Ukraine-Wiederaufbaukonferenz in Berlin, Selenskyj vor dem Bundestag: Der Tag lenkt den Blick auf die vielen Versäumnisse Deutschlands und anderer westlicher Partner der Ukraine. Was wir fortan besser machen müssen.
Selenskyj in BerlinDeutschlands späte Wiedergutmachung
Was nicht zerstört wird, muss man nicht wieder aufbauen. Die westlichen Partner der Ukraine hätten viel Geld sparen können, wenn sie das beherzigt hätten. Und viele ukrainische Kriegsopfer wären noch am Leben.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat anlässlich der Wiederaufbau-Konferenz in Berlin auf das traurige Faktum hingewiesen, dass Russland mittlerweile die Hälfte der ukrainischen Stromproduktion durch Luftschläge lahmgelegt hat. Das zieht nicht nur immense Kosten für Reparatur und Neubau von Kraftwerken nach sich, sondern es löst auch Produktionsausfälle in der ukrainischen Industrie und damit weitere Schäden aus. Und dazu hätte es in diesem Ausmaß nicht kommen müssen.
Zu Recht haben Selenskyj und Bundeskanzler Olaf Scholz auf die Bedeutung von Luftabwehr verwiesen. Die Ukraine ist hier viel zu spät und mit viel zu knappen Ressourcen ausgerüstet worden – wobei sich Deutschland mit der Bereitstellung von drei, möglicherweise bald vier Patriot-Systemen mittlerweile positiv abhebt.
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Waffen-Freigabe kam viel zu spät
Viel zu spät hat die Ukraine aber auch die Erlaubnis erhalten, westliche Waffen gegen Ziele auf russischem Boden einzusetzen. Immer noch verweigern die USA eine entsprechende Freigabe für ATACMS-Raketen, ganz zu schweigen vom deutschen Mikrodrama um den Marschflugkörper Taurus.
Nun gibt es zwei Argumente, die Zurückhaltung verständlich machen: Scholz und US-Präsident Joe Biden wollen Russland nicht zu sehr in die Enge treiben, sondern signalisieren, dass es immer einen Ausweg gibt. Und der Westen will die eigene Verteidigungsfähigkeit trotz Abgabe von Systemen nicht zu sehr schwächen. Allerdings: Die Feuerwehr schickt man doch dorthin, wo es brennt, und das Stoppen der russischen Aggression dient unserer eigenen Sicherheit.
Mit Wolodymyr Selenskyj spricht jemand vor dem Bundestag, der für diese gemeinsame Sicherheit der Europäer vor einer mörderischen Diktatur einsteht. Er steht heute an der Stelle, an der vor 23 Jahren der schon damals als Gewalttäter berüchtigte Wladimir Putin stand.
Dass AfD und Wagenknecht-Bündnis am Dienstag Putins Propagandalügen aufgriffen – Selenskyj sei eigentlich nicht mehr im Amt, und er betreibe die Eskalation im Krieg –, überrascht nicht, und dass ihre Abgeordneten fernblieben, ist nicht schade. Man könnte auch sonst gut auf sie verzichten. Dass die übrigen Abgeordneten Selenskyj zuhörten, ist sicher ein Akt der Wiedergutmachung. Noch besser wäre es, wenn wir die Fehler nicht erst gemacht hätten, die zu so vielen Toten in der Ukraine geführt haben.