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Neue Corona-Verschärfungen beschlossen

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Berlin – Mit härteren Corona-Auflagen hoffen Bund und Länder den rasanten Anstieg der Infektionszahlen insbesondere in deutschen Risikoregionen einzudämmen. Ihre Beschlüsse nach achtstündigen Beratungen im Kanzleramt stießen zum Teil auf deutliche Kritik.

So zeigte sich der Deutsche Städtetag skeptisch, ob die Maßnahmen ausreichen werden. Daran hatten am Vorabend auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Zweifel geäußert. Sie machten deutlich, dass andernfalls schärfere Maßnahmen folgen würden. Kritisiert wurde auch, dass bei der Konferenz nicht die umstrittenen Beherbergungsverbote für Reisende aus innerdeutschen Risikogebieten gekippt wurden.

Kanzleramtschef Helge Braun ging ebenfalls davon aus, dass die Beschlüsse vom Vortag vermutlich nicht ausreichen werden. „Und deshalb kommt's jetzt auf die Bevölkerung an”, sagte der CDU-Politiker im ARD-„Morgenmagazin”: „Dass wir nicht nur gucken: Was darf ich jetzt? Sondern wir müssen im Grunde genommen alle mehr machen und vorsichtiger sein als das, was die Ministerpräsidenten gestern beschlossen haben.”

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte im Deutschlandfunk mit Blick auf die sprunghaft gestiegenen Infektionszahlen: „Wir haben es selbst in der Hand, diese Entwicklung zu stoppen.” Das Signal des Treffens im Kanzleramt, bei dem unter anderem für Regionen mit hohen Infektionszahlen Kontaktbeschränkungen vereinbart wurden, sei wichtig. Es gebe ein gemeinsames Grundverständnis, das die Menschen nun aber auch unbedingt beibehalten müssten. So werde bereits heute entschieden, ob Weihnachten „in gewohnter Weise stattfinden kann, oder ob wir eine Situation haben werden wie an Ostern, (...) wo wir empfehlen mussten, nicht die Verwandtschaft zu besuchen”, sagte Spahn. „Das würde ich eigentlich gerne vermeiden wollen.”

Das Treffen im Kanzleramt war von der Sorge eines Kontrollverlustes über die Infektionsentwicklung geprägt. Die aktuellen Zahlen geben dieser Sorge neue Nahrung. Die Gesundheitsämter meldeten nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Donnerstagmorgen einen Rekordwert von 6638 Neuinfektionen binnen eines Tages - rund 1500 mehr als am Vortag. Bislang waren Ende März mit knapp 6300 Neuinfizierten die meisten registriert worden. Allerdings sind die jetzigen Werte nicht mit denen aus dem Frühjahr vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet wird und damit auch mehr Infektionen entdeckt werden.

Am Mittwoch hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, die Schwelle für strengere Maßnahmen in deutschen Corona-Hochburgen zu senken. Diese sollen zum Teil bereits ab 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen greifen statt bisher bei 50. So soll dort die Maskenpflicht ausgeweitet werden, die Gästezahl bei privaten Feiern weiter begrenzt und eine Sperrstunde für die Gastronomie eingeführt werden.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner monierte, dass die Beherbergungsverbote nicht abgeschafft wurden. „Damit bleibt ein massiver Eingriff in Grundrechte bestehen. Dabei geht die Gefahr von Massenveranstaltungen ohne Schutzkonzept oder Besäufnissen aus, nicht vom Familienurlaub oder Geschäftsreisen.” Lindner warnte, wer unwirksame Beschneidungen der Freiheit verlängere, gefährde die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen insgesamt. „Die Regierungen balancieren damit auf der Grenze zur Verfassungswidrigkeit.”

Zugleich forderte der FDP-Chef, solche einschneidenden Maßnahmen nicht weiter an den Parlamenten vorbei zu beschließen. „Der Deutsche Bundestag ist in eine Beobachterrolle geraten. In Grundrechte darf aber nur durch das Parlament eingegriffen werden”, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Der Bundestag müsse sein Rechte wieder geltend machen.

Die AfD im Bundestag kritisierte die Beschlüsse von Bund und Ländern als willkürlich und schädlich für die Wirtschaft. „Die Ergebnisse dieses Gipfels bedeuten einen neuerlichen Lockdown auf Raten. Die ohnehin am Boden liegende Wirtschaft wird weiter stranguliert”, sagte die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. „Die beschlossenen Maßnahmen richten nachweislich erheblichen wirtschaftlichen Schaden an, während ihr Nutzen zur Eindämmung der Pandemie nicht nachweisbar ist.”

Der Co-Vorsitzende Alexander Gauland monierte, der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten sei es wieder nicht gelungen, die Kleinstaaterei in der Pandemiebekämpfung zu überwinden und einheitliche Regelungen für ganz Deutschland zu vereinbaren. Wären die Maßnahmen nachweisbar sinnvoll, würden sie flächendeckend umgesetzt. „Der deutschlandweite Flickenteppich an Maßnahmen entlarvt diese als bloßen Aktionismus”, erklärte Gauland.

Der Deutsche Städtetag blickte skeptisch auf die neuen Maßnahmen. Sein Präsident Burkhard Jung (SPD) sagte der dpa: „Es wird jetzt etwas mehr einheitliche Regeln bei steigenden Infektionszahlen geben. Aber ob das reicht und die Menschen besser durchblicken können, was gilt, müssen wir erst noch sehen.”

Kritik kam auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Die schärferen Regeln für Corona-Hotspots können hier nur ein erster Schritt sein. Denn wie die wenigen Beamten der Ordnungsämter das überwachen sollen, bleibt offen”, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der dpa. Auch fehlten „verbindliche Zielvorgaben zur Stabilisierung der Gesundheitsämter oder zum Aufbau kommunaler pflegerisch-medizinischer Unterstützungsgruppen”.

Konkret vereinbarten die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten dies:

MASKENPFLICHT: In Städten und Regionen mit stark steigenden Corona-Zahlen soll die Maskenpflicht erweitert werden. Sie soll ab 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen auch überall da gelten, wo Menschen dichter beziehungsweise länger zusammenkommen.

PRIVATE FEIERN: In Regionen mit einem Wert über 35 Neuinfektionen soll es eine Begrenzung von 25 Teilnehmern im öffentlichen und 15 Teilnehmern im privaten Raum geben. Ab 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen sollen private Feiern auf maximal zehn Teilnehmer im öffentlichen Raum sowie auf höchstens zehn Teilnehmer aus höchstens zwei Hausständen im privaten Raum begrenzt werden.

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Übersteigen die Neuinfektionen den 50er Wert dürfen sich künftig nur noch maximal zehn Personen im öffentlichen Raum treffen. Sollten die neuen Maßnahmen den Anstieg nicht zum Stillstand bringen, wird dies auf bis zu fünf Personen oder die Angehörigen zweier Hausstände verringert.

SPERRSTUNDE: Ebenfalls bei 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen soll eine Sperrstunde um 23.00 Uhr für die Gastronomie verhängt werden. Bars und Clubs sollen geschlossen werden.

VERANSTALTUNGEN: Wird der 50er Wert überschritten, wird die Zahl der Teilnehmer bei Veranstaltungen auf 100 Personen begrenzt. Ausnahmen bedürfen eines mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmten Hygienekonzeptes.

BEHERBERGUNGSVERBOTE: Die Beherbergungsverbote für Urlauber aus innerdeutschen Risikogebieten waren vor den Beratungen am umstrittensten. Bund und Länder fanden auch im Kanzleramt keine Einigung und vertagten das Thema erst einmal bis zum 8. November. Bis dahin soll diese Maßnahme auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

© dpa-infocom, dpa:201015-99-949520/6 (dpa)