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Landtagswahl 2022Warum manche Wahlkreise in der Region neu zugeschnitten wurden

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Wahlplakate zur Landtagswahl

Wahlplakate zur Landtagswahl 

Köln – Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen steht vor der Tür: Am 15. Mai wählen rund 13 Millionen Wahlberechtigte ein neues Landesparlament. Insgesamt 128 Wahlkreise gibt es in NRW, doch im Vergleich zur letzten Wahl im Jahr 2017 haben sich darin einige Grenzen verändert. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum „Neuzuschnitt“ der Wahlkreise.

Warum werden die Wahlkreise neu geordnet?

Mit dem Zuschnitt soll sichergestellt werden, „dass die Wahlkreise eine annähernd gleich große Wahlberechtigtenzahl haben“, erklärt Sandra Plümer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen.

Wahlkreise

Diese Zahl kann allerdings je nach Bevölkerungsentwicklung in einem Gebiet schwanken. Vor jeder (Landtags-)Wahl müsse dementsprechend das Wahlrecht geprüft werden, erklärt die Expertin. 2019 entschied der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof zudem, dass sich die Einteilung der Wahlkreise nicht mehr wie zuvor nach der Einwohnerzahl insgesamt, sondern nach der Zahl der Wahlberechtigten richten solle. Diese Entscheidung setzte der verabschiedete Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Landeswahlgesetzes im Januar 2021 um. Insgesamt 34 Wahlkreise in NRW wurden daraufhin neu geordnet.

Wer nimmt den Neuzuschnitt vor?

Für die Neuordnung ist das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen verantwortlich. Innerhalb von 27 Monaten nach Beginn der aktuellen Wahlperiode muss es über die Einwohnerzahlen im Wahlgebiet informieren und gegebenenfalls Änderungsvorschläge präsentieren, so Plümer.

Zahlen zur Landtagswahl

101500 Wahlberechtigte gibt es durchschnittlich pro Wahlkreis. Sie wählen mindestens 181 Abgeordnete – hinzu kommen noch mögliche Überhang- und Ausgleichsmandate. Rund 110 000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer benötigen die Kommunen laut Innenministerium zur Durchführung der Wahl.

2017 gaben rund 24,9 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme per Brief ab. Angesichts der Corona-Pandemie erwartet Landeswahlleiter Wolfgang Schellen, dass diese Zahl 2022 deutlich höher liegen wird. (crb)

Bei der Neueinteilung müssen laut Artikel 13 des Landeswahlgesetzes bestimmte Regelungen eingehalten werden. „Die Wahlberechtigtenzahl eines Wahlkreises darf vom Durchschnittswert nicht um mehr als 20 Prozent nach oben oder unten abweichen“, sagt Sandra Plümer. Außerdem soll „auf Grenzen von Kreisen und kreisfreien Städten nach Möglichkeit Rücksicht genommen und Gemeindegrenzen nur in Ausnahmefällen durchschnitten werden. Dadurch soll der Erkenntnis Rechnung getragen werden, dass verschiedene Wählerschichten oftmals geografisch sehr unterschiedlich verteilt sind.“ Wichtigstes Grundprinzip bei der Neuordnung ist die Gleichheit: keine Stimme wiegt mehr oder weniger als die andere.

Ist diese Praxis sinnvoll oder umstritten?

In den USA sorgt der oftmals parteipolitisch motivierte Neuzuschnitt von Wahlkreisen in einem Mehrheitswahlsystem, das sogenannte „Gerrymandering“, regelmäßig für heftige Debatten zwischen Demokraten und Republikanern. In Deutschland ist die Neueinteilung von Wahlkreisen zwar weit weniger heiß diskutiert, doch trotzdem nicht komplett unumstritten.

„Der Landesregierung wurde bei der letzten Änderung des Landeswahlgesetzes vorgeworfen, sie wolle sich durch eine etwaige Reform eigene Vorteile verschaffen“, sagt Sandra Plümer. „Dieses Argument wird insbesondere dann vorgebracht, wenn umkämpfte Gebiete neu zugeordnet werden, denn dann kann sich dort die politische Farbe des Mandats verändern.

Was hat sich in der Region seit 2017 geändert?

In einigen Landkreisen gab es Verschiebungen der Wahlbezirke (siehe auch die obenstehende Grafik). So bilden Siegburg, Lohmar und Sankt Augustin (bis auf den Stadtteil Menden) den neu geschaffenen Wahlkreis 29 (Rhein-Sieg V). Der Wahlkreis 26 (Rhein-Sieg II) wurde neu gegliedert und umfasst nun die Städte Meckenheim, Wachtberg, Bad Honnef, Königswinter und Hennef mit den Stimmbezirken Westerhausen, Dambroich, Rott/Söven, Eichholz und Dahlhausen/Eulenberg.

In Kerpen gehören einige Stadtbezirke weiterhin zu Wahlkreis 6 (Rhein-Erft II) – die Stadtteile Balkhausen, Brüggen und Türnich und Kerpen werden dagegen dem Kreis 7 (Rhein-Erft III) zugeordnet.

Einige Veränderungen im Vergleich zur Landtagswahl 2017 gibt es zudem im Kreis Euskirchen: Kall gehört nun zum Wahlkreis 8 (Euskirchen I) anstatt wie früher zu Düren II-Euskirchen II. Dafür wurde Weilerswist neu in den Wahlkreis 27 (Rhein-Sieg III-Euskirchen III) eingegliedert – hier wird also eine Kreisgrenze überschritten.

Gibt es Kritik an den Neuzuschnitten?

Im Kreis Euskirchen, wo nun drei verschiedene Wahlkreise aufeinandertreffen, sahen sich manche Kandidaten vor eine Herausforderung gestellt: beispielsweise in Weilerswist, das nun einem Wahlkreis in Rhein-Sieg zugeordnet wurde, müssen manche in einem neuen Gebiet auf Stimmenfang gehen.

„Den Wahlkreisschnitt finde ich unglücklich. Er bildet nicht die Lebensrealität der Menschen und das Zusammengehörigkeitsgefühl ab“, sagt etwa Thilo Waasem, Kandidat der SPD für Euskirchen I. Auch Landrat Markus Ramers (SPD) bezeichnete es als „Murks“, dass es im Kreis Euskirchen nun drei verschiedene Wahlkreise gibt.

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Einige Kandidaten wiederum sehen die Neuordnung der Wahlkreise eher als Chance. Jörn Freynick, Kandidat der FDP im Rhein-Sieg-Kreis, erklärt: „Ich bin in Bornheim-Hemmerich aufgewachsen, da hat man automatisch Beziehungen nach Metternich.“ Die Verschiebung der Grenzen sei zwar ungewohnt, aber auch eine Möglichkeit, die innerparteiliche Kooperation zu verbessern: „Die Zusammenarbeit der beiden beteiligten Kreisverbände Euskirchen und Rhein-Sieg ist dadurch ganz neu aufgestellt worden“, so Freynick. Ähnlich wie er sieht auch SPD-Kandidatin Anna Peters Weilerswists Wechsel in den neuen Wahlkreis als „eine Chance, die interkommunale Zusammenarbeit sogar über Kreisgrenzen hinaus auszubauen.“

Teilweise müssen die Kandidaten für den Wahlkampf vor Ort längere Anfahrtswege auf sich nehmen. „Ich will zeigen, dass die Strecken, die ich im Wahlkampf zurücklege, mit dem Öffentlichen Personennahverkehr machbar, aber im realen Leben unrealistisch sind“, sagt Isabel Elsner, Grünen-Kandidatin für den Wahlkreis Euskirchen II-Düren II. „Ich brauche drei Stunden mit Bus und Bahn für eine Strecke, die mit dem Auto maximal eine Stunde dauert. Das kann man niemandem ernsthaft zumuten.“

Bleiben die Ergebnisse der Wahlen vergleichbar?

Ja – die Stimmen der vergangenen Landtagswahlen werden auf die neu zugeschnittenen Wahlkreise umgerechnet, bestätigt Markus Tiedtke, stellvertretender Landeswahlleiter. So lassen sich die Ergebnisse in den veränderten und neu geschaffenen Wahlkreisen auch zukünftig vergleichen.