Köln – Der Rechtsanwalt Ulrich Wastl hat die Zurückhaltung seines Missbrauchsgutachtens durch den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki scharf kritisiert. „Das ist ein Gewaltangriff“, sagte der Münchner Jurist in einem Interview mit der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“. „Ein derartiges Verhalten haben wir noch nicht erlebt.“
Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl war von Woelki beauftragt worden zu untersuchen, wie Bistumsverantwortliche in der Vergangenheit mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester umgegangen sind. Doch nach Fertigstellung des Gutachtens kündigte Woelki an, es nicht zu veröffentlichen, weil es erhebliche Mängel aufweise.Wastl wies den Vorwurf zurück: „Wir haben nicht gepfuscht.“ Den Widerstand gegen die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt sieht der Anwalt auch in der persönlichen Verstrickung von Verantwortungsträgern der katholischen Kirche begründet. „Der Reflex, die Institution schützen zu wollen, und das Bedürfnis nach Selbstschutz gehen oft Hand in Hand.“
In Aachen lief einiges besser
Für das Bistum Aachen hat Westpfahl Spilker Wastl ein ähnliches Gutachten erstellt und im November problemlos veröffentlicht. Bei den Verantwortlichen in Aachen sei der Wille da gewesen, „die Dinge aufzuarbeiten und das System zu verbessern“, sagte Wastl. Der Aachener Bischof Helmut Dieser habe sich völlig aus der Arbeit der Gutachter herausgehalten. „Er akzeptierte, dass die Verantwortung bei uns liegt.“ Nach seiner Erfahrung sei die katholische Kirche in zwei Lager gespalten, sagte Wastl: „Das eine denkt: Wir müssen den Ruf der Kirche schützen, und dem ist vieles unterzuordnen. Das andere ist überzeugt, dass die einzige Chance der katholischen Kirche darin liegt, reinen Tisch zu machen.“
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Wastl bot erneut an, das Kölner Gutachten auf der Website der Kanzlei zu veröffentlichen und dafür die alleinige Verantwortung zu übernehmen. „Das Erzbistum Köln hätte nach unserer Einschätzung keinerlei Haftungsrisiko.“ Woelki hat dieses Angebot abgelehnt.
In Köln gibt es vorläufig keine Termine mehr für Kirchenaustritte. Bis Ende April ist alles ausgebucht, und die Termine für Mai werden erst am 1. März frei geschaltet, wie ein Sprecher des Amtsgerichts am Mittwoch sagte. Pro Monat gibt es, abhängig von der Zahl der Werktage, rund 1000 Online-Termine für einen Austritt aus der katholischen oder evangelischen Kirche. Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine - der oberste Repräsentant der katholischen Kirche in der Stadt Köln - hatte kürzlich gesagt, er könne derzeit niemandem einen Austritt aus der katholischen Kirche verdenken.