Defizite abzubauen und zu verhindern, dass daraus später noch mehr Schulabbrecher werden, die dann wiederum als Fachkräfte fehlen. Aber Lehrer bleiben wohl noch auf Jahre knapp, weil mehr Personal in den Ruhestand geht als Nachwuchs nachkommt, bei gleichzeitig steigender Schülerzahl. Lehrkräfte sind zusätzlich gefordert durch mehr als 200000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine. Dazu kommt die Digitalisierung, die auch die Bildung nachhaltig verändern wird. Bei der Frage, wie die Probleme angegangen werden sollen, hört es dann aber schnell mit der Einigkeit auf. Die Vorschläge prasseln durcheinander. Die SPD-Co-Chefin Saskia Esken schlägt einen 100-Milliarden-Euro-Sondertopf für die Bildung vor wie für die Bundeswehr. Ministerin Stark-Watzinger kann sich mehr Prämienmodelle für Lehrkräfte vorstellen, um den Beruf attraktiver zu machen. KMK-Präsidentin Busse plädiert für mehr Geld und Personal in der frühkindlichen Bildung. „Denn da fängt alles an.“ Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, sieht das auch so. Er regt verpflichtende Sprachstandstests in Kitas an, mit entsprechender Förderung von Kindern, die Hilfe brauchen. „Das Problem ist ja, dass, wenn die Kinder in der Schule sind, es eigentlich schon zu spät ist.“

Immer wieder debattiert wird auch eine weitere Föderalismusreform, um die Bildung voranzubringen. Laut Grundgesetz sind die Länder für Bildung und Schulen zuständig. Der Bund darf ihnen nicht reinreden. Deutschland hat darum 16 Bildungssysteme, was ein gemeinsames Vorgehen extrem erschwert. Doch eine Grundgesetzänderung, für die im Bundestag und Bundesrat Zweidrittel-Mehrheiten nötig wären, ist wegen der unterschiedlichen Interessen fast illusorisch. Von Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) kam deshalb auf dem Gipfel dieser Appell: „Ok, wir sitzen vielleicht nicht in einem Rennwagen, wenn's um unser politisches System geht, sondern in einem VW Golf, aber er würde auch fahren, wenn jeder seine Arbeit macht.“ (dpa)


Kommentar: Peinlich für alle Beteiligten

Eines steht fest: Dieser Bildungsgipfel ist für ziemlich viele Beteiligte verdammt peinlich. Für Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die offenbar so schlecht vernetzt ist, dass sie nicht einmal Landesminister zu einem nationalen Gipfel zusammenbringen kann. Und für die Landesminister selbst, die mit dem Finger auf die Ministerin zeigen und nach dem Kanzler rufen.

Ja, es stimmt: Leeres Gerede hilft nicht weiter. Aber ob ein solcher Gipfel zu etwas führt oder nicht, hängt nun mal auch von seinen Teilnehmern ab. Wer gar nicht erst kommt, kann auch nichts gestalten. Es ist heuchlerisch, wenn nun ausgerechnet die Länder so tun, als hätten sie keinen Einfluss auf Veränderungen. Bildung ist schließlich Ländersache.

Stefanie Witte

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Dabei sind die Herausforderungen massiv: Integration, Inklusion, sinkendes Bildungsniveau, Betreuungszeiten, soziale Ungerechtigkeit. Statt an Lösungen konstruktiv mitzuwirken, scheint es für viele Akteure leichter zu sein, Stark-Watzinger zum Problem zu erklären. Aber: Welche Kultusministerin ist bereit, Macht abzugeben, damit die Bundesministerin oder zumindest die Kultusministerkonferenz mehr bewirken kann? Immer mehr Geld wird nichts bringen, wenn kein Kultusminister strukturelle Probleme angeht und sich traut, bei Lehrern, Eltern und Gewerkschaften selbst zum Feindbild erklärt zu werden.