Im Rheinischen Braunkohlerevier stellen sich Protestierende der Räumung des Dorfes Lützerath entgegen. Verschiedenste Gruppen haben sich dem Protest angeschlossen, darunter bürgerliche Bündnisse aber auch Linksextreme. Wer macht mit beim Protest?
Blockaden in LützerathWie friedlich ist der Klimaprotest?
Erst gibt es einen lauten Knall. Dann fliegt eine Glasflasche in Richtung der Polizisten, die klirrend am Boden zerbricht. Ihr folgen Steine. Vermummte beleidigen die Beamten. Szenen wie diese, gab es im Vorfeld der Räumung des Dorfes Lützerath häufiger in den vergangenen Tagen. Polizei und Klimaschützende stehen sich gegenüber. Die Aktivisten wollen mit ihren Aktionen den Abriss des Dorfes im Rheinischen Braunkohlerevier verhindern, damit RWE die darunterliegende Kohle nicht abbaggern und zur Energiegewinnung verfeuern kann.
Die Polizeibeamten wiederum sollen das Dorf räumen, um so den Beschluss der Bundesregierung durchsetzbar zu machen, dass Lützerath dem Kohleabbau weichen muss. Oft sind die Protestierenden vermummt. Ihre Gesichter sind so wenig erkennbar wie eine konkrete Zugehörigkeit zu einer der vielen Gruppen, die sich in Lützerath zum Protest zusammengeschlossen haben. Anfang Januar schickte das Aktionsbündnis „Lützerath unräumbar“ eine Mail mit einer Einladung für eine Pressekonferenz in dem Ort nahe der Stadt Erkelenz. Dazu eingeladen hatten unter anderem die Gruppen: Alle Dörfer bleiben, ausgeco2hlt, Ende Gelände, Extinction Rebellion, Fridays for Future, die Interventionistische Linke, Kohle ersetzen, die Letzte Generation, Scientist Rebellion und Ums Ganze.
Linksextreme nutzen den Klimaprotest als "Scharnier"
Bei genauerer Betrachtung dieser Gruppen zeigt sich ein heterogenes Bild. Einige stammen aus dem bürgerlichen Spektrum oder sind aus einem Zusammenschluss Betroffener des Braunkohleabbaus entstanden. So wie das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“, deren Pressesprecherin Dorothee Häußermann sagt, es sei „ein Bündnis aus Menschen, die von Tagebau und Umsiedlung direkt betroffen sind, solidarischen Menschen aus der Umgebung sowie Aktiven aus der Klimagerechtigkeitsbewegung.“ Für die Gruppe gehe es darum, friedlich und entschlossen gegen den Abriss in Lützerath zu protestieren. "Uns ist es wichtig, dass in der Auseinandersetzung um den Kohleabbau niemand verletzt wird; Aggressionen gegen Menschen lehnen wir ab.“
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Die Gruppe bediene sich einer Palette an verschiedenen Aktionsformen wie etwa Konzerten oder Demonstrationen, aber auch Sitzblockaden. „Mit letzterem stehen wir in der Tradition zivilen Ungehorsams – also der Bürgerrechtsbewegung, der Friedensbewegung und der Anti-Atom-Bewegung.“
Konkret lassen hingegen die Interventionistische Linke und das Bündnis Ums Ganze dem Extremismus zuordnen. So heißt es etwa im bundesweiten Bericht des Verfassungsschutzes vom Jahr 2021, dass sich in Bereichen wie dem Linksextremismus sogenannte „Vernetzungsstrukturen“ etabliert haben. „Wesentliche Akteure sind die „Interventionistische Linke“ (IL) und das kommunistische Bündnis „…ums Ganze!“ (uG).“ Demnach haben beide Gruppen die überregionale Organisierung zum Ziel. Die IL fungiere dabei „als Scharnier zwischen militanten Strukturen und nicht gewaltorientierten Linksextremisten sowie nicht extremistischen Gruppen und Initiativen.“
Ums Ganze schreibt dazu: „Inhaltlich stimmt schon einiges, was der Verfassungsschutz sagt. Wir hassen diese Gesellschaftsordnung, den Staat und insbesondere die Polizei.“ Man strebe eine Gesellschaftsordnung an, „in der alle nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen leben können und keiner mit dem Bagger kommt und einem das Haus wegbaggert.“ Zum Verfassungsschutz heißt es: „Nur Idioten hören auf eine Behörde, die den NSU gedeckt hat.“ Wie das Bündnis zu Gewalt steht? Man setze zwar eher auf Aktionen des zivilen Ungehorsams, lehne Militanz als Mittel zum Protest aber nicht ab und sei solidarisch mit Aktionen, wenn sie das Ziel der Verhinderung der Räumung von Lützerath unterstützen.Die Menschen seien angesichts der Ungerechtigkeit und des Verhaltens der Polizei zu Recht sauer. „Wenn Politik und Polizei der ein oder andere Stein in den Weg gelegt wird, haben wir damit sicher kein Problem.“
Präsident des Verfassungsschutzes warnt vor Ausschreitungen
Christoph Wickhorst vom nordrhein-westfälischen Innenministerium sagt, dass Linksextreme immer wieder versuchen, innerhalb zivildemokratischer Proteste als „Bündnispartner“ aufzutreten und ihre eigenen Deutungen, politischen Ziele und Handlungsoptionen einzubringen. So sei etwa „Ende Gelände“ ein bundesweit aktives Bündnis im Themenfeld Umwelt- bzw. Klimaschutz, an dem sich neben Akteuren aus dem demokratischen Spektrum auch Angehörige des linksextremistischen Spektrums beteiligen. Zu nennen sei hier insbesondere die linksextremistische Interventionistische Linke (IL), die auf ihrer Website selbst ihre tragende Rolle bei der Initiierung des Bündnisses beschreibt: „Mit Ende Gelände haben wir ein unglaublich großes Ding geschaffen.“
Ende Gelände füge sich in die Strategien der IL ein, die darauf zielen, von ihr als „gesellschaftlichen Brüche“ bezeichneten Problemlagen zu vertiefen und demokratischen, legitimen Protest demokratiegefährdend zu radikalisieren, sodass der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz „Ende Gelände“ als ein linksextremistisch beeinflusstes Bündnis einordnet. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hatte zuletzt vor Ausschreitungen bei der geplanten Räumung von Lützerath gewarnt. Friedliche Proteste seien in einer Demokratie legitim, sagte Haldenwang. „Die Protestbewegung in Lützerath ist allerdings sehr heterogen.“
Relevant werde der Protest für den Verfassungsschutz, wenn Linksextremisten versuchten, friedliche demokratische Proteste zu unterwandern und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. „Wir sehen, dass bundesweit auch gewaltbereite Linksextremisten gegen die Räumung mobilisieren und sich vor Ort sammeln.“ Bei den übrigen Gruppen lassen sich bislang hingegen keine Anhaltspunkte für extremistische Tendenzen finden. So hatte Haldenwang etwa im November gesagt, dass Gruppen wie die Letzte Generation, die sich auch in Lützerath am Protest beteiligt, zwar Straftaten ausführe, das mache sie aber noch nicht extremistisch. „Extremistisch ist immer dann, wenn der Staat, die Gesellschaft, die freiheitlich demokratische Grundordnung infrage gestellt wird, und genau das tun die Leute ja eigentlich nicht“, sagte Verfassungsschutz-Präsident Haldenwang dem SWR.
So schreibt auch Extinction Rebellion in einer Email an die Rundschau, bei der Gruppe seien Menschen aus verschiedenen Bereichen, aus ganz Deutschland, aller Altersgruppen und ohne spezielle Parteizugehörigkeit aktiv. Die Gruppe protestiere mit friedlichem zivilen Ungehorsam gegen die Klimakrise. „Gewaltfreiheit ist ein Grundwert unserer Bewegung.“