Die geplante Parteigründung von Sahra Wagenknecht könnte die Linkspartei ins Verderben stürzen. Die SPD wittert derweil ihre Chance.
Wegen Wagenknecht-ParteiLinksfraktion bereitet eigene Abwicklung vor - SPD wirbt für Übertritte
Angesichts der Pläne von Sahra Wagenknecht zur Gründung einer eigenen Partei bereitet sich die Linksfraktion im Bundestag auf ihre Abwicklung vor. Fraktionschef Dietmar Bartsch rechnet damit, dass die Linke durch die Abspaltung den Fraktionsstatus verlieren werde: Dadurch seien die Jobs von mehr als hundert Fraktionsmitarbeitern in Gefahr, sagte Bartsch dem „Tagesspiegel“ vom Samstag. SPD-Chef Lars Klingbeil zeigte sich offen für die Aufnahme von Linken-Mitgliedern: „Unsere Türen stehen offen.“
Wagenknecht will am Montag in Berlin ihren Verein BSW („Bündnis Sahra Wagenknecht“) vorstellen. Mit von der Partie sind laut Ankündigung die bisherige Fraktionschefin Amira Mohamed Ali und der Bundestagsabgeordnete Christian Leye. Aus diesem Verein könnte eine neue Wagenknecht-Partei hervorgehen. Durch die Abspaltung dürfte die Linksfraktion ihren Fraktionsstatus verlieren - und damit Einflussmöglichkeiten und Finanzzuwendungen.
Linksfraktion befürchtet Abwicklung: 108 Menschen droht der Jobverlust
„Ich rechne damit, dass wir den Fraktionsstatus im Januar verlieren werden, wenn die neue Partei real gegründet wird“, sagte Fraktionschef Bartsch dem „Tagesspiegel“. Er verwies darauf, dass 108 Menschen als Fraktionsmitarbeiter angestellt seien. Sie würden ihren Job verlieren, wenn die Linke ihren Fraktionsstatus verliert. Bartsch warf Wagenknecht vor, „lax mit dem Schicksal von mehr als 100 Mitarbeitern“ umzugehen.
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Vize-Fraktionschefin Gesine Lötzsch sagte der Zeitung, sie wolle um den Fortbestand der Fraktion kämpfen. „Mein Wunsch ist jetzt, dass wir so lange wie möglich eine Fraktion bleiben, um 108 Mitarbeiter zu schützen und die politische Arbeit aufrechtzuerhalten“, sagte sie. „Dazu führe ich Gespräche.“ Lötzsch bezeichnete den Weg von Wagenknecht als „sehr bedauerlich“. Sie habe lange versucht, die Abspaltung von Wagenknecht zu verhindern.
Dietmar Bartsch appelliert an seine Fraktion: „Wir müssen unsere Würde wahren“
Bartsch richtete einen Appell an seine Fraktion: „Wir müssen aktuell versuchen, unsere Würde zu wahren, den Fokus auf unsere Arbeit zu richten und auf die Menschen, die uns gewählt haben, nicht auf die BSW.“
Um eine Fraktion im Bundestag bilden zu können, sind mindestens fünf Prozent der Abgeordneten nötig. Fraktionen erhalten aus dem Haushalt des Bundestags besondere Finanzmittel insbesondere zur Beschäftigung von Mitarbeitern.
Stellt eine Partei im Bundestag weniger als fünf Prozent der Abgeordneten, kann sie sich dort zu einer Gruppe zusammenschließen - die allerdings weniger Geld erhält. Die Linke wird ihren Fraktionsstatus verlieren, wenn zwei oder mehr Abgeordnete die Fraktion verlassen.
Der frühere Linken-Parteichef Bernd Riexinger bezeichnete im „Tagesspiegel“ das drohende Ende der Fraktion zwar als bedauerlich - konnte ihm aber auch positive Seiten abgewinnen: „Als Gruppe könnten wir endlich wieder geschlossen auftreten und uns durch unsere parlamentarische Arbeit hervortun und nicht durch die ewigen Streitereien.“
Der SPD-Vorsitzende Klingbeil zeigte sich offen für die Aufnahme von Mitgliedern der Linken in seine Partei. „Ich werde jetzt keine Mitgliedsformulare in der Linkspartei verteilen“, sagte Klingbeil der „Welt am Sonntag“. „Aber natürlich gilt: Wer sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität einsetzt und in unserem Land etwas bewegen will, ist in der SPD willkommen.“
Der zur SPD gewechselte Ex-Linkenpolitiker Thomas Lutze rechnet mit weiteren Überläufern für den Fall, dass die Fraktion als Folge einer Parteigründung durch Wagenknecht zerfällt. „Wenn die Fraktion auseinanderbricht, dann werden weitere Abgeordnete der Linken zu den Grünen oder zur SPD gehen“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstagsausgaben). „Sechs bis zehn würde ich einen Wechsel zur SPD zutrauen.“
Lutze war kürzlich von der Linksfraktion in die SPD und deren Bundestagsfraktion übergetreten. Für Lutzes Aufnahme in den Berliner Landesverband machte sich nach RND-Informationen auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert stark. Dies sei auch aus dem Kalkül geschehen, weitere Linken-Abgeordnete zum Übertritt einzuladen.