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Kommentar zu den Corona-BeschlüssenLockdown nach dem Prinzip Hoffnung

Lesezeit 3 Minuten
Merkel Lockdown-Verlängerung dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (l, SPD) und der CSU-Vorsitzende und bayrische Ministerpräsident Markus Söder geben eine Pressekonferenz im Bundeskanzleramt zu den Ergebnissen der Bund-Länder-Beratungen.

Die Regierungschefs von Bund und Länder standen bei ihrer vorgezogenen Konferenz am Dienstag unter einem doppelten Druck. Auf der einen Seite sind weite Teile der Bevölkerung den Lockdown nach elf Wochen ohne Pause leid. Ihre Erwartungen baldiger Erleichterungen steigen durch eine positive Entwicklung bei Infektionszahlen, Intensivstationen-Belegung und Todesfällen. Auf der anderen Seite haben die Regierenden in Großbritannien und Irland gesehen, wie verheerend das mutierte Virus wüten kann. Wenn B.1.1.7 mehr als nur vereinzelt in Deutschland auftritt, werden wir binnen einer Woche nicht von 10.000 minus x Infektionen sprechen, sondern von 60.000 plus y – und zwar täglich.

Die Kanzlerin versuchte nach dem fast achtstündigen Ringen von Bund und Ländern, die beiden Druck-Richtungen aufzufangen, indem sie als erstes aus den jüngsten Entwicklungen Zeichen der „Hoffnung“ herauslas, die „Mut“ machten für die nächsten Schritte. Doch dann wendete sie sich der „ernsten Gefahr“ zu. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Ministerpräsidenten sich immens schwer damit taten, Schulen und Kitas bis zum 14. Februar grundsätzlich geschlossen zu halten. Schüler, Eltern und Lehrer leiden angesichts des Lernpensums unter der Situation, die von völlig unzureichender Digitalisierung geprägt wird.

Besser wäre es freilich gewesen, die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin hätten sich nicht hinter verschlossenen Türen im vertraulichen Chat mit dem schwierigen Abwägen des Richtigen beschäftigt, sondern zuvor im Bundestag und in den Landtagen mit den Volksvertretern die Situation in aller Öffentlichkeit mit allen Meinungen und Optionen beraten.

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Spätestens für ihr nächstes Treffen im Februar sollten sie sich die Absicht des Bundestages im Infektionsschutzgesetz ansehen, die Grundlage aller nun zu erlassenden Länderverordnungen ist: Der Gesetzgeber will die Verwaltung dazu bringen, ihre Entscheidungen mehr von der Infektionslage vor Ort abhängig zu machen. Was in der Prignitz mit 260 Infektionen je 100.000 Einwohnern an Einschränkungen angezeigt ist, muss in Plön bei 45 Infektionen nicht gelten.

Die Beschlüsse folgen den wachsenden Erkenntnissen und Möglichkeiten. So lange es kaum medizinische Masken gab, bedeutete ein Stofftuch vor Mund und Nase ein besserer Schutz als gar keine Bedeckung. Doch nun ist klar und verfügbar, sich in Bussen, Bahnen und Geschäften mit OP- und FFP-2-Masken besser zu schützen. Auch die besonderen Vorkehrungen in Alten- und Pflegeheimen sind richtig, hätten schon früher und entschiedener angegangen werden müssen.

Indem Länder und Bund nun auch beim Homeoffice ein Muss, wo immer möglich, auf den Weg bringen, tragen sie dazu bei Widersprüche in der alltäglichen Lockdown-Wahrnehmung zu verringern. Wo Friseure und Gastronomen mit perfekten Hygienevorkehrungen geschlossen bleiben müssen, macht es wenig Sinn, wenn die Menschen im Job und auf dem Weg dorthin dicht an dicht stehen. Vor allem bleibt eines: Wenn die Politik die Bürger zu noch mehr Verzicht zwingt, muss sie sich zugleich selbst in die Pflicht nehmen, den Ausweg des Impfens noch breiter und schneller zu machen.